Unerwünschte Hausgäste
Seit Dezember letzten Jahres häufen sich in Falkensee und Dallgow-Döberitz die Einbruchsdelikte. Die Polizei hat die EG Terrasse auf die Beine gestellt und fahndet mit Hochdruck nach den Ganoven. Wir verabredeten ein Treffen bei der Kripo, um uns schlau zu machen.
Die Penetranz der Diebe weckt den eigenen Trotz: Gegen diese Serie muss doch etwas zu machen sein! Wir trafen uns aus diesem Grund vor Ort bei der Kripo in der Falkenhagener Straße. Bei der Konferenz waren Kriminaloberkommissar Christian Naethe von der EG Terrasse, Polizeirat Steven Bahl als Leiter der Polizeiwache in Falkensee und Polizeioberkommissar Dietmar Keck vom Polizeipräsidium Potsdam als Chef der Pressestelle im Schutzbereich Havelland mit dabei.
Steven Bahl stellte zunächst die Maßnahmen der örtlichen Polizei vor. So wurden die Einsätze der Polizei im ganzen Stadtgebiet massiv in die Höhe getrieben. Präsenz zeigen war dabei die Devise der Beamten, die an den verschiedensten Stellen zu allen nur erdenklichen Tages- und Nachtzeiten Verkehrskontrollen durchführten und die Personalien der Autofahrer kontrollierten. Zugleich wurden die mobilen Einheiten so platziert, dass sie bei einer erneuten Einbruchsmeldung sofort vor Ort sein konnten, um einen flüchtenden Einbrecher vielleicht doch noch im Umkreis des Tatortes zu stellen. Bahl: „Allein im Januar und im Februar haben wir über 2.500 Einsatzstunden nur für die Ermittlungen und die Prävention im Bereich der Einbruchsdelikte aufgewendet. Bei uns arbeiten die Kollegen mit Hochdruck daran, die Einbrecher zu fassen.“
Wichtig ist Steven Bahl, dass hier nicht von einer Einbruchs“serie“ zu sprechen ist. Denn die impliziert nur einen einzeln agierenden Einbrecher oder eine einzelne Bande als Täter. Es handelt sich in diesem Fall aber anscheinend gleich um mehrere Banden, die im ganzen Speckgürtel von Berlin unterwegs sind und die sich durchaus in ihrem Tathabitus voneinander unterscheiden. Die Recherchen unser Redaktion zeigen: Da gibt es etwa die Tageinbrecher und die Nachtdiebe, die Hebler und die Bohrer. Die Hebler gehen nicht eben zimperlich vor und brechen Fenster und Türen ganz einfach mit dem Kuhfuss auf – am liebsten am Tag, weil der Bruch mit diesen Methoden ja nicht immer leise über die Bühne geht. Nachts sind da schon eher die Bohrer unterwegs, die ganz leise ein Loch unter Fenstergriffe oder Haustürklinken bohren, um dann mit einem speziellen Gerät den Öffnungsmechanismus zu betätigen. Oft genug scheint es so, als würden die Einbrecher die Bewohner eines Hauses gezielt beobachten, um erst dann zuzuschlagen, wenn niemand mehr zu Hause ist.
Die Diebe klauen, „was in die Jakkentasche passt“, also vorrangig Bargeld, wertvollen Schmuck, Digitalkameras und MP3-Player. Auch Notebooks wurden ab und zu mitgenommen. Oft genug scheint das erbeutete Diebesgut nicht den Aufwand und das Risiko eines Bruchs wert zu sein. Aber, so Steven Bahl: „Die Gauner warten immer auf den großen Jackpot. Alte Bürger haben durchaus schon einmal mehr Bargeld im Haus, als gut ist. Und selbst bei jungen Familien lässt sich schon ab und zu wertvoller vererbter Schmuck erbeuten“. Über einen Kamm scheren lässt sich das Beuteschema der Diebe aber nicht. Manche fahren eben durchaus mit dem Kleinbus vor und nehmen auch gleich noch den neuen Plasmafernseher und den ganzen Computer mit. Andere suchen gezielt nach den Autoschlüsseln, um den Wagen der Familie zu klauen. Wie gesagt: In Falkensee ist nicht nur eine einzelne Bande unterwegs.
