Scheibes Kolumne: Grippewelle
In Falkensee sind Ossis und Wessis so intensiv zusammengewachsen wie wohl an keinem anderen Ort. Inzwischen denke ich nicht mehr, dass uns noch vieles trennt. Obwohl, eins ist da noch. Wenn es um den Besuch beim Arzt geht, dann erkennt man sofort, wer wo aufgewachsen ist.
Die Grippewelle ist da. Während draußen bereits seit elend langen Wochen der eiskalte Wind über den gefrorenen Boden pustet, versucht die Familie im Haus, noch einen Platz vor dem wärmenden Kamin zu finden, um alle angreifenden Viren und Bakterien auf Abstand zu halten. Das gelingt im Februar immer seltener, denn ein Kranker steckt den nächsten an. Vor allem die Schulen und die Kitas übernehmen hier gern die altbewährte Rolle des Virenkarussells.
Was ist nun aber, wenn die Krankheit wirklich in der eigenen Familie einschlägt? In diesem Fall erkennt man sofort, ob man es mit einer Ossi- oder einer Wessi-Familie zu tun hat. Beobachten wir doch einmal den krassest-möglichen Unterschied – den zwischen einem Wessi-Mann und einer Ossi-Frau.
Der Wessi-Mann kriegt eine Grippe und legt sich sofort zum Sterben bereit aufs Sofa. Eingewickelt in tausend Decken bettelt er um Liebe, Hühnersuppe, die TV-Fernbedienung und um einen Stift, damit er sein Testament niederschreiben kann. Trotzdem würde er niemals freiwillig zum Arzt gehen. „Das geht schon wieder vorbei“, jammert er dann mit nasaler Stimme, „oder es bringt mich eben um“. Tatsächlich weiß er genau, dass es bei einer Grippe absolut nix bringt, zum Arzt zu gehen. Eine Grippe kommt drei Tage, bleibt drei Tage, geht drei Tage. Ist halt so.
Als der Wessi-Mann noch junger Papa war, ist er trotzdem zum Arzt gefahren, wenn das Baby Fieber hatte. Nachdem der Arzt dann aber zum dritten Mal gesagt hat: „Indifferentes Fieber, da gibt es kein Medikament gegen, bitte viel trinken, Bettruhe, notfalls Fieber senken“, lässt er das mit dem Arztbesuch lieber. Es sei denn, die Symptome sind schlimm. Etwa – ein Arm fällt ab, die Haare gehen aus oder die Potenz lässt nach.
Während der Wessi-Mann zwar jammert, dass er bald stirbt, aber genau weiß, dass dies nicht der Fall ist, ist es bei der Ossi-Frau genau anders herum. Beim leisesten Hauch einer Fieber-Röte auf den Wangen springt sie in ihre Winterschuhe und rennt den Weg zum Arzt, weil es viel zu lange dauern würde, vorher noch ins Auto zu steigen.
Mit einem unerschütterlichen Glauben an die Wunder der Medizin lauscht sie dann den Worten des Gottes in Weiß. Der sagt: „Indifferentes Fieber, da gibt es kein Medikament gegen, bitte viel trinken, Bettruhe, notfalls Fieber senken.“
Während der Wessi-Mann nun sagt „Das hätte ich dir auch schon vorher sagen können“, fährt die Ossi-Frau am nächsten Tag gleich schon wieder zum Arzt, weil jetzt ja auch noch das Kind krank geworden ist. Und sicher ist sicher: Man will doch direkt vom Arzt hören, dass es nur die Grippe und nix Tödliches ist. (Carsten Scheibe)
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