Scheibes Glosse: Vernagelt
Falkensee ist so ein Pflaster, das viele mutige Existenzgründer anzieht. Im Speckgürtel von Berlin, da muss doch eigentlich jedes Geschäft funktionieren, oder? Zurzeit gibt es ein Geschäftsmodell anscheinend im Dutzend billiger – das Nagelstudio. Fast an jeder Ecke wird ein neues Geschäft eröffnet. Die Frage, die sich jeder Mann nun stellt: Wer braucht das eigentlich?
In Falkensee muss so mancher Gewerbetreibender seinen Laden räumen, wenn es mit der schnell ausgedachten Geschäftsidee doch nicht funktioniert und die finanziellen Reserven einfach nicht ausreichen, um die erste Durststrecke zu überdauern.
In einem solchen Fall ist es immer wieder spannend zu verfolgen: Wer wird der Nachmieter, wer übernimmt das leerstehende Ladengeschäft? Die Hoffnung stirbt ja zuletzt. So hoffen wir alle auf einen gut sortierten Obstmann, auf eine Creperie, einen großräumigen Buchladen oder vielleicht auf ein richtiges türkisches Restaurant wie das HASIR in der Spandauer-Altstadt. Aber nein. Wenn es kein Friseur ist, der neu eröffnet, dann ist es unter Garantie ein Nagelstudio. Manchmal nagelt es mir schon von beiden Seiten der Straße entgegen: Überall Nagelstudios!
Während ich mich noch wundere, wo denn die vielen neuen Friseure ihre Kundschaft herbekommen wollen, frage ich mich bei den Nagelstudios erst recht: Wer braucht das? Immerhin geht die Milchmädchenrechnung auf: Friseure können nur einen einzelnen Kopf zurechtstutzen, Nagelstudios aber satte zehn Nägel pro Kunde verlängern. Wobei sich meistens nur die Frauen zu den Nagelkundinnen zählen dürften.
Wir haben 40.000 Falkenseer im Ort, davon sind 7.500 Kinder. Von den restlichen 32.500 Einwohnern darf man die männliche Hälfte abziehen: Bleiben etwa 16.000 Frauen übrig. Reicht diese Zahl, bei der die Großmütter jenseits der Nagellackierer-Altersgrenze noch nicht aussortiert sind, denn aus, um gefühlte vier Fantastilliarden Nagelstudios am finanziellen Leben zu erhalten?
Und: Wollen wir Männer das überhaupt? Frauen mit grotesk verlängerten, im Dunkeln leuchtenden und im Hellen funkelnden Nägeln, die sie wie scharfe Waffen vor sich her tragen und die kein Mann gern in der Nähe seines Gesichts oder anderer Körperteile sehen möchte? Frauen mit Nägeln, die so lang sind, dass sie Messer und Gabel nicht mehr halten können – und die nicht mal dazu in der Lage sind, in der Nase zu bohren, ohne sich dabei aus Versehen das Vorderhirn herauszulöffeln?
Ich bin sicher, dass die meisten Männer tausend andere Formen der weiblichen Verschönerung vorziehen würden.
Und wenn die ganzen Nagelstudios dann nach einer Saison alle wieder weg sind, dann ist es vielleicht Zeit für den Obstmann, die Creperie und das türkische Restaurant. (Carsten Scheibe)
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