Falkensee / Das SeeCarré kommt: Werben um die Werbegemeinschaft
Das SeeCarré kommt – aber nicht sofort. Es soll in genau zwei Jahren seine Pforten öffnen. Schon jetzt erfüllen die Verantwortlichen aber eine Auflage der Stadt. Und werben bei den Gewerbetreibenden von Falkensee um die gemeinsame Bildung einer kreativen Werbegemeinschaft.
Das SeeCarré wird das große Einkaufszentrum direkt neben dem bereits vorhandenen real,- Markt werden – schräg gegenüber vom neuen Gesundheitsamt. Das Konzept geistert schon seit Monaten durch die Medien. Zuletzt wurde die Bevölkerung in Falkensee darüber informiert, dass die Baugenehmigung noch immer nicht vorliegt und dass aus diesem Grund der Beginn der Baumaßnahmen vom Herbst 2015 auf das Frühjahr 2016 verlegt werden muss. Dies würde auch die Errichtung der neuen Kreisverkehre im Zentrum nach hinten verschieben.
Umso überraschender kam nun eine Einladung der Stadt Falkensee zur “Auftaktversammlung Weiterentwicklung Zentrum Falkensee”. Denn: Die Entwickler des SeeCarré, die S&G Development GmbH, sind im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags dazu verpflichtet, möglichst eine Werbegemeinschaft “Zentrum Falkensee” zu gründen, um gemeinsam mit den Gewerbetreibenden, Selbstständigen, Freiberuflern, Ärzten und Medienvertretern die Zentrumsentwicklung zu beeinflussen. Sicherlich wurde dieser Passus mit in das Vertragswerk aufgenommen, um den Gewerbetreibenden im Ort etwas den Rücken zu stärken – angesichts der wirtschaftlichen Dominanz, die ein so großes Einkaufszentrum in der Region ausüben kann.
Über 50 Gewerbetreibende folgten dem Aufruf am 10. September und fanden sich in der Mensa der Kantschule Falkensee ein. Hier übernahmen die Verantwortlichen des SeeCarrés und führten durch den Abend.
Dr. Ingo Seidemann von der S&G Development GmbH begrüßte die Anwesenden, um sofort mit dem Flurfunk aufzuräumen: “Es gibt Gerüchte, dass das SeeCarré nur ein Spaß bleibt und nie gebaut wird. Dem ist nicht so. Es ist unsere Absicht, das Center zu bauen, sobald alle Vorraussetzungen erfüllt sind.”
Schließlich habe man bereits viele Jahre auf die Vorbereitung verwendet und dabei auch keine Kosten gescheut – etwa für den Kauf des Grundstücks auf dem ehemaligen Trafogelände und für teure Planungen.
Dr. Ingo Seidemann gab an, dass die Baugenehmigung noch immer nicht vorliegt, was ein Ärgernis sei. Eine Brandschutzgeschichte sei schuld daran: “Das sollte aber in wenigen Tagen aus der Welt sein.” Dr. Seidemann bestätigte noch einmal den verzögerten Baubeginn im Frühjahr 2016 und machte damit klar, dass ein frisch in Falkensee aufgehängtes Werbebanner mit dem Spruch “Eröffnung Frühjahr 2017” damit nur noch reine Makulatur sei.
Er sieht sich und die S&G Development GmbH außerdem in der Pflicht dazu, initiativ dazu beizutragen, die Auswirkung des neues Einkaufzentrums auf das Falkenseer Zentrum so sehr zu mindern, wie dies nur möglich sei. Seiner Meinung nach sei es wichtig, dazu beizutragen, dass SeeCarré, die Bahnhofstraße und die weiteren Straßen in der Umgebung zu einer funktionierenden Einheit zusammenwachsen. Dafür brauche man aber das Mitwirken der in Falkensee tätigen Unternehmen. Eine Einladung zu eben dieser Zusammenarbeit sollte die heutige Veranstaltung sein.
