Berlin-Spandau: Fritjof im Hotel Mama
Mitten in der Spandauer Altstadt findet sich in der Carl-Schurz-Straße der Eingang zu einem alten Gymnasium. Im ehrwürdigen steinernen Bau residiert seit vielen Jahren auch das Theater Varianta (www.theatervarianta.de). Es hat hier seine Bühne gefunden und bietet vielen Stammzuschauern aus der Region selbstgeschriebene, komödiantische Zeitreisen in die vergangenen Jahrzehnte an, die Spandau zeigen, wie es früher einmal war.
„In der Truhe liegt die Macht! oder Wo bitte geht der nächste Zug nach Spindlersfeld?“ bricht mit dieser Tradition. Das neue Stück ist eine zeitaktuelle Komödie mit viel Kabarett und Gesang, vom Theaterleiter Heinz Klever selbst geschrieben. Es bietet eine brisante Mischung, die aber sehr gut funktioniert.
Hajo (Klever) und Moni (Sonya Martin) könnten ihren Lebensabend so schön genießen, wenn da nicht der längst erwachsene Sohn Fritjof (genial in seinem Spiel: André Rauscher) wäre. Der kann sich weder vom „Hotel Mama“ lösen noch einen richtigen Job finden.
Abwechselnd versucht er sich als Bankberater, als Altenpfleger und sogar als Moslem, was herrlich überspitzt in immer neuen Kostümierungen sehr zur Unterhaltung der Zuschauer beiträgt. Das Schauspiel der Drei ist passend dazu perfekt auf den Punkt gebracht – mal ernsthaft hinterfragend, mal albern überspitzt. Wenn Fritjof die wie Kleinkinder sich dem Löffel verweigernden Senioren als Alterspfleger füttert, dann bleibt bei den Zuschauern kein Auge trocken. Das ist einfach köstlich umgesetzt.
Zu jedem neuen Job findet sich ein perfekt und mit scharfer Zunge geschriebener Song, der dem Zeitgeist auf den Zahn fühlt und Anlass zum Nachdenken bietet. Das Trio singt sich mit akribischer Leichtigkeit durch die nicht immer leicht zu merkenden Zeilen, vergisst kein Wort und überrascht positiv mit einer wirklich stimmgewaltigen und sehr professionellen Darbietung. Wer dem Gesang auf der Theaterbühne kritisch gegenübersteht, wird sehr angenehm berührt sein. Nicht minder gelungen sind die tief schneidenden Kabarett-Monologe. Veganismus, der Islam, Multikulti, Sex: Es gibt kaum ein Thema, das nicht auf der Bühne süffisant und kritisch beleuchtet wird.
Was nicht so gut umgesetzt wird im neuen Stück, das ist der rote Faden. „In der Truhe liegt die Macht“ beginnt mit einem Ausblick auf Franz-Josef Strauß und Helmut Schmidt, die sich im Himmel weiterhin über Politik streiten. Dann schwenkt das Stück zu Fritjofs neuesten Berufswünschen, was sich dann aber nach der Pause auch wieder verliert, sodass der Zuschauer nur noch mit einzelnen Szenen konfrontiert wird, die nicht ins Gesamtpaket passen.
Das Stück wird noch bis in den April hinein aufgeführt, der Spielplan ist auf der Homepage einzusehen. (Fotos/Text: CS)
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