Uwes Kolumne: Die Ventile klappern
Die motorisierten Pferdekutschen von heute, auch kurz Auto genannt, sind wahre Hightech-Ungeheuer. Sie sind bis unters Dach mit Assistenzsystemen vollgestopft. Neulich erst hatte ich die Gelegenheit, die neueste S-Klasse zu fahren. Das Teil nimmt einem fast alles ab.
Lenkt sogar selber und wenn man mal am Steuer einpennt, hält es sogar die Spur und schont Leitplanke und Auto. Sogar bremsen kann die Karre allein. Sie misst den Abstand und die Geschwindigkeit des Vorgängers und hält automatisch die passende Entfernung. Nur mit einer Vollbremsung kommt das System noch nicht so recht klar. Immerhin wird dann die Zeit des Aufpralls berechnet und der Airbag vorzeitig ausgelöst, nachdem der Sitz und die Lenksäule in den Aufprallmodus gefahren worden sind. Das Infotainment sendet dann per SMS eine standardisierte SMS an die zukünftige Witwe.
Oder es gibt Bordcomputer, die zum Beispiel mit der Werkstatt vernetzt sind. Der BMW von meinem Chef hatte so was. Gerade als er mir die Vorzüge des Chiptunings mittels Kickdown demonstrierte; geil, jetzt weiß ich, wie es sich bei einem Raketenstart anfühlt. Ich wurde mit ca. 9 G in den Sitz gedrückt.
Nebenbei registrierte ich seltsame Motorgeräusche. Es war aber nur eine Kreissäge, der Klingelton vom Handy meines Chefs. Nachdem der Klingelton das Armaturenbrett und meine Schädeldecke durchtrennt hatte, nahm mein Chef ab: “Hallo Herr XXX, hier ist Ihre BMW Vertragswerkstatt. Ihr Bordcomputingsystem hat uns gerade ein Problem mit Ihren Bremsen gemeldet. Sie sollten nicht abrupt bremsen und nicht schneller als 130 fahren“!
Ich blickte auf den Tacho. Da stand die Zahl 247 – in Worten zweihundertsiebenundvierzig! Ich suchte verzweifelt nach dem Anker, um ihn aus dem Fenster zu werfen. Und wo sind die Fallschirme? Immerhin, der Big Boss drosselte das Tempo, runzelte die Stirn und sagte: „Jetzt klappern auch noch die Ventile oder was auch immer“. „Nee, da da das s si si sind nur meine Zä Zä Zähne“, stotterte ich.
Mann, hatte ich eine Angst. Immerhin habe ich bis jetzt jede Fahrt überlebt, es sei denn, der Artikel erscheint heute posthum mit eine Anzeige über mein sozial verträgliches Frühableben.
Auch mein Opel hat anscheinend einen intelligenten Bord-Computer. Vorgestern kam die Meldung, dass mein Insignia mal zur Wartung müsste. Das fand ich schon komisch, denn ich war doch erst vor acht Wochen zur Inspektion.
Gestern nun sagte mein Bord-Computer auf dem Nachhauseweg: “Motor zu heiß, bitte in den Leerlauf schalten.“
Die Nadel der Temperaturanzeige tanzte in der Tat wie ein Metronom von rechts nach links. Also war vermutlich der Temperaturfühler im Arsch. Kurze Zeit später löste sich das Problem von selbst. Alles war auf einmal wieder normal. Bis zum nächsten Tag hatte ich das schon wieder vergessen.
Auf dem Weg zu meinen Nachmittagsterminen erschien die Meldung aber wieder in meinem Display. Dieses Mal hielt ich an und schaute in den Motorraum. Nichts zu sehen. Einsteigen, Motor starten, alles wieder gut. Nachdem ich meine Termine erledigt hatte, entschloss ich mich aber doch vorsichtshalber dazu, in die Werkstatt zu fahren. Auf der B5 kam dann wieder die Meldung. Also von wegen “Motor zu heiß, bitte in den Leerlauf schalten.“
Es folgte die Meldung: “Motor hoffnungslos überhitzt, Motor ausschalten“. Die Nadel der Temperaturanzeige hatte inzwischen das Metronom-Stadium verlassen und war zum Ventilator geworden – und versuchte nun auch noch, die Tachonadel zu überrunden.
Ich wollte gerade mit ausgeschaltetem Motor die B5 ohne Servolenkung verlassen und konnte gerade noch eine Fahrt in die Böschung vermeiden, da erschien die nächste Meldung: „Ihr Motor ist jetzt restlos im Arsch. Stellen Sie Ihr Auto ab, rufen Sie den nächsten Schrothändler und bestellen Sie sich ein Taxi.“
Nun steht der Bolide in der Werkstatt. Vorhin rief der Meister an: “Herr Abel, wäre Ihr Auto ein Pferd, wir müssten es erschießen.“ Und das nach nur 85.000 Kilometern.
Übrigens: Ein Audi hat als Logo vier Ringe, jeder steht für eine Laufleistung von 100.000 Kilometer. Meine Überlegung: Opel hat nur einen Ring und der ist auch noch durchgestrichen. (Uwe Abel / Foto: Maike Abel)
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