Stolpersteine
In der Nazizeit sind Millionen Menschen umgekommen, wurden ermordet oder in den Freitod getrieben, darunter nicht nur Juden, sondern auch Sinti und Roma, politisch Andersdenkende, Homosexuelle, Behinderte oder Widerständler und Fahnenflüchtige. Es gibt viele Denkmäler, die an die NS-Opfern erinnern, aber die meisten sind abstrakt und an einen Ort fixiert. Gunter Demnig macht das Leiden aus der Zeit des Nationalsozialismus wieder präsent – und das im ganzen Land. Seit 1994 verlegt er seine „Stolpersteine“ in vielen deutschen Städten.
Die 10×10 Zentimeter großen Pflastersteine mit einer aufgesetzten Messingplatte werden direkt in den Bürgersteig eingelassen und gedenken an einen Menschen, der an dieser Stelle gelebt oder gewirkt hat. In der Regel werden die Steine deswegen direkt vor den ehemaligen Wohnhäusern der verschleppten oder ermordeten Menschen in den Fußweg eingelassen. Mit ihrer auf 10×10 Zentimeter erzählten Leidensgeschichte treffen sie den Spaziergänger ganz unverhofft mit ihrer Botschaft und helfen so im ganz normalen Alltag dabei, gegen das Vergessen anzugehen. Über 17.000 Steine wurden bislang in 350 Städten verbaut.
In vielen Orten helfen Bürgergruppen dabei, das Schicksal einzelner NS-Opfer zu recherchieren, um auf diese Weise die Vorbereitungsarbeit für neue Stolpersteine zu erledigen. In Falkensee trifft sich dazu die „Vorbereitungsgruppe Stolpersteine“ um Klaus Pierow – sie arbeitet zurzeit an den Schicksalen von 50 Verfolgten. Die ersten fünf Stolpersteine wurden im letzten Jahr am 20. Juli verlegt, nun folgten am 15. November 2008 fünf weitere.
Bei leichtem Nieselregen fanden sich sehr viele Personen zunächst in der Berchtesgadener Straße 54 ein, um Stolpersteine für Else Wutschke (geb. Krambach, deportiert 14.4.1942, gestorben im Ghetto Warschau) und Kurt Krambach (deportiert 1944 nach Theresienstadt, ermordet 28.9.1944 in Auschwitz) in das Straßenpflaster zu integrieren.
Und so war es in der Berchtesgadener Straße: Vor vielen interessierten Zuschauern stellte Klaus Pierow zunächst das Konzept der Stolpersteine vor. Unser Falkenseer Chronist Hans-Ulrich Rhinow verlas anschließend die Leidensgeschichte der Krambachs, was sehr bewegend war. Ganz richtig erklärte anschließend Bürgermeister Heiko Müller: „Hier werden die von der Anzahl her nicht mehr begreifbaren und deswegen abstrakten Opferzahlen aus der Nazizeit auf einzelne Schicksale heruntergebrochen, die sich den Menschen erschließen und deswegen besonders dazu beitragen, dass die Opfer nicht in Vergessenheit geraten.“
Das stimmt. Die Stolpersteine verbinden ein bestimmtes Haus im eigenen Ort mit einem furchtbaren Ereignis. Das war für die Anwesenden noch greifbarer, da der Sohn des Ermordeten zusammen mit den Enkeln bei der Steinsetzung mit zugegen war. Das zeigte deutlich, dass die schreckliche Geschichte Deutschlands nur eine Generation weit entfernt ist – und die Leides des Krieges noch gar nicht so lange her sind, wie das mancher glaubt.
Gunter Demnig: „Unsere Aktionen werden sehr gut von der Bevölkerung angenommen. Wir haben inzwischen sehr viele tolle Gespräche geführt, sehr viele bewegende Momente gehabt. Vor allem die Arbeit mit den Schülern begeistert mich sehr.“ Die Schüler waren in diesem Jahr in Falkensee nicht mit dabei, da die Steinverlegung an einem Samstag stattgefunden hat.
Am 15. November ging es weiter in der Lortzingallee 26 mit einem Stolperstein für Kurt Wolfgang Skamper (deportiert 1941 nach Lodz, ermordet 6.3.1942) und in der Ulmenstraße 6, wo ein Stolperstein für Minna Rosa Cohn (deportiert 1942 nach Theresienstadt, gestorben 6.12.1942) verlegt wurde. Den Schluss bildete ein Stein in der Gartenstraße 54 für Oskar Sander (mehrmals verhaftet, Lager Börnicke, KZ Oranienburg, Lager Sonnenburg, tot am 8.4.1944).
Kritik, dass man die Namen der Opfer ja mit Füßen treten würde, wenn man über die Stolpersteine läuft, weist Gunter Demnig entschieden zurück: „Die Nazis haben sich nicht damit begnügt, auf den Menschen herumzutrampeln. Die haben Vernichtungstrupps losgeschickt und gemordet.“
Homepage: www.stolpersteine-falkensee.de
Fotos: Carsten Scheibe
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