Scheibes Kolumne: Immer diese Handwerker!
Handwerker müsste man sein. Die tun immer so, als würden sie vom Auftragsvolumen her kurz vor dem Verhungern stehen. Aber wehe, man braucht einen Termin, weil das Klo verstopft ist, die Lampe im Kinderzimmer nicht mehr leuchtet oder die Fliese im Flur gesprungen ist.
Dann geht oft eine hörbar entgeisterte Sekretärin an den Apparat: „Ja, das ist aber leider wirklich schlecht. Wir sind völlig ausgebucht. Ich schau einmal, hmmm, ich habe da nur noch einen einzigen Termin frei. Wie sieht es denn Dienstag früh zwischen 12 und 15 Uhr bei Ihnen aus?“
„Da bin ich arbeiten.“
„Na, dann vielleicht zwischen Weihnachten und Neujahr?“
„Ich nehm mir frei!“
Natürlich kommt der anvisierte Handwerker erst gegen 16 Uhr – also genau dann, wenn man nach Arbeitsschluss eh nach Hause gekommen wäre. Aber beim Warten konnte man so wenigstens für die Nachbarn die Pakete annehmen, sich vom RTL Nachmittagsprogramm anbrüllen lassen und die vom Mindesthaltbarkeitsdatum her abgelaufenen Gewürzdosen aus dem Küchenschrank aussortieren.
Der Handwerker stellt sich höflich vor, zieht blaue Überzieher über die Schuhe und schaut sich die Misere an. Dabei scheint es einen absoluten Standardspruch zu geben: „Ja, wer hat DAS denn gebaut? So etwas habe ich ja noch NIE gesehen!“
Dieser entsetzte Ausspruch implementiert, dass der vorliegende Schaden sehr langwierig und kostenintensiv zu reparieren ist. Und dass Garantien für etwaige Folgeschäden auf keinen Fall geleistet werden können, weil Nachfolgearbeiten am vorhandenen Pfusch einfach nicht mehr geradebiegen können, was an Schaden bereits vorhanden ist.
Beim ersten Besuch ist der Handwerker stets dein allerbester Freund. Er schaut sich alles an, hat tausend Ideen, schlägt einem freundlich auf die Schulter und sagt: „Das wird schon.“ Auf einmal sieht die Welt wieder ganz rosig aus. Eine ausgelaufene Waschmaschine, ein rauchender Trockner, ein rumpelnder Kühlschrank, ein Loch im Dach, ein tropfender Wasserhahn, ein bockiger Ofen – alles kriegt der Mann im blauen Overall hin. Ganz bestimmt. Nur abfüllen muss man ihn – mit Kaffee. Schon fällt ihm scheinbar aus Versehen die Tasse um: „Gut, dass da nix mehr drin war.“
„Ach, wollen Sie noch eine Tasse?“
„Gern, jetzt, wo sie mich so nett fragen.“
Das Problem: Nie sind die benötigten Ersatzteile mit dabei. Im ledernen Koffer, den die Handwerker mit ins Haus wuchten, sind keine Werkzeuge, Dichtungen, Ventile oder Sicherungen enthalten. Hier steckt das Vesper für die prompt eingeläutete Mittagspause – dicke Würste aus der Heimat, Schmalztöpfe, ganze Brotlaibe und gewaltige Messer. Sicherlich verbraucht so ein Handwerker am Tag mehr Kalorien als ein Marathonläufer.
Auch an Bord der wuchtigen Transporter, die draussen vor der Tür die halbe Straße blockieren, sind die dringend benötigten Teile nicht vorhanden. Also muss nachbestellt werden. In der Firma. Also naht der Abschied. Inzwischen ist einem der Handwerker so ans Herz gewachsen, dass man sich fast mit Umarmung, aber ganz sicher mit Trinkgeld und kernigem Männerhandschlag verabschiedet.
Nur – der neue Freund, er wird nie wiederkommen. Zurzeit warte ich auf einen neuen Lichtschalter, auf Zubehörteile für das Bad, auf den Fenstermann und auf den Fliesenleger. Wo sind die Männer im Blaumann alle? Wahrscheinlich zu Hause. Und warten selbst auf den Handwerker. (Carsten Scheibe)
Hinweis: Der Autor dieser Glosse hat sein ganzes Studium über auf den Baustellen von Berlin gejobbt und kennt auch die Seite der Handwerker und der Bauarbeiter ganz genau. Die Revanche-Kolumne über störrische Kunden – im nächsten Heft.
Seitenabrufe seit 1.12.2021:
Kennen Sie schon unsere Gratis-App?
Apple – https://unserhavelland.de/appapple
Android – https://unserhavelland.de/appandroid
Anzeige