Heiko Vahjen von der Vahjen Architekten GmbH ist mit der Planung des SeeCarrés befasst. Seine Firma hat u.a. die Residenz des US-Botschafters und die Hauptstadtdependanz der Telekom mit geplant. Als Generalunternehmer für das Projekt sagt Heiko Vahjen ganz klar, dass die Erteilung der Baugenehmigung nur noch eine kleine Formalie sei und eben diese Erteilung noch für den Freitag zu erwarten sei.
Heiko Vahjen zeigte erste Pläne des SeeCarrés, das dreigeschossig angelegt wird. Im Erdgeschoss führen drei Eingänge in das Einkaufszentrum hinein. Hier sind die Ankermieter zu finden, aber auch viele kleine Geschäfte. Im Obergeschoss und im 2. Stock soll es Platz für 600 Auto-Parkplätze geben. Der real.- Parkplatz mit seinen bestehenden Parkplätzen steht natürlich ebenfalls weiter zur Verfügung.
Interessant: Gerade für die jugendlichen Besucher soll es kostenloses WLAN geben.
Dr. Manfred Bauer ist seit 25 Jahren Einzelhandelsexperte und seit 1992 besonders viel im Osten unterwegs. Als unabhängiger Gutachter ist er für die CIMA Beratung + Management GmbH tätig. Er hat an diesem Abend einige sehr bemerkenswerte Aussagen getroffen.
Er sagte, das SeeCarré wird im Bau etwa 75 Millionen Euro kosten. Das sei aber normal, “das müsse man heute für ein Einkaufszentrum hinlegen”. Das SeeCarré habe 19.000 Quadratmeter Verkaufsfläche. Auch das sei so groß nicht, der HavelPark hätte 25.000 Quadratmeter und der bundesdeutsche Schnitt würde bei 31.000 Quadratmetern liegen. Man habe das Einkaufszentrum eben von der Fläche her runterskaliert auf eine Mittelstadt mit 41.000 Einwohnern. Halt auf Falkensee.
Und er holt aus. Falkensee habe als Stadt viel zu wenig Verkaufsfläche, nämlich laut einer Erhebung von 2012 nur 82 % vom Mittelwert in ganz Brandenburg. Das führt dazu, dass 47 % der lokalen Kaufkraft in auswärtige Einkaufsorte abfließt – und mangels Möglichkeiten nicht vor Ort ausgegeben wird. Falkensee würde also nicht die Funktion eines Selbstversorgerortes erfüllen. In Falkensee würde es vor allem an Läden aus den Branchen Bekleidung, Schuhe und Elektro mangeln. Hier würde man sich bei etwa einem kargen Drittel des üblichen Ausstattungsniveaus befinden.
Dr. Manfred Bauer hat zusammen mit der CIMA eine aktuelle Analyse der Einzelhandelssituation durchgeführt – auf dem Stand vom August 2015. Demnach gab es 2003 176 Einzelhandelsbetriebe in Falkensee – zurzeit sind es aber nur noch 150. Der Gutachter kann es selbst kaum fassen. Er sei lange nicht mehr in einer Stadt gewesen, die so schnell und so konstant wächst wie Falkensee. Und wo das Angebot an Geschäften nicht mit der Bewohnerzahl steigt, sondern sogar noch signifikant sinkt: Dieser Ort schreie ja regelrecht nach einem Einkaufszentrum. Allein die Kaufkraft vor Ort würde ja in den kommenden zehn Jahren von 729 Millionen Euro (2014) auf 854 Millionen Euro (2025) steigen.
Der Gutachter machte allerdings auch deutlich: “Ein Einkaufszentrum ist nicht zum Nulltarif zu bekommen. So ein Bau hat Auswirkungen.” Nämlich auf die Gewerbetreibenden in der Umgebung. Der Gutachter macht klar: Die Gewerbe, die es in der Nachbarschaft gibt, werden sich dem SeeCarré anpassen müssen. Dabei geht es darum, nicht in Konkurrenz zum SeeCarré zu treten, und lieber Angebote zu schaffen, die im Einkaufszentrum noch fehlen. Es gehe auch darum, Geld zu investieren, um attraktiver zu wirken auf neue Kunden. Und man habe ja noch 24 Monate Zeit, bis das SeeCarré eröffnet. Zeit, die man nutzen solle.
