Scheibes Glosse: Abnehmen liegt im Trend – Schlank und rank
Wer ein paar Kilo mehr auf den Rippen hat, hat ein echtes Problem. Die Menschen können schielen, eine Glatze haben, unfreundlich sein, ungewaschen stinken oder kleine Kinder ärgern: Niemand sagt etwas, alle behandeln das diplomatisch und emphatisch. Aber sobald jemand „dick“ ist, fallen sofort alle Hemmungen und Grenzen. Dann klopfen einem wildfremde Leute auf den Bauch: „Na, zugenommen?“
Oder sie sagen: „Dir schmeckt‘s wohl, sieht man ja!“ Oder sie sagen unverblümt: „Mach mal Platz für den Dicken.“
Besonders befremdlich ist, dass die Leute das auch besonders gern mit Kindern und Jugendlichen machen: „Na, der Kleine könnte ja auch mal ein wenig Bewegung gebrauchen.“ Das ist verbales Einprügeln ohne Grund.
Wenn man aber schon die Leute nicht ändern kann, dann doch immerhin den eigenen Körper. Daraus folgt der Wunsch zum Abnehmen. Im Oktober habe ich angefangen, mehr auf die eigene Ernährung zu achten. Cola, Kekse, Süßigkeiten – weg damit. Mit der Steinzeitdiät purzeln die Pfunde.
Und plötzlich gerät man in eine völlig neue Welt – in die der Diäten. Auf Familientreffen und auf Parties stellt man sich nun nicht mehr zur Gruppe derjenigen, die die eigenen Krankheitssymptome nach dem Quartett-Prinzip austauscht: Meine polare Schuppenflechte ist aber vieeeeel schlimmer als deine Fruktose-Intoleranz. Nein, es gibt jetzt plötzlich noch eine weitere Gesprächsrunde. Das sind die Bekannten, die gerade einer Diät frönen. Und das sind nach den Winterspeck-Monaten – fast alle.
Ich setze übrigens auf „Schlank im Schlaf“. Da lasse ich einfach alle Kohlenhydrate weg und verzichte auf Brot, Reis, Kartoffeln und Nudeln. Und auf Zucker. Dafür kann ich ansonsten alles, was übrig bleibt, fressen wie ein ausgehungerter Bergtroll. Nachts bekommt der Körper so keinen Zucker, es wird kein Insulin ausgeschüttet und die Fettverbrennung springt an. Einmal schlafen – halbes Kilo weg – super.
Andere experimentieren mit Weight Watcher und Punkten, rühren sich komische Tranks mit Nahrungsergänzungsmitteln an oder machen „Freß die Hälfte“. Es ist erstaunlich, wie viele Wege es aus der Fettfalle gibt – und wie lange man darüber sprechen kann.
Frustrierend ist: Oft bekommt die Umwelt gar nicht mit, wie dünn man inzwischen geworden ist. Stell dir vor, 15 Kilo sind weg und keiner merkt‘s? Zwei Mal hatte ich aber schon den Fall, dass mir entfernte Bekannte wieder einmal taktlos auf den Bauch klatschen wollten, dann aber die Hand ratlos im Raum schweben ließen, weil nix mehr da war zum Draufhauen. Ka-tsching, und versenkt! Dafür lohnt es sich, die geliebte Vor-dem-Schlafengehen-Cola gegen nackten Tee ohne Milch und Zucker eingetauscht zu haben.
Ein Problem – die eigenen Klamotten. Die Hose schlottert, der Gürtel braucht neue Löcher, die T-Shirts sehen auf einmal aus wie Größe Z wie Zelt. Aber jetzt neue Garderobe kaufen? Was ist, wenn der Jojo-Effekt einsetzt und die Plauze zurückkommt?
Bis es soweit ist, bin ich erst einmal froh, aus der verbalen Schusslinie der Dünnen entkommen zu sein. (Carsten Scheibe)
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