Von Schweinen & Rehen
Falkensee ist nun definitiv nicht das abgelegene Kuhkaff, in dem sich Hase und Igel gute Nacht sagen. Doch trotz der Nähe zur Hauptstadt Berlin stecken unsere Wälder voller Leben. Und dieses Leben drängt immer wieder einmal in unsere Stadt und in die Gärten der Anwohner hinein. So mancher Zugezogene gibt sich überrascht, wenn er auf dem Weg zum Kompost auf einmal vor einem Wildschwein steht oder erstaunt zur Kenntnis nehmen muss, dass Waschbären seine gelben Säcke aufreißen, die er eigentlich für die Müllabfuhr vor die Tür gestellt hat.
Einer, der sich mit einheimischen und auch mit „zugezogenen“ Tieren ganz genau auskennt, ist Udo Appenzeller (57), Obmann der Falkenseer Jäger und Vorsitzender der Forstbetriebsgemeinschaft Falkensee und Dallgow-Döberitz. Wir trafen den Fraktionsvorsitzenden der Falkenseer SPD zu einem langen Gespräch, bei dem genug Stoff für zwei spannende Artikel zusammengekommen ist.
Die Wildschweine
Manche Zeitungen schreiben bereits, dass auf jeden Brandenburger, der in ein anderes Bundesland auswandert, mindestens zwei Wildschweine kommen, die seine Stelle einnehmen. Tatsächlich vermehren sich die wilden Schweine völlig ungehemmt – was an den milden Wintern liegt, aber auch am Menschen, der es den Tieren viel zu leicht macht, auch in schwierigen Zeiten Futter zu finden.
Udo Appenzeller: „Es ist falsch verstandene Tierliebe, wenn Wildschweine bewusst gefüttert werden. Schweine lernen schnell und kommen immer wieder. Und wenn sie dann kein Futter mehr finden, werden sie rabiat und brechen in die Gärten ein. Blumenzwiebeln, angepflanzte Kartoffeln und so manche Zierpflanze schmecken ihnen ganz ausgezeichnet. Am wichtigsten ist es, keine Garten- oder gar Küchenabfälle über den Zaun ins Niemandsland zum Wald zu werfen. Schweine riechen sehr gut. Und sie sind Vagabunden, die in einer einzigen Nacht bis zu zehn Kilometer weit herummarodieren können.“
In der Stadt sind die Schweine bald häufiger anzutreffen als in der freien Wildbahn. Appenzeller geht von 50 Tieren in Falkensee aus. Sechs Jäger sind so gut wie jede Nacht draußen, um die nachtaktiven Tiere zu bejagen. Das ist gar nicht so einfach, da bei einem Abschuss das Schussfeld eindeutig geklärt sein muss. Außerdem dürfen die Jäger nicht einfach auf ein leer stehendes Grundstück gehen, um hier versteckte Wildschweine zu bejagen. Erst muss die Erlaubnis des Grundstückseigners her.
Ein Problem ist auch, dass die Wildschweine nicht mehr nur zu bestimmten Jahreszeiten Nachwuchs haben, sondern inzwischen das ganze Jahr. Eine Bache mit Jungen im Kessel oder mit noch gestreiften Frischlingen verteidigt die eigene Brut bis aufs Blut und kennt dann keine Freunde mehr. Viele Hundebesitzer mussten mit ihren Vierbeinern bereits zum Tierarzt, weil die Hunde von einer wütenden Bache von einer Seite zur anderen aufgeschlitzt wurden.
Was ist also zu tun, wenn man eine Bache im Wald oder in der Stadt trifft? Appenzeller: „Zunächst Ruhe bewahren und sich ganz langsam aus der Gefahrenzone entfernen, wobei man die Bache immer im Auge behalten sollte. Greift sie an, lohnt sich der Versuch, sie laut anzuschreien, um sie zu verwirren. Dann gleich umdrehen und so schnell weglaufen, wie es nur geht. Die Tiere sind laufende Waffen und nicht zu stoppen. Noch besser ist es, auf einen Baum zu klettern. Die Bache läuft in der Regel 30 bis 40 Meter hinter dem fliehenden Menschen hinterher. Weiter möchte sie sich nicht von ihren Jungen entfernen.“
Der Fuchs
Reineke Fuchs hat ebenfalls nichts in der Stadt verloren, auch wenn er sich wie kaum ein anderes Waldwesen angepasst hat. Appenzeller: „Ich habe schon Füchse gesehen, die schauen nach rechts und nach links, bevor sie über die Straße gehen.“
Der Fuchs hat deswegen nichts in der Stadt verloren, weil er viele Krankheiten übertragen kann. Dazu zählt die Tollwut, die allerdings im Falkenseer Raum zurzeit keine Bedeutung mehr hat. Die Räude ist aber auch auf den Familienhund übertragbar. Gefährlich ist der Fuchsbandwurm, der beim Menschen nur schwer zu behandeln ist und über Jahre hinweg zum Tod führen kann. Die Staupe gab es im Umkreis viele Jahre lang nicht, jetzt hat sie voll zugeschlagen.
