Scheibes Glosse: Früher war alles besser – Kassettenaufdreher
Das ist schon komisch mit den Kids heutzutage. Sie hängen den ganzen Tag am Bildschirm ihrer teuren Smartphones, um dem WhatsApp-Guru Textbotschaften im Sekundentakt zu opfern. Und anstatt aus vielen Dutzend Fernsehprogrammen zu wählen, schauen sie lieber Video-Clips auf YouTube. Musik hören sie nicht mehr von der CD, sondern abonnieren stattdessen Online-Streaming-Dienste wie Spotify.
Das war doch früher einmal anders. Ich erinnere mich noch gut an meine eigene Jugend. 1967 bin ich geboren, also reden wir von den Achtzigern. In meinem „Jugendzimmer“ stand ein Schlafsofa, es gab einen Schreibtisch mit einer mechanischen Schreibmaschine für meine journalistischen Übungen und ein Bücherregal mit vielen echten Büchern zum Anfassen.
Ganz wichtig für mich als Teenager: Die Anlage mit Kassettendeck, Plattenspieler, Verstärker und riesigen Boxen. Ja, es stimmt. Die CD war noch nicht erfunden, ich hatte noch die großen schwarzen Vinylplatten. Und die Magnetband-Kassetten, die sich mit dem Bleistift aufrollen ließen, wenn das Magnetband mal wieder irgendwo im Rekorder hängengeblieben war und wie Seetang unten aus der Kassette heraushing.
Meine Kumpels und ich, wir hörten New Romance und ab und zu auch Neue Deutsche Welle. Also vor allem Depeche Mode, Blancmange, New Order und Spandau Ballett. Im Radio wurde kaum etwas davon gespielt, wir entdeckten Talk Talk, OMD und andere Bands in urigen Plattenläden oder auf England-Sprachreise-Trips.
Natürlich besaßen wir alle einen Sony-Walkman, der Kassetten schluckte. Musik zum Mitnehmen – cool. Leider bekamen die Geräte immer einen Wackelkontakt an der Kopfhörerbuchse. Das nervte. Aber: Vor allem die Jungs hatten viel Spaß damit, den perfekten Kassettenmix zu bespielen – am liebsten mit sekundengenau im Radio mitgeschnittenen Songs, auf deren letzte drei Sekunden der Radiomoderator einmal nicht hinaufgequatscht hatte. Der wurde dann den angehimmelten Mädchen geschenkt. Macht man das heute auch noch so? Mit einer Spotify-Playliste? Klingt nicht sehr romantisch.
In meiner Jugend gab es keine Computer, nur wenige Freunde hatten einen Commodore C64. Manche hatten auch eine der ersten Videokonsolen, um „Pong“, „Defender“ oder andere Spiele direkt auf dem Fernseher zocken zu können. Der Fernseher – ein Trauerspiel. Das Fernsehen hatte nur drei Kanäle, nur in Berlin konnten wir immerhin noch zwei Ostkanäle und den TV-Sender der in Berlin stationierten Amerikaner empfangen. Ich weiß noch, dass mich niemand am Dienstag nachmittag stören durfte. Dann lief „Ein Colt für alle Fälle“. Die Eltern guckten „Dallas“ oder „Der Denver-Clan“.
Nach der Schule trafen wir uns, um an der Krumme Lanke baden zu gehen. Ich schmökerte für mein Leben gern mystische Heftromane wie „Professor Zamorra“, „Mythor“, „Dämonenkiller“ oder „Damona King“. Die zumindest haben die Jahrzehnte als Genre und Literaturgattung überlebt, auch wenn sie inzwischen vorrangig als eBook nachgefragt werden.
In meiner Jugend kam der erste elektronische Taschenrechner auf den Markt und auch die erste Digitaluhr durfte ich noch ehrfürchtig bestaunen. Die Autos hatten noch keine Servolenkung, die Mode von damals war aus heutiger Sicht eine psychedelische Geschmacksverirrung und am Kiosk gab es Bonbons aus dem Grabbeleimer für zwei Pfennige das Stück.
Es gab kein Handy, sondern nur das analoge Einheitstelefon mit runder Wählscheibe. Wer also „unterwegs“ war, konnte nicht telefonisch erreicht werden. Wir verabredeten uns also schon in der Schule für das Wochenende. Am Freitag abend war immer das „Floyd“ angesagt, unsere Disco im Jugendhaus Teltow, für eine Mark Eintritt. Und vorher gab‘s noch ein Eis in der Eis-Henning-Eisdiele. Da jobbten viele von uns, denn das Taschengeld reichte nie – wir hatten immer irgendwelche Wünsche und brauchten ständig Geld fürs Partymachen oder für eine neue Komponente der HiFi-Anlage. (Carsten Scheibe)
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