Benjamin Schickel: Streitpunkt Graffiti
In Falkensee gibt es seit 2008 das Jugendparlament. Es setzt sich für die Belange der Jugend im Ort ein. Benjamin Schickel gehört mit dazu. In Falkensee aktuell ist er ab sofort ihre Stimme. Dieses Mal geht es darum: Graffiti ist allgegenwärtig und sehr umstritten. Es begegnet uns jeden Tag. Es gehört zum Bild einer Stadt dazu wie die Supermärkte, auf deren Wänden wir die bunten Bilder finden.
Und auch Falkensee ist eine Stadt mit Jugend und Kultur und Jugendkultur und damit auch nicht vor der ungefragten Mitgestaltung der Stadt durch die Sprühdose gefeit. Wer mit aufmerksamen Blick durch den Stadtkern wandert, entdeckt an vielen Ecken die freie Wandgestaltung.
Ist Graffiti Kunst oder einfach nur Vandalismus? Die Meinungen dazu gehen stark auseinander.
Man kann es ganz pragmatisch sehen. Graffiti ist eine Straftat. Eine Sachbeschädigung an öffentlichem oder privatem Guts. Vom Gesetz verboten und da gibt es auch kein Wenn und Aber. Zudem sind die Hinterlassenschaften der letzten Nacht nicht selten nichts weiter als hässliche Schmierereien.
Aber genauso gibt es Gründe, warum seit Jahren auf der ganzen Welt nächtliche Attacken auf hilflose Häuserwände verübt werden. Die Sprüher stecken anscheinend mit ehrlicher Leidenschaft hinter den bunten Bildern. Leidenschaft? Möglicherweise verbirgt sich ja doch ein Sinn hinter den wirren Buchstabenkürzeln.
Kürzlich hatte ich Gelegenheit dazu, mich mit einem Bekannten mal etwas länger zu unterhalten. Dabei kam ganz Unverhofftes zu Tage. Ohne dass es zu erwarten gewesen, geschweige denn ihm anzusehen wäre, offenbarte er mir, dass er eine intensive und langjährige Sprayer-Karriere hinter sich hatte. Somit wurde mir schon mal klar, dass man kein typisches Bild eines Sprayers stilisieren kann.
Und je mehr er mir erklärte, umso mehr konnte ich zumindest etwas mehr von der Motivation für Graffiti und was dahintersteckt, nachvollziehen. Für die Graffiti-Künstler geht es mehr als um das Brechen von Regeln. Bei entsprechendem Niveau wird Graffiti zur Kunst. Natürlich nicht durch jeden als solche akzeptiert, aber ich denke, genau das ist der Reiz des Graffiti. Eine Kunst ohne Konventionen. Und Kunst will um ihrer selbst Willen gesehen werden. So geht es darum, sein Bild an einem möglichst ausgefallenem Ort einer möglichst großen Masse zu präsentieren. Und je mehr Geschick, Mut und Kreativität dabei aufgebracht wurde, umso größer ist auch die Anerkennung.
Mit beinahe glänzenden Augen erzählte mir mein Bekannter, was es für ihn bedeutet hat, als morgens ein komplett bunt bemalter Zug in den Bahnhof einfuhr. Der selbe Zug, dem er mit seinen Freunden in der Nacht zuvor mehr als drei Stunden Abenteuer gewidmet hatte. Es ist das Wissen, sein eigenes Kunstwerk als bunten Klecks durch den grauen Alltag zu schicken. Kreativer Exhibitionismus. Als Leuchtturm von Kreativität, Selbstbestimmung und Zeichen von Abgrenzung von Norm und Gesetz wird übertragen gesehen ein frech-bunter Mittelfinger auf die Reise geschickt. Der Sprayer wird zum urbanen Guerilla-Künstler, der als moderner Romantiker die festgefahrene Gesellschaft daran erinnert, dass unsere Umwelt einer ständigen Entwicklung unterliegt. Dass dabei Kosten in sicherlich vierstelliger Höhe entstehen, wird vom Sprayer als Mittel zum Zweck in Kauf genommen. Doch darin besteht das Problem. Sprayer können sich nur aufdrängen. Sie haben keinen Platz, ihre alternative Kunst darzustellen.
Eine Lösung, die sich in der Praxis bewährt hat, sind legale Graffitiflächen. Fassaden, die zur freien Gestaltung an durchaus öffentlich zugänglichen Orten zur Verfügung stehen, bieten Sprayern genügend Platz, ihre Bilder zu veröffentlichen, ohne den Besitz Dritter zu beschädigen. Auch für Falkensee ist das sicherlich eine kulturelle Überlegung wert.
Homepage: http://www.myspace.com/jugendparlament.
Wichtig: Graffiti ist sicherlich ein Thema, das sehr kontrovers diskutiert werden kann. Schicken Sie uns Ihre Leserbriefe, wir veröffentlichen sie auf www.falkenseektuell.de.
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