Scheibes Glosse: Smartphones auf Konzerten
Früher leuchteten auf den großen Musikkonzerten die Feuerzeuge und Knicklichter. Heute sind es die Smartphones, die im Publikum die blinkenden Lichter stellen. Und eine Stunde nach dem Konzert stehen die besten Mitschnitte bereits auf Facebook und YouTube. Ende April war Julia Stone zu Besuch im Roten Salon der Berliner Volksbühne.
Der kleine Saal lässt Raum für etwa tausend Besucher – ein sehr intimes Konzert. Ich war recht früh da, weil ich sofort einen Parkplatz gefunden hatte. So konnte ich sehen, wie sich der Raum langsam füllt.
Früher hat man an der Bar gestanden, ein Bier getrunken, oder sich mit den Freunden unterhalten. Das war einmal. Bevor es auf der Bühne losging, saßen gefühlte 50 Prozent der Konzertbesucher auf dem Parkett und tippten etwas in ihr Smartphones. Die iPhones stellten die breite Masse, aber es waren auch viele Androids zu sehen. Die Zuschauer nutzten die Zeit, um SMS-Botschaften und Facebook-Einträge zu schreiben. Nur einer daddelte an einem Spiel.
Beim Konzert selbst wurde wenig getanzt und mitgewippt. Schließlich muss so ein Konzert für die Nachwelt festgehalten werden. Links neben mir filmte eine junge Frau das ganze Konzert auf ihrem iPhone mit. Damit das Bild nicht verwackelte, stand sie knappe zwei Stunden ohne jede Regung mitten im Saal und zischte immer ungnädig, sobald eine Unterhaltung neben ihr aufflammte oder das Klatschen nach einem Song zu laut wurde.
Rechts neben mir kam ganz klar ein Android-Smartphone zum Einsatz, das erkannte ich bereits an der Oberfläche. Hier war ein Zuhörer emsig damit beschäftigt, jedes einzelne Lied live mitzuschneiden – als Audiodatei. Jeder einzelne Song wurde dabei noch im Konzert akribisch genau geschnitten und in einer eigenen Datei abgelegt.
Wo sind sie geblieben, die in den Himmel gereckten Feuerzeuge, die leuchtenden Knicklichter? Nicht einmal die früher so häufig eingesetzten Digitalkameras sind auf den Konzerten noch anzutreffen. Die modernen Smartphones bieten inzwischen so gute Kameramodule, dass sie künstlerfreundlich sogar ohne Blitz fotografieren können.
Auch nach dem Ende des Konzerts ging nichts ohne Handy. Bereits im Gehen nestelten die Julia-Stone-Anhänger bereits wieder an ihren Smartphones. Sie posteten erste Eindrücke vom Konzert bei Facebook & Co – und nutzten die gute 3G-Verbindung, um erste Videos bei YouTube & Co einzustellen. So können auch die Fans am Konzert teilhaben, die gar nicht da waren.
Ich muss gestehen: Ich selbst habe keine Fotos und keine Videos gemacht und auch keine Songs aufgenommen. Der Grund? Mein Akku war alle. Das ist auch der Grund dafür, warum ich ohne Navigations-App eine Stunde länger brauchte, um aus der Berliner City wieder zurück nach Hause zu finden. Aber das ist eine andere Geschichte. (Carsten Scheibe)
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