Scheibes Glosse: Pappe weg
So kann‘s gehen: Einmal zu schnell auf der Autobahn und schon findet die Polizei den eigenen Führerschein so faszinierend, dass sie ihn sich gern einen Monat lang ausborgen möchte. Ohne Auto in der Gartenstadt – gar nicht so einfach. Aber auf einmal gibt es überall bekennende Leidensgenossen.
Mit 90 Stundenkilometern in die Baustelle vor Hamburg – kein Problem, da ist ja 80 erlaubt. Mittendrin steht aber ein neues Temposchild, Moment einmal, stand da wirklich 60? Blitz! So schnell kann es gehen. Dummerweise gab es für diese Temposünde nicht nur ein simples Knöllchen. Weil es die zweite Blitzaktion innerhalb eines Jahres mit x km/h zu viel war, wollte sich die Polizei gern mein Foto als wohl unbelehrbarer Wiederholungstäter ans Schwarze Brett hängen und bat darum, sich meinen Führerschein für einen Monat ausleihen zu dürfen. Na, diesem Ansinnen folgte ich doch gern.
Innerhalb von vier Monaten musste die „Pappe“ weg. Ich legte mir das Fahrverbot direkt auf die Osterferien. Eine Woche Urlaub auf der autofreien Nordseeinsel Wangerooge, eine Woche Ferien Zuhause – da brauche ich eh kein Auto. Danach müssen die Kinder zwei Wochen selbst zusehen, wie sie in die Schule kommen: Papas Fahrdienst wird komplett eingestellt.
Jetzt in der Restzeit zeigen sich mir zwei Dinge auf. Nummer 1: Gibt man freimütig zu, gerade für einen Monat keinen Führerschein zu haben, so hat man auf ein Mal sehr viele Bekannte, denen es ganz genauso ging: „Ich hab meine Pappe gerade wieder zurückbekommen“, „Mist, meine ist für zwei Monate weg, ich wollte den neuen Wagen mal ausfahren“, „Mein Führerschein war schon zwei Mal weg“, „Ich bin vor Gericht gegangen, um das zu verhindern, aber die Richterin fand, ich sei ein Straßenkrimineller.“
Nummer 2: Ohne Auto ist doof. Mal eben Brötchen holen, ins Kino fahren, einkaufen gehen – das klappt auf einmal nicht mehr. Alleine die Recherche-Besuche für das neue Falkensee aktuell: Da muss eben das Fahrrad wieder aus dem Schuppen geholt und entstaubt werden. Für die eigene Fitness ist das sicherlich nicht verkehrt. Aber wie komme ich jetzt in den Golfclub nach Tremmen? Nun, da müssen die Freunde mal ran.
Sehr gut aufgehoben fand ich mich bei der Falkenseer Polizei. Der Beamte, der meinen Führerschein entgegennahm, fragte gleich fürsorglich nach, wie ich denn hergekommen sei – etwa mit dem eigenen Auto? Nein, ich sei gefahren worden, ich denke ja mit. Ganz ernst meinte der Beamte: Gut so, denn sonst hätten sie mich auch gern nach Hause gefahren. Das fand ich ein sehr nettes Angebot, das ich so gar nicht erwartet hätte.
So oder so: Wenn der Führerschein wieder da ist, werde ich wohl ein wenig aufmerksamer auf Temposchilder achten müssen. Denn beim nächsten Blitz könnte die Sache ansonsten übel enden. (Carsten Scheibe)
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