Uwes Kolumne: Es war der Tag …
Es war der Tag der feierlichen Übergabe der Abiturzeugnisse in der Kantschule. Es traf mich wie der Blitz aus heiterem Himmel, also quasi völlig überraschend und unvorbereitet. Wobei – als Vater von zwei pubertierenden Mädchen sollte mich eigentlich nichts mehr überraschen.
Ich glaube, es gibt nichts Aufregenderes für einen Mann als mit drei weiblichen Wesen in einem Haushalt zu leben. Jedes Survival Training und jede Ausbildung bei den Navy Seals ist dagegen ein Schiet.
Es war der Tag, vor dem sich alle Väter von jungen Mädchen fürchten. Damit meine ich nicht das notwendige Aufklärungsthema. Meine Frau hatte mir seinerzeit zur Geburt unserer ersten Tochter ein Buch geschenkt: „Starke Väter, starke Töchter“.
Offensichtlich habe ich den Leitfaden zu gut umgesetzt. Ich ziehe in letzter Zeit immer öfters den Kürzeren bei meinen Diskussionen mit den Mädels. Manchmal finde ich dann das Zölibat und den Gang ins Kloster gar nicht mehr so abwegig. Immerhin wird ja in dem einen oder andern Kloster auch leckeres Bier gebraut.
Aber zurück zum Gewitter. Der Blitz hatte anscheinend gleich mehrmals eingeschlagen. Unter anderem auch in der Turnhalle; diese musste evakuiert werden. Fast zur gleichen Zeit kehrte ich von einem schweren Arbeitstag ins heimische Wohnzimmer zurück, um auf der Couch, wie heißt es doch neudeutsch – zu chillen. Die Erstgeborene stürzte die Treppe herunter und forderte mich auf, sofort den Laptop anzuwerfen, um mit der Zweitgeborenen zu kommunizieren. Warum über den PC? Na, weil das Handy schon wieder fast alle war. Also musste ich mal wieder über Facebook agieren. Wozu hatte ich den Mädels nochmal das Handy spendiert? Für Anrufe im Notfall. Inzwischen ist das Smartphon aber via WhatsApp usw. im Dauereinsatz, das hält ja kein Akku aus.
Wo war ich doch gleich? Ach ja, ich überflog die Nachricht von Tochter No. 2 und war irritiert. Ihr ginge es nicht gut, ihr sei schlecht, sie möchte nicht mit dem Fahrrad fahren und an der Schule wolle sie das Fahrrad auch nicht stehen lassen. Okay? Ob ich ein Problem damit hätte, wenn sie bei Simon (Name geändert) bliebe? Big Badabouum!!!
Äh, wie, was, wo, wer? Wer ist Simon, ist die Erde eine Scheibe, ist Gott eine Frau und verdammt noch mal: Was ist hier eigentlich los!? Nach der ersten Verwirrung hatte ich mich schnell gesammelt. Meine Antwort: Ein klares Nein! Eine Antwort blieb aus. Dafür war ich noch nie so schnell von der Couch runter und auf dem Weg in die Kantschule. Dort angekommen, machte ich mich auf die Suche nach dem hoffnungsvollen Nachwuchs. Immerhin, das Fahrrad stand noch da. Nach gefühlten 20 Stunden wurden meine Suche und das nervende Befragen von Lehrkräften endlich belohnt.
Da stand sie also vor mir, leicht bleich und mit wehleidigem Blick. Erst mal knuddeln. Dann fiel mir ein Junge auf, der wie ein Sputnik im Orbit meiner Tochter kreiste. Das ist also Simon, bemerkt ich scharfsinnig. Die folgenden Dialoge waren dann doch recht einsilbig. Fahrrad holen, ins Auto einladen. Überall wollte er hilfsbereit zur Hand gehen. Phhh, das kann ich doch alleine, ich bin zwar 50, aber doch noch nicht gebrechlich.
Ich drängte zum Aufbruch. Was nun folgte, stellte die Abschiedsszene von Casablanca locker in den Schatten. And the Oscar für die herzzerreißenste Abschiedsszene goes to? Mir wurde immer mehr bewusst, dass ich wohl meine Spitzenposition als Lieblingshabdichlieb-Bär bald verlieren würde. Das schmerzte doch irgendwie.
Inzwischen geht´s aber wieder. Man kann ja nicht ewig der einzige Mann im Leben seiner Töchter bleiben. Ich komme inzwischen damit klar. Die Therapiestunden habe ich abgesagt und dafür mit beiden zusammen geguckt, wie Deutschland Weltmeister geworden ist. Uwe Abel (Foto oben: Maike Abel)
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