Udo Appenzeller: „Wir hatten in Falkensee und Umgebung lange Zeit eine extreme Überbevölkerung beim Fuchs. Jetzt hat die Staupe zugeschlagen und bestimmt die Hälfte des Bestandes umgebracht. Das hört sich zwar schlimm an, ist im Grunde genommen aber eine Korrekturmaßnahme der Natur. Jetzt ist die Population wieder gesundgeschrumpft und auf ein natürliches Maß reduziert. Im Wald hat der Fuchs übrigens seine Berechtigung, da er Mäuse und Ratten jagt und kranke Tiere frisst. Kommt er allerdings in die Stadt hinein, so ergänzt er seinen Speiseplan auch gern einmal mit einem Kaninchen, das er sich aus einem Garten stibitzt. Ich habe sogar schon einmal einen Fuchs gesehen, der eine Katze im Fang davongetragen hat.“
In der Stadt wird der Fuchs auch bejagt, allerdings nicht mit dem Gewehr. Hier stellen die Jäger Lebendfallen aus. Wird der Fuchs gefangen, wird er abtransportiert und tief im Wald wieder freigelassen.
Der Waschbär
Ach, ist der aber niedlich! So heißt es oft, wenn Kinder einen Nordamerikanischen Waschbären sehen. In Europa ist er inzwischen auch heimisch, seitdem er aus Gehegen ausgebrochen ist und nun gute Bedingungen zur weiteren Existenz und Vermehrung vorfindet.
Waschbären gibt es sogar schon in Falkensee. Am Niederneuendorfer Weg Richtung Schönwalde, rund um den Poloplatz in Finkenkrug und neuerdings sogar an der Kompostieranlage Galafa sind die etwa hundegroßen Tiere mit der „Brille“ auf der Nase und dem possierlichen Aussehen anzutreffen. Die nachtaktiven Tiere haben kaum Feinde und können sich so leicht vermehren. Sie sind kein Problem für den Jäger, auch wenn sie gern Singvögel und deren Nester wildern.
In der Stadt können sie schon zu einem Problem werden. Appenzeller: „Mit ihren rasiermesserscharfen Krallen schneiden sie besonders gern die gelben Säcke auf, die nachts vor dem Grundstück liegen. Für den Menschen ist der Waschbär keine Gefahr. Meist hört man ihn nur, sieht ihn aber nicht. Seine Krallen setzt er nur dann energisch ein, wenn man ihn fangen möchte und ihn dabei in die Enge treibt.
Die Rehe
Rehe gibt es natürlich auch in unseren Wäldern. Sie drängen aber zunehmend auch in die Stadt. Ein Familienverband lebt etwa im Gebiet an der Spandauer Straße (Shell-Tankstelle) und wandert hier über die Straße bis hin zum Schlaggraben. Die weiten Felder und Wiesen sind für die Rehe ideal, die hier unbelästigt auf Futtersuche gehen können.
Von ehemals circa 12 Tieren sind momentan nur fünf bis sechs zu sehen. Appenzeller: “Wir vermuten schon seit langem, dass hier mehr oder weniger regelmäßig gewildert wird. Im letzten Jahr haben wir Meldung bekommen, dass geschossen wurde und ein silberfarbener Geländewagen kurz danach davongebraust ist. Natürlich verlieren wir aber auch ab und zu ein Tier, wenn es beim Überqueren der Spandauer Straße von einem Auto erfasst wird.”
Rehe sind standorttreu und haben ein festes Einstandsgebiet. Im Stadtgebiet sind sie nicht nur nett anzusehen, sondern können auch handfesten Schaden anrichten. Gelangen sie etwa in die Gärten, so können sie Blumenzwiebeln ausbuddeln oder die frischen Triebe der Ziersträucher abnagen.
Trotzdem ist ein Beschuss im Stadtgebiet die Ausnahme. Appenzeller: „Wir Jäger greifen nur dann ein, wenn die Rehe eine Gefährdung für den Straßenverkehr darstellen. Das ist etwa der Fall, wenn sie sich ein Einstandsgebiet suchen, das von vielen stark befahrenen Straßen durchkreuzt wird. Da geht dann die Sicherheit der Autofahrer vor.“
Im Wald sind Rehe nur noch selten zu sehen. Jogger, Mopedfahrer und Hundehalter sind so intensiv im Wald unterwegs, dass die Rehe sich den ganzen Tag verstecken und erst im Dunkeln herauskommen. Appenzeller: „Für uns Jäger ist das problematisch, weil wir dann unsere Abschussquote kaum erfüllen können.“
Die Rehe haben jetzt Nachwuchs. Die Kitze liegen in den hoch aufschießenden Wiesen und werden von den Müttern weiterhin versorgt. Appenzeller: „Oft haben Anwohner den Eindruck, ein Kitz wäre verlassen. Dem ist aber nicht so. Kümmern sich die Menschen um die Kitze, dann nehmen die Mütter die Jungen oft nicht mehr an. Also – Abstand wahren. Hunde wittern die Kitze nicht, weil sie noch keinen Eigengeruch haben. Oft treffen sie aber beim Herumtoben per Zufall auf die Kitze – und das geht selten gut aus für die jungen Rehe. Aus diesem Grund gehören Hunde in dieser Jahreszeit mehr denn je an die Leine. Die Forstämter schreiben neuerdings besonders rigoros Anzeigen, wenn Hunde ohne Leine im Wald und auf den Feldern angetroffen werden.“
Vorschau
Im nächsten Monat geht es weiter. Hier erfahren Sie dann alles über unsere Dachse, das Damwild, den Marderhund, Goldottern, den Fasan, Rebhühner und sogar den Wachtelkönig. Udo Appenzeller danken wir für seine spannenden Ausführungen.
Seitenabrufe seit 1.12.2021:
Kennen Sie schon unsere Gratis-App?
Apple – https://unserhavelland.de/appapple
Android – https://unserhavelland.de/appandroid
Anzeige