Kleine Theater Falkensee: Sündenbabel
Oh jeh. Die Sünde hat in Falkensee Einzug gehalten. Ein bunter Flyer lässt Schlimmes erwarten. Da wird den Reiter „Reitunterricht bei ROSSwita“ versprochen. Für den handwerklich begabten Herren gibt es „Bohren, Hämmern und Nageln“. Und allen Anfängern wird das „Segeln auf alten Fregatten“ empfohlen.
Keine Frage: Aus dem Kulturhaus Johannes R. Becher ist am Abend plötzlich ein Bordell geworden. Schuld daran ist das Kleine Theater Falkensee (www.kleines-theater-falkensee.de). Die wohl älteste Amateurtheatergruppe Brandenburgs vereinnahmte das Kulturhaus, um hier an sechs Abenden im November das Stück „Maß für Maß“ zu spielen – frei nach William Shakespeare und für 8 Euro Eintrittsgeld.
Zum frivolen Verständnis: Das Stück spielt im alten Wien. Die Herzogin verreist und überlässt dem humorbefreiten Angelo die Macht in der Stadt. Dem Stellvertreter ist der lockere Lebenswandel der Wiener ein Dorn im Auge. Und so steckt er als erstes den armen Claudio ins Gefängnis, weil er eine unverheiratete Frau geschwängert hat. Am nächsten Morgen soll er bereits hingerichtet werden. Claudios Schwester Isabella bittet beim Herzog um Gnade. Doch der hält sich nicht an die eigenen
Moralvorstellungen: Claudio soll freikommen, wenn Isabelle ihm dafür ihre Jungfräulichkeit opfert.
Das Kleine Theater Falkensee lässt es krachen und begrüßt die Zuschauer bereits mit Sekt, Nüssen und Pfläumchen im simulierten Bordell. Die Schauspielerinnen becircen die Gäste dabei in Korsage und sexy Fummel, dabei zeigen sie mutig Bein und Ausschnitt: So viel Freizügigkeit hätte man in Falkensee nicht erwartet.
Das Stück, das um 19:30 Uhr beginnt und erst gegen 22 Uhr endet, spielt mitten im Raum – die Zuschauer sitzen auf beiden Seiten der Bühne: Näher dran kann man nicht am Geschehen sein. Die begrenzten Räumlichkeiten werden vom Team sehr gut genutzt und auch perfekt ausgeleuchtet. Die Umbauarbeiten sind kurz: So bleibt der Zuschauer geistig immer im Stück; das ist perfekt gelöst.
Zum Falkenseer „Maß für Maß“: Die Theatertruppe wechselt auf sehr interessante Weise von perfekt rezitierten Shakespeare-Dialogen zu eigenen Szenen mit wunderbar frivolen Sätzen und einem schön versaut-dreckigem Wortwitz. Das ist beeindruckend, sexy, rotzig, stark und erotisch: Es rennen sogar zwei Nackedeis durch das Theater. Vor allem Angelo überzeugt – komplett angezogen – mit einer unheimlich starken Bühnenpräsenz. Schade: Einzig die beiden jungen Herren des Teams stören das Bild mit einem fast hyperaktiven Overacting.
Fazit: Eine starke, mutige Leistung des Kleinen Theaters. Wir sind gespannt auf das nächste Stück. (Text: CS / Foto: PR, CS)
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