Scheibes Glosse: Sammelfieber
Auf den Schulhöfen vor allem der Grundschulen werden Fußball-, Pokemon- und Yu-Gi-Jo-Karten bestaunt, getauscht und untereinander verkauft. Dafür verballern die Kinder mehr Geld, als sie bereits für ihr Handy ausgeben. Komisch – wir haben uns früher mit Bierdeckeln begnügt.
„Papa, das ist nun einmal so teuer.“ Papa hört die Worte wohl. Nur sagen kann er dazu nix. Er staunt nämlich noch mit offenem Mund. Darüber, dass die Kinder dazu bereit sind, ihr gesamtes Taschengeld und auch noch Omas Fünfer in den Spielzeugladen zu tragen, um dafür ein paar bunt bedruckte Karten zu kaufen. Pokemon, Yu-Gi-Jo, seit kurzem auch Fußballsammelkarten und GoGo-Figuren – die Industrie hat sich da etwas Feines ausgedacht, um minderjährige Sparschweine zu schlachten. In den unglaublich teuren Tüten finden sich leider immer nur sehr wenige Karten. Die wirklich wichtigen sind nicht darunter, sodass munter weiter eingekauft wird. In der Schule wird die Pause dann geopfert, um sich gegenseitig die Sammlung zu bestaunen. Kinder, die wenig Geld haben, sind dabei leicht die Ausgestoßenen. Und bis man die Karten günstig bei eBay ersteigern kann, sind sie auch schon wieder out.
Bei uns lief das früher ganz anders. Meine Freunde und ich, wir sammelten als Kinder in Berlin – Tusch! – Apothekennotdienstpläne. Echt. Kein Scherz. Jede Apotheke druckt so einen Plan und verteilt ihn kostenfrei an die Kunden. Wir sammelten sie in ganz Berlin und verbrachten lange Nachmittage auf dem Fahrrad, um so viele Apotheken wie es nur geht abzuklopfen. Jede Apotheke gestaltete ihren Plan anders, sodass bald ein paar ganz besonders schöne Unikate in unserer Sammlung zu finden waren. Und dank der aufgedruckten Jahreszahl konnte man die Sammlung in jedem Jahr wieder von vorn beginnen. Die Apotheker selbst hatten kein Problem damit, ihre Pläne für unsere Sammlung herauszugeben. Ich glaube, sie fanden unsere Idee sogar originell. Und wir, wir liebten auf einmal Wandertage, die mitten durch die Stadt führten. Da konnten wir immer rasch mal einen Schlenker laufen und eine Apotheke „plündern“. Natürlich war es Ehrensache, den Freunden aus dem Urlaub auch Apothekennotdienstpläne aus anderen Städten mitzubringen.
Schade ist, dass ich die Sammlung heute nicht mehr habe. Denn damals musste sie weichen: Wir fingen an, Bierdeckel zu sammeln. Auch wenn das bedeutete, dass wir wieder auf unsere Fahrradsättel mussten, um die Großstadt ein weiteres Mal zu bereisen.
Ich bin mir sicher, dass es auch heute noch viele kostenlose Dinge gibt, es sich sammeln lassen – Papierspeisekarten von Restaurants, Kronkorken oder die Visitenkarten der dubiosen Autoankäufer, die diese immer in den Außenspiegel der Autos klemmen. Man muss eben nur kreativ sein, dann bleibt das Sparschwein voll.
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