Uwes Kolumne: Open Stage Abend
„In der Provinz kannst du was werden, auch wenn du wellenmäßig nicht so hipp bist“, sang in den 80iger Jahren die Band Extra-breit und forderte „Komm nach Hagen, werde Rockstar“. Nun gibt es zwar bei uns den Ortsteil Falkenhagen, aber das ist nur ein Ortsteil von Falkensee und Provinz sind wir schon mal gar nicht. Aber wir haben tolle Musiker. Der Weg zum Rockstar ist nicht einfach, aber ist er es jemals gewesen?
Ich finde schon. Heute werden wir mit gecasteten und geklonten „One Hit Wondern“ zugemüllt, Quantität statt Qualität Von wegen Rock- oder Popstar. Vom Urknall bis zur Super Nova in 3:30 Minuten. Das war´s! Für die, die wirklich etwas können, bleibt nur der harte Weg zum Erfolg. Von Radiostationen gemieden erarbeiten sie sich ihre kleine Fangemeinde. Das ist mir sympathisch. Schon immer sympathisch waren mir lokale Musiker und kleine Bands, die in den Lokalen spielten. Wehmütig erinnere ich mich an meine Eierschalenzeiten mit Bands wie Stage, Godzilla und Country Squieres.
Aber wie gesagt, auch Falkensee bietet musikalisch eine Menge. Im „schrääg rüber“ spielen regelmäßig gute Bands. Desparado Five, Rocks Core, Grayhound, Schirneck oder Curtis Love. Seit einiger Zeit gibt es eine neue regelmäßige Veranstaltung. Am ersten Donnerstag im Monat rockt die „Elsterklause“. Da werden die PA und ein Schlagzeug im hinteren Raum aufgebaut und es heißt Open Stage. Steffen Hampicke kümmert sich um die Technik. Ich war jetzt das zweite Mal mit dabei und muss sagen, dass diese Idee, Musiker zusammen zu bringen, damit sie spielen können, wirklich großartig ist. Wer immer an dieser Idee auch beteiligt sein mag. Von Anfang an dabei sind unter anderem Rota Stern, Axel Sziegat und Andy Kamp.
Im Januar war ein echter Bluesmann mit dabei, der mit Gitarre und Mundharmonika echt für Stimmung sorgte. Gemeinsam mit Rota und Kahn an den Gitarren wurden lange Improvisationen gespielt. Am Schlagzeug der Drummer von Prototyp. Rockig und spacig, mitunter etwas psychedelisch. Hätte man glatt auf eine LP Seite pressen können, so 19:35 lang oder so. Wirklich, man hatte das Gefühl, bei einer Live Session im Studio mit dabei zu sein. Da wurden auch schon mal die Gitarren oder der Drummer untereinander getauscht. Andy Kamp hatte seine Tochter mitgebracht, die mit ihrem Becher und ihrer Stimme großartig war. Dann waren da noch die drei Jungs von Prototyp. Die spielten eigene Stücke und Stücke von den Ärzten und von Jupiter Jones. Hat echt Spaß gemacht.
Im Februar hieß es – neues Spiel und neues Glück. Als ich mit meiner Tochter Maike eintraf, war es schon recht voll. Es sollten im Verlauf des Abends über 30 Leute werden. Rota legt erst mal alleine los und spielte „House of the Rising Sun“. Währenddessen trafen Michael (Foto unten) und Mikk Schunke ein. Letzere eine Facebook-Freundin, die ich eingeladen hatte.
Michael legte los und brachte Blues und Folkrock. Sehr lebendig und authentisch auch sein Gesang. Dass er als Gitarrenlehrer sein Instrument beherrschte, war ja eigentlich klar. Dann stimmte Mikk ihre zwölfsaitige (!) Gitarre, spielte und sang – und wie. Okay, sie ist auch Gesangslehrerin, aber trotzdem. Ihren ersten Song sang sie in Deutsch „Willst du deine Sterne leuchten sehen“? Die Stimme erinnerte etwas an Tamara Danz (Silly). Das Ganze nennt sich Post-Progressiv-Crossover-Rock mit deutschen Texten. Sehr gut auch die Idee, einen Test ohne Musik vorzutragen. Faire Deals, sehr politisch, das hatte etwas von Poetry Slam. Michael und Mikk bildeten ein Duett und performten u.a. „Scarbourogh Fair“ und „Imagine“. Eine tolle Interpretation von Michael mit einem starken Gesangspart. Michael bracht dann zum Abschluss auch noch einmal ein Gedicht und teilte kräftig gegen die Kirche aus. „Kirche Alter Mann“ hieß der Text.
Dann wurde gejammt. Axel Siegat am Schlagzeug wechselte sich mit Moz ab. Am Bass legt Key los, Michael und Rota an der Gitarre, und Mikk sang. Heraus kamen dabei wieder recht lange Stücke. Eins davon erinnerte mich an „Silver Maschine“ von Hawkwind. Ich kriege heute noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke. Kaum zu glauben, dass diese Musiker das erste Mal miteinander gespielt haben. Eine klasse Idee. Da kann sich etwas draus entwickeln. Ich hoffe, beim nächsten Mal sind noch mehr Musiker mit dabei. Vielleicht wird Falkensee nicht ein neues Hagen, das Musikergrößen wie Nena, Extrabreit und Grobschnitt hervorgebracht hat. Aber das muss es auch nicht, denn Falkensee ist auf jeden Falls eine Stadt mit großartiger musikalischer Kreativität.
(Text & Foto unten: Uwe Abel, Foto ganz oben: Maike Abel)
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