Uwes Kolumne: Nicht ohne meine T-Shirts
Es hätte ein so schöner Sonntag werden können. Die Betonung liegt auf – hätte. Aber der Teufel ist ja bekanntlich ein Eichhörnchen. Nur diesmal war es kein Teufel und auch kein Eichhörnchen, sondern die Familienministerin des Hauses – und das ist schon schlimm genug.
Ich stand vor dem Kleiderschrank und wählte den Schlabberlook für den Sonntag aus, als sich meine – äh – Chefin des Hauses auf leisen Sohlen näherte und sich hinter mich stellte. Vermutlich hätte ich sogar ihren Atem in meinem Nacken gespürt, wenn der Größenunterschied von 36 Zentimetern nicht wäre.
Die Stimme, die Worte, das blanke Grauen: “Du könntest mal wieder deinen Schrank aufräumen und“ – uaahh, jetzt kommt‘s – „dich von ein paar T-Shirts trennen.“
Die letzen Worte wurden mit zusammen gepressten Zähnen und mit schiefgelegtem Kopf gesprochen; gruselig. Eigentlich fehlt nur noch schaurige Musik und eine dramatische Beleuchtung, um die Szene eines Horrorfilms nachzustellen. Ihr wisst schon, die Stelle, wo dem Opfer bewusst wird, dass es innerhalb weniger Sekunden von der Spitze der Nahrungskette auf den letzten Platz gerutscht ist. Mir wurde übel. Ich wollte flüchten.
Keine Chance! Meine Frau wurde zum Ninja, mit einem flic flac war sie am Schrank, mit geschickten, schnellen Handbewegungen schleuderte sie die Shirts aus dem Schrank und sämtliche T-Shirts stapelten sich innerhalb weniger Sekunden auf dem Bett.
Okay – und nun? Also das Problem sind ja nicht die einfach einfarbigen Shirts, also die weißen und die schwarzen, die haben ja keine Identität. Aber ich habe ganz viele Shirts, die sind bedruckt. Entweder mit lustigen Sprüchen oder mit Bandlogos. Sie sind Teil meines Lebens. Nun gut: Da ist der eine oder andere Fleck zu sehen. Oder das eine oder andere kleine Löchlein. Aber deswegen gleich ein nur knapp 30 Jahre altes T-Shirt entsorgen? Das kommt gar nicht in Frage.
Leider gibt es inzwischen neben den Flecken und den Löchern noch ein anders Problem. In unserem Schrank haben sich Tierchen eingenistet. Jetzt wird’s ekelig. Diese Viecher sind unter dem Namen „calor maximus“, auf Deutsch Ka Lo Rien bekannt. Die fressen einfach die Zwischenräume zwischen den Stofffasern auf. Folge: Meine Shirts verlieren ihre Elastizität. So manches Shirt, das mir noch gestern locker bis zur Mitte des Oberschenkels reichte, bedeckt nun gerade noch mit Mühe meinen Bauchnabel oder taugt nur noch als Damenbustier. Ich arbeite an einem Gegenmittel.
Zurück zu meinem Dilemma, ein Plan musste her. Ich schaute wehmütig auf mein „Kill your Idols“ Shirt mit dem Birnenkonterfei des Herrn Kohl, sein Haupt umrankt von einer Dornenkrone, daneben Frank Zappa auf dem Klo und Jim Morrissons Steckbrief. Alle von den bösen Ka Lo Rien angefressen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich die Sachen mit dem Blatt der Pflanze Cannabis nicht mehr trage, das sieht in meinem Alter irgendwie albern aus.
Das Endergebnis nach der Sichtung: Etwa 8 Shirts mit Aufdruck und gut 10 einfache lagen zur Vernichtung bereit. Also ab damit in eine Tüte und ab zum Kleidercontainer.
Jetzt brauchte ich nur noch eine gute Ausrede, um alleine und ohne Aufpasser aus dem Haus zu kommen. Hm, am Sonntag, welchen Grund könnte man(n) da haben, vom heimischen Herd zu flüchten? „Ich geh mal leckeren Kuchen zum Kaffee holen“.
Allgemeine Zustimmung. Der Sonntagsfrieden war gerettet. Allerdings schaute meine Frau misstrauisch. Wenn ich freiwillig Kuchen hole, ist ja meistens etwas faul. Also, den Kuchen habe ich geholt.
Die T-Shirts, die ich behalten wollte, sind natürlich nicht im Container gelandet, sondern liegen gut versteckt in meinem Musikkeller, bis ich den Kampf gegen die Ka Lo Rien gewonnen habe.
(Uwe Abel, Foto Maike Abel).
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