Historische Spandauer Stadtgarde: Füsiliere voran!
In Spandau lebt die Geschichte wieder auf. Auf der historischen Zitadelle exerzieren sie wieder, die Füsiliere des Infanterieregiments Nr. 35 Prinz Heinrich von Preußen. Nach historischen Nachweisen war dieses Regiment in der typisch schwefelgelben und blauen Uniform übrigens von 1764 bis 1796 auf der Zitadelle stationiert.
Die in historische Uniformen gekleideten Soldaten der Spandauer Stadtgarde haben es sich in unserer modernen Zeit zur Aufgabe gemacht, die militärischen Traditionen des 18. Jahrhunderts auch in der Gegenwart zu bewahren. Die preußischen Tugenden wie Sparsamkeit, Gerechtigkeit, Unbestechlichkeit, Toleranz und Bescheidenheit werden von den Uniformierten in Berlin aufrecht erhalten und auch bei internationalen Einsätzen wie etwa in Chile oder Tokio bei offiziellen Anlässen vorgelebt. Auch das legendäre Tabakkollegium – damals vom Vater des alten Fritz, von König Friedrich Wilhelm dem I, König von Preußen, in Wusterhausen eingeführt – wird jedes Jahr veranstaltet, um für einen guten Zweck viele Spenden zu sammeln.
Die ehemalige slawische Burganlage von 1197, die heutigen Zitadelle, ließ Alfred der Bär schon 1157 wegen des strategisch wichtigen Zusammenflusses von Spree und Havel als Grenzbefestigung ausbauen. Bis Mitte des 15. Jahrhunderts war die Zitadelle bevorzugte Wohn- und Regierungsstätte der Markgrafen und Kurfürsten. Kurfürst Joachim II ließ um 1560 herum die Festung in der „neu-italienischen Manier“ errichten. Um 1594 wurde das Festungsbauwerk von seinem Sohn Kurfürst Johann Georg vollendet. Während der Befreiungskriege um 1813 wurde das von Napoleon verteidigte Spandau von preußischen und russischen Truppen belagert.
Im Juliusturm lagerte von 1874 bis 1919 der Reichskriegsschatz von etwa 120 Millionen Goldmark. Das alte Festungsbauwerk Zitadelle wurde bis nach dem Krieg immer wieder militärisch genutzt, steht heute jedoch eher für kulturelle Veranstaltungen für die ganze Familie zur Verfügung. Seit 1985 hat auch die historische Spandauer Stadtgarde mit ihren etwa 120 Mitgliedern in den Räumen der Zitadelle ihren festen Platz gefunden. Unter der Leitung des Major Heinz Bosbach (82), des Kommandanten der historischen Spandauer Stadtgarde, exerzieren die Füsiliere in historischen Uniformen auf dem Exerzierplatz der Zitadelle Spandau.
„Hier finden auch zwei Mal im Monat die Gardetreffen statt, an denen etwa 25 Personen in historischen Uniformen teilnehmen. Gerne dürfen sich interessierte Besucher diese Vorführungen mit anschauen“, erklärt uns der Major Bosbach. „Dabei teilt sich die Spandauer Stadtgarde intern in zwei Guppen auf. Der eine Teil orientiert sich nach Vorbild von 1740 von Prinz Heinrich von Preußen, dem Bruder von Friedrich dem Großen, in schwefelgelber und blauer Uniform“, erklärt uns Lutz Gebhard (63), der lange Jahre über Sicherheitschef in der Berliner Justiz war und nun als Zeugmeister auch für die vielfältigen Waffen der Garde zuständig ist.
