Scheibes Glosse: Powernapping
Der Redaktör hat‘s schwör – und manchmal liegt einfach mehr Arbeit auf dem Schreibtisch, als man sie an einem Tag wegarbeiten kann. Wenn dann die Energie auf der Strecke bleibt, hilft nur eins – ein Powernapping. Dabei darf man sich nur nicht von der eigenen Tochter erwischen lassen.
Oft klingelt den ganzen Tag über das Telefon. E-Mails schlagen im Minutentakt im Postfach auf und an der Tür klopft der Paketbote. Es gibt so Tage, da ist man einfach nur froh, wenn sie endlich zu Ende sind. Doch geschafft hat man dann noch immer nichts. Deswegen arbeite ich so gern in der Nacht. Niemand ruft an, die Zeit dehnt sich wie Kaugummi und die Arbeit am PC flutscht.
Natürlich ist dieser Rhythmus sehr ungesund. Nachts um eins oder um zwei ins Bett zu gehen, um dann morgens um halb sieben wieder aufzustehen, damit ich die Kinder für die Schule fertig machen kann – das ist viel zu wenig Schlaf für mich. Das führt dazu, dass ich am Tag tranig und müde werde. Oft stiere ich dann viel zu lange auf meinen Bildschirm und hoffe, dass sich die Worte von alleine finden, ohne mein Zutun.
Andere gehen dann zum Hormon-Yoga, lassen sich homöopathische Pillen verschreiben, versuchen sich an einer Sakranial-Schädel-Massage oder probieren Bachblüten, um neue Energie zu tanken. Aber ich habe es nicht so mit den alternativen Methoden. Ich probiere es lieber mit Red Bull und ähnlichen Energy Drinks. Das gibt den Kick, aber leider nur sehr kurzfristig.
Also habe ich etwas Neues für mich entdeckt, um frische Kraft zu tanken. Powernapping. Meist so um die Mittagszeit, wenn das Telefon mal nicht tutet und auch das Mail-Postfach nicht überkocht, mache ich mir im PC schöne Chill-out-Musik an. Vielleicht Morcheeba, De-Phazz, Dido oder das „Decade“-Sammelabum von Neil Young. Momentan habe ich vor allem „Telegraph Road“ von den Dire Straits auf dem virtuellen Plattenteller.
Dann rolle ich mit meinem Schreibtischstuhl zurück, rutsche darin etwas weiter nach unten und lege die Füße auf den Schreibtisch. Das ganze Kuddelmuddel auf dem Tisch schiebe ich dabei mit den Füßen zur Seite. Es ist überraschend – aber diese Position ist unglaublich bequem.
Und da ich überall gut schlafen kann, in der New Yorker U-Bahn ebenso wie im Flugzeug oder in einem Zelt voller schnarchender Pfadfinder, schlummere ich auch am Schreibtisch binnen weniger Sekunden ein.
Zehn Minuten, eine Viertelstunde – länger darf so ein Powernapping nicht dauern. In der Regel wache ich nach dem Stellen meines inneren Weckers pünktlich wieder auf und bin dann bestens erholt. Auf jeden Fall bereit, den restlichen Tag zu nehmen, meine Arbeit zu machen und nachts wieder einmal ein Stündchen länger dranzuhängen.
Nur eins ist doof: Niemand erwischt mich beim Powernapping so oft wie meine Tochter. Das hinterlässt anscheinend einen bleibenden Eindruck. In der Schule darauf angesprochen, was denn ihr Papa beruflich macht, sagt sie doch glatt: „Der schläft den ganzen Tag.“
So war das mit den Powernappings doch auch nicht gemeint. (Carsten Scheibe)
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