Uwes Kolumne: No Sports
Die Weihnachtsfeiertage forderten ihren Tribut. Die Waage log nicht und irgendwie musste ich Gewicht verlieren. Also ging ich erst einmal zum Friseur, die zottelige Hippiemähne gegen einen amerikanischen Militärhaarschnitt eintauschen.
Meine Frau meinte, ich sollte endlich mal wieder Sport machen. Es ist ja nicht so, dass ich es nicht versucht hätte. Aber ich halte es da mit Churchill: „No Sports!“ Angeblich ist das ein Zitat von Churchill – eine Antwort auf die Frage, warum er trotz Zigarren und Whiskey so alt geworden ist. Belegt ist das Zitat nicht. Immerhin: Danach habe ich auch eine große Chance darauf, ein hohes Alter zu erreichen. Whiskey passt, mit den Zigarren fang ich gleich an, von wegen gute Vorsätze für 2015. Aber Sport? Eher nicht!
Die Wahrheit ist: Ich bin ja so etwas von unsportlich. Das fing schon recht früh an. In der Schule. Mitten am Tag sich körperlich zu betätigen, um dann völlig platt und verschwitzt noch ein Diktat zu schreiben, war überhaupt nicht meins. Also wurde ich der klassische Turnbeutelvergesser. Dummerweise hatte ich noch einen Sportlehrer der alten Schule. War vermutlich früher beim Militär und für die Wehrkraftertüchtigung zuständig. Lies mich dann im vollen Straßenoutfit um den Sportplatz rennen oder Liegestütze machen Der hat mich schwer traumatisiert, der Typ. Meine Therapeutin hat heute noch damit zu tun, die Erlebnisse des Sportunterrichts aufzuarbeiten. Gott sei Dank wurde der Typ lange vor Beginn meiner Pubertät pensioniert.
Ich hatte aber auch wirklich genug Bewegung. Wir wohnten damals am Wald und in der Nähe eines Sees. Ich war in der Freizeit nur draußen unterwegs und daher schlank, rank und muskulös. Fahrradfahren und Schwimmen: okay. Sport als Unterricht? Nee, das blöde Geräteturnen war irgendwie langweilig, doofe Ballspiele wie Brenn- oder Völkerball machten keinen Spass. Ehrlich gesagt wurde ich immer als letzter in die Mannschaft gewählt. Ich stellte mich mit Absicht doof an, damit ich früh raus war, und mich wieder mit anderen Dingen beschäftigen konnte. Das hat immer gut geklappt.
Stelle dich doof an und andere belästigen dich nicht mit etwas, wozu du keine Lust hast. Das klappt heute übrigens immer noch, wenn mir meine Frau bestimmte Aufgaben aufs Auge drücken will.
Bei den Bundesjugendspielen hat es auch nie für eine Urkunde gereicht. Irgendwelche Auszeichnungen gab es für mich auch nicht. Mit dem Freischwimmer war Schluss. Warum sollte ich auch vom 3-Meter-Brett springen? Ja, ich war wirklich so unsportlich, dass ich mit ziemlicher Sicherheit zur Zeit der Neandertaler (oder noch früher) in der Nahrungskette den letzten Platz belegt hätte
Der Versuch meines Vaters mich im örtlichen Ruderverein zu etablieren, scheiterte frühzeitig. Ich spielte lieber Boote versenken. Außerdem: Immer bevor ich ins Boot durfte, musste ich so sinnlose Dinge wie Waldläufe unternehmen. Ich wollte rudern und nicht joggen. Das Jogging war zwar damals noch nicht erfunden, aber dafür gab es einen Trimm Dich Pfad.
Mein Verhältnis zum Sport änderte sich radikal 1974. Wir waren gerade zum zweiten Mal Fußballweltmeister geworden. Schlagartig wurde mir bewusst, dass man mit Sport zu reichlich Kohle kommen könnte – und dann war da auch noch der Ruhm. Einmal der Held sein. Damit hatte ich auf einmal eine Fußballkarriere fest im Blick. Nach einigen Tobsuchtsanfällen zu Hause knickten meine Eltern ein und meldeten mich beim SC Siemensstadt an. Von da an durfte ich der 5. B-Jugend spielen.
Recht schnell wurde mir klar gemacht, dass der Weg zum Nationalspieler ungefähr 1,5 Jahre dauern würde. Lichtjahre, versteht sich. Immerhin konnte ich einmal erleben, wie es ist, ein wichtiges Tor zu schießen. Einmal hab ich sogar in das richtige Tor und nicht in das eigene getroffen.
Wie es sich für einen richtigen Fußballstar gehört, hatte ich recht schnell eine Spitznamen weg. Wegen meiner Art zu Rennen nannten mich alle die „Ente“ – nach Willi „Ente“ Lippens, dem berühmten Essener Flügelstürmer.
Nach einem Unfall, bei dem ein umfallender Schultisch mir mehrere Zehen brach, war aber leider Schluss mit Fußball. Der Versuch, Nationaltorhüter zu werden, endete gleich mit dem ersten Spiel und mit dem Ergebnis 0:12. Es war ein denkwürdiges Spiel, bei dem sich unser englischer Mittelstürmer vor Langeweile in den Mittelkreis legte. Das veranlasste meinen Trainer zu dem denkwürdigen Ausruf: “Uwe, jetzt einen weiten Abschlag, James liegt frei!“
Heute mache ich nur noch Sport, wenn es wirklich sein muss. Ich habe mich eher auf geistige Sportarten verlegt. Poker zum Beispiel. Wie, das ist kein Sport? Habt ihr schon mal stundenlang versucht, ein völlig ausdrucksloses Gesicht zu machen, um dem Gegenüber nicht zu verraten, dass man mit seinen zwei Assen auf der Hand nach der letzten aufgedeckten Karte ein Fullhouse gerivert hat? Das trainiert die Gesichtsmuskeln. Darum sehe ich mit meinen fünfzig Lenzen auch immer noch aus wie 49. (Uwe Abel, Foto Maike Abel).
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