Ausmotten in der Luft: Quax-Piloten auf der Bienenfarm
Tollkühne Männer in ihren fliegenden Kisten: Wer einmal mit eigenen Augen sehen wollte, wie sich historische Propellermaschinen und Doppeldecker mit dröhnenden Motoren in den havelländischen Himmel schrauben, musste Ende April nur auf das Gelände des Flugplatzes Bienenfarm fahren. Hier trafen sich viele Mitglieder des Quax-Vereins zur Förderung von historischem Fluggerät e.V., um ihre im Winter liebevoll gewarteten und gepflegten Maschinen „auszumotten“ und erstmals im Jahr wieder zum Fliegen zu bringen.
Im gemeinnützigen Quax-Verein, der 2006 gegründet wurde, sind über 450 Mitglieder organisiert – die meisten davon aus Deutschland, viele aber auch aus anderen europäischen Ländern. Der Verein besitzt selbst 12 eigene Oldtimer-Flugzeuge, die aus der Zeit von 1930 bis 1950 stammen. Viele weitere Maschinen gehören direkt den Mitgliedern, die nicht selten erhebliche Summen in die Anschaffung und Wartung ihrer Flugzeuge investiert haben. Bei den kleinen Fliegern, die meist nur Platz für den Piloten und einen einzelnen Fluggast bieten, handelt es sich zumeist um historische Trainingsmaschinen aus der Zeit der Propellerfliegerei.
Das „Ausmotten“ findet traditionell immer nach Ostern statt und dauert eine ganze Woche. Die Piloten stauben ihre Flugzeuge ab und drehen ein paar Runden in der Luft. Der Event auf der Bienenfarm lockte auch viele Kollegen aus anderen Quax-Stützpunkten in Deutschland an, die mit ihren Maschinen anreisten. Denn nur so konnte man sich einmal die Oldtimer der anderen Piloten ansehen, um die Ausstattung zu bewundern und um vielleicht einmal zu einen Trip in die Luft mitgenommen zu werden.
Die Trainingswoche der Quax-Piloten ist aber auch für alle normalen Zuschauer ein tolles Spektakel. Wo sonst lassen sich so gut erhaltene historische Fluggeräte aus allernächster Nähe bestaunen? Im Museum vielleicht. Auf der Bienenfarm konnte man aber sehen, wie sie sich wie schwerfällige Hummeln langsam vom Boden lösten, um dann gemächliche Runden durch die Wolken zu drehen. Und man konnte die Motoren dröhnen hören, den Piloten bei ihren Vorbereitungen zuschauen und auch einmal die eine oder andere Frage an den Fachmann stellen.
Bei bestem Sonnenwetter konnten die Besucher sogar ein paar Kunststücke in der Luft bestaunen – vom Looping über die Schraube bis hin zum fast senkrechten Steigflug (Foto/Text: CS).
Der kleine Flugplatz Bienenfarm in Paulinenaue unweit von Nauen bietet keinen Flugverkehr nach Mallorca oder in die Türkei. Hier heben nur die kleinen Maschinen ab, die Platz für ganz wenige Passagiere bieten – wenn überhaupt. Viele Piloten, die hier ihre Cessna oder eine ähnliche Kleinmaschine geparkt haben, nehmen den Steuerknüppel nur aus einem einzigen Grund in die Hand – um zu fliegen. Egal wohin. Viele flugzeugbegeisterte Bürger schauen gern in der Bienenfarm vorbei, um die Maschinen starten und landen zu sehen. Ein kleines Bistro erlaubt es, es sich bei einem Snack und einem Kaffee gemütlich zu machen und den Kopf dann in den Nacken zu legen.
Ende April bekam die Bienenfarm allerdings ein echtes Parkplatzproblem: Deutlich mehr Menschen als sonst drängten nach Paulinenaue. Das ist kein Wunder, denn das traditionelle Ausmotten der Quax-Piloten ist immer ein echtes Ereignis.
Auf den weiten Graswiesen der Bienenfarm zeigten sich eine ganze Woche lang auf einmal Dutzende historischer Maschinen. Da reihte sich der Doppeldecker an die Propellermaschine. Überall liefen Piloten im typisch olivenfarbenen Overall der Flieger herum. Die Quax-Piloten machen es sich zum Ziel, alte historischen Maschinen am Leben zu erhalten, sie zu pflegen und natürlich auch, sie regelmäßig in die Luft zu bringen.
Solche Flugzeuge sieht man sonst nur noch im Museum. Wie etwa die Piaggio 149-D. Der Viersitzer mit dem Baujahr 1958 wurde in der Bundeswehr für das Screening der angehenden Piloten verwendet. Nun ist die Maschine in Oldenburg Zuhause. Quax-Pilot Wolfgang Klein ist mit ihr den weiten Weg bis ins Havelland hinein geflogen, um beim Ausmotten mit dabei zu sein. Er sagt: „Ich bin das erste Mal hier in der Bienenfarm. Für mich ist es wichtig, mit den Kollegen zu fachsimpeln, neue Maschinen aus der Nähe anschauen zu können und vielleicht auch einmal mit ihnen mitzufliegen. Wir haben die ganze Woche über auch so tolles Wetter gehabt, da macht das Ausmotten natürlich doppelt und dreifach Spaß.“
Das sieht auch Alexander Stendel so. Er arbeitet in einer Werbeagentur in Berlin und setzt sich gern in seiner Freizeit hinter den Steuerknüppel seiner Boing Stearman aus dem Jahre 1943. Der gelbe Doppeldecker mit dem Propellerantrieb ist ein echtes Original, 71 Jahre alt – und sieht aus wie neu. Stendel gehört zu den Quax-Piloten, die ihren Heimatflughafen in der Bienenfarm haben. Stendel: „Ich versuche, möglichst einmal in der Woche zu fliegen. Wenn viel zu tun ist, schaffe ich es aber oft nur alle zwei Wochen. Manchmal nehme ich dann Freunde oder Bekannte zu einer Runde über das Havelland mit.“
Die Vorbereitungen für einen Flug sind nicht ohne. Alexander Stendel drückt einen Choke am Propeller, setzt die Fliegerbrille auf und zeigt einem Passagier, wie er zu seinem Sitz klettern kann. Denn beim empfindlichen Flugzeug müssen jeder Handgriff und jeder Fußtritt sitzen. Ungewohnt für so manchen Passagier: Bei der Boing Stearman bleibt der Kopf der Mitfliegenden im Freien. Ein paar Minuten später hebt der Doppeldecker dann auch schon ab und schraubt sich in den Himmel. Erstaunlich langsam gleitet er durch die Wolken. Trotzdem: Als die Maschine eine halbe Stunde später wieder landet, ist der begeisterte Passagier doch etwas grün im Gesicht.
Die Quax-Abteilung in der Bienenfarm (www.quax-flieger.de/galerie/bienenfarm-edoi) bildet übrigens das Heim für sechs Oldtimer. Zwei Flugzeuge gehören dem Verein, vier weitere den Mitgliedern selbst. Wer das Ausmotten verpasst hat, merkt sich den 5. und 6. Juli vor. Dann kommt es auf der Bienenfarm zum Typentreffen der Boeing Stearman-Doppeldecker, von denen 10-15 Stück erwartet werden. (Text/Fotos: C. Scheibe)
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