„Der andere Teil entspricht dem wilhelminischen Teil des Garderegiments der Garde-Fuß-Artillerie, die im Volksmund auch ‚Bumsköppe‘ genannt wurden und für den ‚Kanonendonner‘ zuständig waren. Bei den Soldaten im Blauen Rock, nach dem Vorbild des Kaiser Wilhelms, bin ich hier im Garde Grenadier Regiment Nr. 5 auch in historischer Uniform mit dabei“, teilt uns der Zeugmeister mit, der früher die Verantwortung für ‚2000 Mann unter Waffen‘ bei den Berliner Justizbeamten trug. Unter seiner Verantwortung sind auch die historischen Waffen wie Steinschlossgewehre mit Funkenzündung und mit aufsetzbarem Bajonett (Seitengewehr) in den Räumen der Zitadelle in sicherer Verwahrung gehalten.#
„Im August fand ein historisches Biwak auf dem Schlossgelände in Königswusterhausen statt. Zusammen mit den Langen Kerls, mit denen wir nach historischem Vorbild und in diesen Gewändern eine spannende Zeit unter freiem Himmel verbracht haben“, erzählt uns der Zeugmeister. „Da sind dann die Zelte genau wie damals aufgebaut und die Frauen kochen nach dem Vorbild der früheren Marketenderinnen in großen Metallkesseln über einer offenen Feuerstelle“, teilt uns Lutz Gebhard mit. „Dabei wurden auch militärärztliche Behandlungen von 1750 – wie zum Beispiel Aderlass, Amputationen oder Zähnreißen – durch einen Feldscher anschaulich dargestellt. Der Feldscher war damals eigentlich für die Rasur der Offiziere zuständig und erweiterte dann nach und nach sein berufliches Umfeld.“
„Auch zu offiziellen Anlässen, bei der Uniformdarstellung in Spandau auf dem historischen Marktplatz und in der Umgebung oder auf dem Fort Hahneberg kann man unsere stattlichen Soldaten bewundern“, erklärt uns Major Bosbach. „Nicht zu verwechseln sind wir jedoch mit den Langen Kerls, dem altpreußischem Infanterieregiment Nr. 6, das 1675 als Regiment ‚Kurprinz‘ bekannt war“, weist er noch mal eindrücklich hin.
„Aber auch beim Gardeball des Wirtschaftshofes in Spandau, beim Ball der Reisemessen Depart Spandau oder zu den verschiedenen Neujahrsempfängen wie etwa bei der Bundeswehr oder beim Bürgermeister sind die historisch Uniformierten immer wieder gern geladen. Auch zum Geburtstag des Alten Fritz, am 24. Januar jeden Jahres sind wir bei der Ehrenwache am Grab und zur Kranzniederlegung in Schloss Sanssouci dabei. Genau so wie am Todestag, dem 17. August, an dem wir in unseren historischen Uniformierten die Ehrenwache halten und den Kranz aufs Grab legen.“
2011 steht für die Uniformierten wieder das traditionelle Tabakkollegium an, das schon damals vom Vater des Alten Fritz, vom Soldatenkönig Friedrich Wilhelm dem I, in Königswusterhausen ins Leben gerufen wurde. Der wollte damals wissen, was im Land so gedacht und gesprochen wurde und daher durften seine einberufenen Minister im Tabakkollegium bei alkoholischen Getränken frank und frei ihre Meinung kundtun, ohne Repressalien fürchten zu müssen.
Auch heutzutage wird dazu wieder eine handverlesene Anzahl gutsituiertet Honoratioren der Stadt geladen, denn es wird um eine großzügige Spende für einen guten Zweck gebeten.
Dabei dürfen die Teilnehmer gern die originalen Tabakspfeifen mit dem langen Stil aus Ton benutzen und diese mit dem Tabak aus der Berliner Königlich-preußischen Tabakmanufaktur stopfen. Der Tabak wird dort nach einem alten Geheimrezept von 1724 fermentiert und war auch schon dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm dem I und seinen Ministern sehr bekömmlich. (H.R.)
Kontakt: Spandauer Stadtgarde, Heinz Bosbach, Pichelsdorfer Str. 125, 13595 Berlin, Tel.: 030 – 3317170, www.stadtgarde-spandau.de
Fotos mfG: Spandauer Stadtgarde
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