Dass die Ganoven aber immer noch so dreist zulangen, wundert die Polizei. Normalerweise, so Bahl, wechseln die Diebe das Terrain, sobald der Fahndungsdruck steigt. Und in Falkensee ist ja nicht nur die Polizei sensibilisiert, sondern auch die Bürger selbst passen besser auf. Wer allerdings einen Dieb im Haus vorfindet, sollte sich nicht zum Helden aufspielen und die Verfolgung aufnehmen. Wird ein Einbrecher in die Enge getrieben, könnte er sich schon einmal mit dem mitgebrachten Brecheisen in der Hand Respekt verschaffen. Das kann dann leicht gefährlich werden. Besser ist es, sich so viele Details wie möglich einzuprägen, um anschließend die 110 zu wählen und die Polizei zu informieren. Eine Bitte hat Christian Naethe in diesem Zusammenhang: „Bitte nicht gleich auflegen, sondern dranbleiben. Viele Bürger legen schon wieder auf, wenn wir noch gar nicht alle Informationen haben.“
Was kann nun jeder tun, um sich zu schützen? Klarer Fall: Die Diebe möchten nicht erkannt und vor allem nicht gestellt werden. Deswegen scheuen sie den Einbruch bei gut gesicherten Häusern. Hohe Zäune, abschließbare Fenstergriffe, heruntergelassene Jalousien, Bewegungsmelder, eine laute Alarmanlage: Alles hilft und könnte abschreckend wirken, insofern die Nachbarschaft sensibilisiert ist. Die Polizei lädt in Falkensee immer wieder zu Informationsnachmittagen etwa auf dem Parkplatz der Supermärkte ein, um aufzuzeigen, wie sich das eigene Haus sicherer machen lässt. Die Experten kommen aber auch gern zu den Familien nach Hause, um vor Ort eine Beratung zu leisten. Unter der Nummer 03321-744 99 421 lässt sich leicht ein Termin vereinbaren. Vielleicht gleich mit mehreren Nachbarn im Verbund?
Hilfreich ist es auch, alle Wertgegenstände zu fotografieren und die Seriennummern zu notieren. Das ist nicht nur hilfreich für die Kommunikation mit der Versicherung, sondern hilft auch der Polizei. Als die letzte große Bande 2004 geschnappt wurde (und die Einbrecher bis zu 5,5 Jahre Knast bekamen), konnten die Beamten den Tätern nur knapp ein Dutzend Einbrüche nachweisen – bei über hundert gemeldeten Delikten. Ohne Beleg und Foto behauptet der Dieb einfach, den iPod in seiner Tasche schon immer besessen zu haben.
Falkensee ist eine bunte Mischung aus Alteingesessenen und Neuhinzugezogenen. Noch kennt nicht jeder jeden. Die Polizei bittet die Bürger darum, mehr aufzupassen und Netzwerke zu bilden. Nachbarn können Telefonnummern austauschen und sich gegenseitig informieren, wenn sie für längere Zeit das Haus verlassen. Naethe: „Eine gute Nachbarschaft bringt gute Hinweise.“
Wenn jeder ein bisschen die Augen aufhält, dann besteht vielleicht die Möglichkeit, die Diebe auf frischer Tat zu erwischen. Sie wurden bereits gesehen, dann aber meist gleich von einem mutigen Nachbarn verjagt. Besser ist es, in diesem Fall die Polizei anzurufen, sodass die Beamten die Diebe erwischen, solange sie noch an Türen oder Fenstern zugange sind.
