Uwes Kolumne: (k)ein Beinbruch
Montagabend, ich bin müde und will ins Bett. Das ist normalerweise kein Problem. Nun stehe ich vor der Treppe, gestützt auf zwei französische Gehstützen, und habe den linken Fuß in Gips. Das Badezimmer und das Reich der Träume scheinen unerreichbar. Mein Weg nach oben erinnert mich an eine Szene aus „Der Exorzist“. Rückwärts wie eine Spinne und mit verdrehtem Kopf erklimme ich die Stufen.
Wie konnte es nur so weit kommen? Nein, ich habe keine Katze vom Baum geholt oder ein dralle Blondine aus einem brennenden Haus gerettet. Ich war auch nicht der Held im Fußballspiel, der mit seiner mutigen Grätsche den Ausgleich verhindert und seiner Mannschaft den lang ersehnten Titel beschert hat. Ich bin einfach nur zu blöd zum Laufen. Irgendwie bin ich von der Bordsteinkante abgerutscht. Jedenfalls schmerzte es und mein Fuß hing wie ein schlapper Flügel an meinem Bein. Also ab in die Notaufnahme des Waldkrankenhauses. Da ich unterwegs die Kupplung mit dem Fuß nicht mehr treten konnte, fuhr ich, wie man spricht: laut und deutlich. Wobei: Mit der Zwischengastechnik ging es leidlich.
Von der Ankunft im Waldkrankenhaus bis zur Untersuchung durch einen Arzt dauerte es dann nur noch drei Stunden. Schon nach einer Stunde wusste ich bereits nicht mehr vor Schmerzen, welches Geschlecht ich hatte und wie ich sitzen sollte. Als sich dann endlich ein junger syrischer und sehr sympathischer Arzt um mich kümmerte, wollte ich eigentlich um den Gnadenschuss betteln. Ja, wir Männer sind echt harte Kerle. Die folgende Untersuchung erinnerte mich an die heilige Inquisition. Hätte man mich zum Kennedy Mord befragt, ich hätte alles zugegeben. Die Diagnose war vernichtend. Der Fuß, genauer gesagt der Mittelfuß, war gebrochen. Die Röntgenaufnahme war da nur noch Formsache.
Der Bruch hat sogar einen speziellen Namen: Jones-Fraktur, benannt nach Sir Robert Jones, der sich diese Fraktur 1902 während einer Tanzveranstaltung zugezogen und anschließend beschrieben hatte. Darum heißt das Teil auch „Dancer‘s Fracture“. Was zur Hölle hatten die 1902 für Tänze? Gab es damals schon Punkrock und haben die Pogo getanzt?
Nachdem ich eine schicke Gipsschale erhielt – und eine Einweisung bekommen hatte, wie ich mir selbst die Trombosespritze zu setzen habe, wurde ich mittels Krankentransport nach Hause gebracht. War schon lustig, wie auf einer Sänfte nach Hause gebracht zu werden. Während die Herren mein Gewicht aus dem Auto wuchteten und mich in das Haus trugen, winkte ich meinen Nachbarn huldvoll zu.
Zu Hause erging ich mich in dem, was Männer am besten können. In Selbstmitleid versinken und am Computer die Diagnose googeln. Das sollte man nicht tun. Mir wurde übel. Ich wollte schon Kerzen aufstellen und den Priester rufen. 12 Wochen Gips? Der beschissene Gips fing jetzt schon an zu jucken. Mein Bein würde danach aussehen wie ein langes, dürres Streichholz, das nach vergammeltem Edamer riecht. Alternativ bestand die Gefahr, dass eine OP notwendig wäre, um den Bruch mit Schrauben und Drähten zu fixieren. Die Vorstellung, einen halben Stabilbaukasten im Fuß zu haben, beruhigte mich nicht wirklich.
So schlimm wurde es nicht, der D-Arzt gab Entwarnung. Nur vier Wochen mit einem Spezialschuh, den ich aufpumpen kann und der Ähnlichkeit mit einem Ski-stiefel hat, dann noch eine anschließende Physiotherapie, und alles wird wieder gut. Es dauert nur. Wenn ich wieder gesund bin, werde ich mich für die Abschaffung der Bordsteine einsetzen oder ich verklage die Stadt. In den USA würde das sogar funktionieren. (Uwe Abel, Foto o. Maike Abel)
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