91 Nationen leben in Falkensee – Victoria Viererbe aus Russland
Der Vater von Victoria Viererbe ist Ukrainer, ihre Mutter Russin, sie selbst versteht sich als Deutsche. Vor 15 Jahren kam sie der Liebe wegen nach Deutschland und hat hier ihre zweite Heimat gefunden. Einen nicht unwichtigen Teil ihrer Kindheit hat Victoria Viererbe als Tochter eines sowjetischen Offiziers in der ehemaligen DDR verlebt. Von 1984 bis 1989 hat sie wie hunderte andere russische Kinder in Werder an der Havel verbracht.
Noch heute erinnert sie sich gern an sonnige Sommertage am Plessower See, an Fahrradtouren mit den Jungs zu der Autobahn, die nach Westen führte, und vieles mehr. Sie hatte hier eine schöne und unbeschwerte Kindheit gehabt.
Eigentlich wollte Victoria damals Englisch in der Schule lernen, aber da ihr Geburtsname mit Z anfing, wurde sie in die Gruppe für den Deutschunterricht einteilt. Erst später begriff sie, dass ihr persönliches Schicksal damit bereits entschieden wurde. Und jetzt ist sie auch sehr froh darüber. Denn die damalige Deutschlehrerin hat ihr die Liebe zur deutschen Sprache und Kultur vermittelt.
Mit 14 Jahren kehrte sie zurück in die Sowjetunion. Das was kurz vor dem Mauerfall. Gebannt verfolgte man in der Familie die Ereignisse und freute sich über die Wiedervereinigung. Und schon wieder hatte Victoria Glück. Sie war die einzige in der Klasse, die Deutsch als Fremdsprache lernte und hatte die frische gebackene Deutschlehrerin für sich ganz alleine. Und so entstand der Traum, Deutsch zu studieren. Die letzten Schuljahre waren hart, aber es hat sich gelohnt. Nur eine Prüfung trennte sie vom Traumberuf und diese hat sie mit Bravour bestanden.
Die fünf Jahre an der Uni vergingen wie im Flüge. In der Zwischenzeit hat Victoria ein Stipendium vom DAAD ergattern und durfte für ein halbes Jahr nach Deutschland.
„Das ein komisches Gefühl, als ich den deutschen Boden wieder betraf. Als ob ich in die Kindheit zurückgekommen wäre“-, erinnert sich Victoria heute. „Damals konnte ich von Deutschland nur träumen. Ich konnte nur das einzige tun, nämlich gut zu studieren, um später einen Job zu bekommen, der es mir erlauben würde, ab und zu nach Deutschland zu fahren. Das was mein Ziel.“ Es ist auch so gekommen. Victoria wurde Assistentin für Deutsch zuerst an der Universität in Wolgograd und später in Moskau. So konnte sie jeden Tag ihre lieb gewonnene deutsche Sprache um sich herum haben und diese Zuneigung an die Studenten weitergeben.
Und der Traum wurde noch besser. Der Computer machte damals seine ersten Schritte in Russland, doch dieser neuen Technik verdanken Victoria und ihr Ehemann, Dirk Viererbe, ihr gemeinsames Glück. Sie kamen sich über E-Mails und Telefonate näher. Und eines Tages kam Dirk nach Moskau, um Victoria kennen zu lernen. Und so sind sie seit 1999 ein Paar.
Zunächst wohnten die beiden in Berlin, und zwar in Neukölln. „Das war zu Beginn richtig so“, – erklärt Victoria. „So fühlte ich mich nicht allein, es waren ja fast alle Ausländer in Neukölln.“
Aber die beiden wollte ein eigenes Haus haben und so zog es sie nach Dallgow-Döberitz. Man kann sich vorstellen, wie lustig es Victoria fand, als sie erfuhr, dass in Neu-Döberitz früher sowjetische Truppen stationiert waren. „Als ob meine Herkunft mich nicht loslassen wollte“, lächelt sie. – „Aber andersrum bin ich eben mit diesem Ort auf eine Art und Weise verbunden, wie kein anderer. Ich fühle mich hier heimisch, denn ich wohne nur 30 Kilometer von Werder/Havel, wo ich meine Kindheit verbracht habe. Das ist doch toll!“.
Doch Victoria vergisst ihre kulturellen Wurzeln nicht. Sie fühlt sich wohl in ihrer zweisprachigen Welt und sie engagiert sich für das Thema Mehrsprachigkeit. Vor drei Jahren hat sie den Verlag Retorika GmbH gegründet. Sie verlegt Lehrbücher für Russisch als Fremdsprache und zweisprachige Bücher für bilingual aufwachsende Kinder. Ihr Ziel ist, dass die Kinder mit russischsprachigen Wurzeln das sprachliche Potenzial, dass sie in die Wiege gelegt bekommen haben, nutzen und sich daraus Vorteile ausbauen. Denn Mehrsprachigkeit ist eine Gabe, die in der heutigen Welt den persönlichen Erfolg im Beruf und Leben mitbestimmt. Das sagt Victoria aus eigener Erfahrung, denn sie selbst profitiert davon, dass sie die beiden Kulturen zu lieben pflegt. (Text/Foto: Victoria Viererbe)
Hinweis: Im FALKENSEE.aktuell-Heft 86 haben wir festgestellt, dass Menschen aus 91 Nationen in Falkensee leben. Nun lassen wir in jedem Heft eine andere Nation zu Wort kommen.
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