Auch bei verdächtigen Personen vor Ort sollte die Polizei angerufen werden. Hier passiert Kriminaloberkommissar Christian Naethe noch zu wenig: „Ich habe mich jetzt schon oft verkleidet, mich mit der Mütze unkenntlich gemacht und bin dann ganz langsam mit dem Auto durch die Anliegerstraßen gefahren. Das hätte jeder Bürger melden können. Getan hat es niemand.“
Die Polizei geht davon aus, dass es sich bei den Einbrechern vorrangig nicht um Falkenseer Bürger handelt, sondern um osteuropäische Banden, die immer wieder räubernd durch den Speckgürtel ziehen. (Carsten Scheibe)
Einbruchsprotokoll 1
Herlitz-Siedlung an der Rottunde, Familie König*:
„Wir sind in der Nacht vom 19. Februar auf den 20. etwa um halb eins in der Nacht schlafen gegangen. Unseren Phaeton hatten wir vor der Garage geparkt, weil er nicht ganz hineinpasst. Als wir um 8 Uhr morgens wieder aufgestanden sind, war das Auto verschwunden. Wir waren erst ganz ruhig, wir sind ja versichert. Dann haben wir uns allerdings überlegt, wie die Diebe wohl an den Schlüssel herangekommen sind. Tatsächlich: Unsere Jacken hingen nicht mehr im Flur an der Garderobe. Sie waren verschwunden. Wir fanden sie im Gästezimmer wieder. Hier lagen sie zerwühlt auf dem Boden herum. Im Gästezimmer war die Gardine vom Fenster weggezogen und unter dem Fenstergriff war ein kleines Loch gebohrt. Hier müssen die Diebe eingestiegen sein, während wir oben unter dem Dach geschlafen haben: Wir haben nichts gehört oder mitbekommen.
Im Flur haben die Diebe noch die Handtasche und einen Rucksack durchsucht, in der Küche einen alten Kassettenrekorder entwendet und ein Portemonnaie und eine Digitalkamera geklaut. Draußen vor dem Haus lag unser Pokerkoffer – aufgebrochen. Hier haben die Diebe wohl Bargeld vermutet. Draußen lag auch der Kassettenrekorder im Gebüsch – und das Portemonnaie mit allen Kreditkarten, nur die Autopapiere und das Bargeld waren weg. Das Auto ist übrigens wieder da. Es wurde am 2. März in Berlin Neukölln gefunden. Die Polizei vermutet einen gezielten Auftragsraub des Autos.“
* Name von Redaktion geändert
Einbruchsprotokoll 2
Semmelhaag-Siedlung hinter dem Möbelmarkt, Familie Jordan*:
„Wir haben um 17:30 Uhr das Haus verlassen, um anläßlich eines Geburtstages essen zu gehen. Um 19:30 Uhr waren wir wieder da. Wir wunderten uns, dass die Terrassentür in den Garten nur angelehnt war und die Rolladen der Terrassentür hochgefahren waren. Da der Aufbruch sehr hektisch war, wurde aber an ein eigenes Verschulden geglaubt.
Am nächsten Morgen fiel der Tochter auf, dass ihr 10 Euro fehlten, die sie gerade erst von der Oma bekommen hatte. Eine Suche im Haus zeigte schnell, dass der Wohnzimmerschrank durchwühlt worden war und lose Briefmarken sowie eine Rolle 55er-Marken fehlten. Klarer Fall: Einbrecher waren im Haus. Sie müssen allerdings durch unsere Rückkehr gestört worden sein: Eine Wii-Spielekonsole, ein 50-Euro-schein auf dem Geburtstagstisch des Sohnes, ein Handy – alles war noch da!
Beim Rundgang ums Haus wurden Einbruchsspuren an der Erkertür der Terrasse gefunden. Sie wurde aufgehebelt und anschließend wieder sauber eingehängt. Die Polizei konnte einen Fußabdruck und Fingerabdrücke nehmen. Die Beamten mutmaßten, dass die Einbrecher beim Bruch gestört wurden und daraufhin nur mit der halben Beute das Haus verlassen hatten. “
* Name von Redaktion geändert
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