Historie: Scheinanlagen in Falkensee
Den Scheinwerferberg in Falkensee kennt im Ort jedes Kind – vor allem, weil man von ihm im Winter so vortrefflich aus der Höhe ins Tal hinunterrodeln kann. Die Älteren wissen sogar noch, woher der Name stammt. Scheinwerfer waren hier im Zweiten Weltkrieg mitten im Wald aufgestellt. Und eine Flak-Stellung soll es gegeben haben.
Das Vorhandensein der Scheinwerfer wird dabei nicht hinterfragt. Sicherlich hat man sie benötigt, um die herannahenden Flieger der Amerikaner und vor allem der Engländer aus der Dunkelheit zu schälen, die im Verband auf Berlin zuhielten, um die Reichshauptstadt zu bombardieren.
„Alles falsch“, sagt der Berliner Heimatgeschichtler Peter Reinhardt (61, im Foto rechts, www.bomber-command.de), der sich seit Jahren mit einem ganz besonderen Thema des Zweiten Weltkriegs auseinandersetzt – den so genannten Scheinanlagen. Er sagt: „In der Einflugschneise der feindlichen Bomber auf dem Weg nach Berlin haben die Nazis umfangreiche und flächendeckende Scheinanlagen errichtet. Sie sollten den Angreifern bereits 30 Kilometer vor Berlin vorgaukeln, dass die Flieger bereits am Ziel angekommen sind. Auf diese Weise wollte man die Bomber dazu verleiten, ihre Explosivlast bereits vor dem eigentlichen Ziel abzuwerfen. Die Flieger hatten etwa 18 Bomben an Bord. Waren sie abgeworfen, mussten die Flieger umkehren.“
Die größte Scheinanlage, V-500 genannt, entstand im Krämer Wald bei Wansdorf, Velten, Pausin und Vehlefanz: „Hier hat man Schneisen in den Wald gehauen und beleuchtet, die exakt dem Straßenbild rings um die Friedrichstraße entsprachen. Bei einem Fliegerangriff wurden in Berlin alle Lichter gelöscht, sodass die Stadt im Sichtanflug nicht mehr zu sehen war. Die Laternenbeleuchtung mitten im Wald wirkte auf die Fliegerpiloten, als hätten die Deutschen vergessen, die Lichter in einem Straßenzug abzuschalten.“
Dass die Angreifer auf diese Scheinanlagen hereingefallen sind, wundert den Historiker nicht: „Die Deutschen haben damals unzählige Flugzeuge vom Himmel geholt – über hundert Wracks aus der damaligen Zeit habe ich bereits selbst im Wald aufgespürt. Um Berlin herum gab es 350 Flakstellungen. Ein Flieger, der es mehrmals nach Berlin und heil wieder zurück nach London schaffte, war bereits eine Seltenheit. Viele Piloten waren am Ende so jung, dass sie noch nicht einmal einen eigenen Autoführerschein besaßen. Sie waren unerfahren, jung und verängstigt. So wird klar, dass die Scheinanlagen recht erfolgreich waren – jedenfalls am Anfang, als die Engländer sie noch nicht enttarnt hatten. Viele Bauern vor Berlin haben sich damals gewundert, dass in ihren Wäldern Bomben fallen. Sie haben ja von den Scheinanlagen selbst nichts gewusst.“
Die Scheinanlagen bauten viele Landmarken aus Berlin nach, darunter auch ganze Güterbahnhöfe und sogar den Flughafen Tempelhof. Peter Reinhardt: „Man kann davon ausgehen, dass die Lichter auf dem Falkenseer Scheinwerferberg nicht dafür da waren, um den Flakschützen eine bessere Sicht zu verschaffen. Sondern sie sollten die Beleuchtung des Flughafens Tempelhof simulieren. Die Flaks dienten nur dazu, die Tarnung noch zu perfektionieren.“
Viele Informationen hat der Historiker vom Falkenseer Flakhelfer Hans Werner Mihahn erhalten, dessen Nachlass im Falkenseer Museum archiviert wird. Peter Reinhardt: „Hans Werner Mihahn war damals im Alten Finkenkrug stationiert, hat in den Scheinanlagen gedient und mir oft gesagt: ‚Damals haben wir in Schein-Berlin gelebt.‘“
Am 13. März (Freitag) hält der Historiker einen Vortrag in der Stadtbibliothek. Der Titel: „Die Rolle Falkensees bei der Verteidigung der Reichshauptstadt Berlin gegen alliierte Luftangriffe im 2. Weltkrieg“. Horst Mohr (Foto links) organisiert den Event für die Stadtbibliothek. Er sagt: „Zeitzeugen von damals sind gebeten, an diesem Abend Erinnerungen, Fotos oder andere Erinnerungsstücke mitzubringen. Der Vortrag beginnt um 19 Uhr, der Eintritt ist frei.“ (Text/Fotos: CS)
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