Ganz klar wurde gesagt: Wer als Händler eh schon kurz vor dem Aufgeben steht und kein Geld zum Investieren hat, wird die durch das SeeCarré hervorgerufenen Veränderungen nicht überstehen und aufgeben müssen. In die frei werdenden Geschäfte könnten nach und nach Filialisten drängen, die froh sind, in der Nähe zum SeeCarré noch Verkaufsflächen zu finden.
Dr. Manfred Bauer zeigte eine Schautafel, auf der als “wahrscheinliche” Kundenmagneten für das SeeCarré ein Biomarkt, ein Drogerie- und Parfümeriemarkt, 2-3 Textilfachmärkte, 2-3 Schuhfachmärkte und ein Elektronikfachmarkt ausgewiesen werden. Der Gesamtumsatz im SeeCarré solle ca. 53 Millionen Euro betragen.
Vorteil des SeeCarrés für Falkensee wäre ein Ausgleich der Angebotsdefizite des Einzelhandels, die Schaffung eines multifunktionalen Einzelhandelsangebotes im Zentrum und die Steigerung der Kaufkraftbindung in Falkensee. Negativ sei, dass das SeeCarré bei den bestehenden Betrieben etwa 10 % Umsatz abziehen werde, was einer jährlichen Summe von 15 Millionen Euro entspricht. Allerdings würde auch Kaufkraft aus dem Umland nach Falkensee gelenkt werden – und wenn davon auch die Geschäfte außerhalb des SeeCarrés profitieren könnten, dann wäre das ein Ausgleich.
Alexander Folz vom geschäftsführenden Gesellschafter Arcadia Invest ist für die Vermietung der einzelnen Ladenparzellen im SeeCarré verantwortlich. Er hat knapp 400 Interviews mit lokalen Händlern geführt, um sich bereits im Vorfeld mit ihnen abzustimmen.
Er sagt aber auch ganz klar: “Viele Filialbetriebe, die bislang noch nicht in der Region vertreten sind, wollen sich im SeeCarré ansiedeln”. Dazu zählen auch viele Filialisten, die bislang noch nicht im Havelpark oder im B5 Outlet Center zu finden sind.
Es seien auch einige wenige Falkenseer Betriebe mit dabei, die in das SeeCarré einziehen “könnten”, aber wenn, dann würde das nur kleine Flächen betreffen.
Im SeeCarré wird es drei Zugangsportale für Kunden geben – zu Fuß vom Gesundheitszentrum kommend, aus dem hauseigenen Parkplatz heraus und vom real.- Parkplatz aus kommend.
Alexander Folz sagt, dass es nur einen kleinen Gastrobereich im SeeCarré geben wird, um die Kunden so auch dazu zu animieren, außerhalb des Einkaufszentrums nach kulinarischen Angeboten zu suchen. Und er wiederholt: Ankermieter werden vor allem aus dem Textilbereich kommen, weil dies Falkensee noch am ehesten fehlt. Konkrete Namen würde man aber erst nennen, wenn die Baugenehmigung explizit vorliegt.
Michael Rücker von der W&R IMMOCOM warb am Ende bei den anwesenden Gewerke um die gemeinsame Gründung einer Werbegemeinschaft – wie es der städtebauliche Vertrag ja vorschreibt. Ziel der Werbegemeinschaft aus dem SeeCarré und den lokalen Geschäften Falkensees solle es sein, gemeinsam an einem Zentrumkonzept zu arbeiten, Interessen zu bündeln, Ideen zu entwickeln, eine Marke zu bilden und ein funktionierendes City-Marketing aufzubauen.
Das Geld zum Aufbau der neuen Werbegemeinschaft kommt zunächst aus den Töpfen der SeeCarré Verantwortlichen, die auch eine eigene Stelle dafür schaffen möchten.
Klar ist: Das SeeCarré kommt. Und wenn es kommt, wird es massiven Einfluss auf die umliegenden Geschäfte haben. Es wurde klar gesagt: Wer sich nicht dem SeeCarré anpasst, geht unter. Es wurde auch gesagt: Wer kein Geld in die Hand nimmt und nicht investiert, geht unter. Es wurde aber auch angeboten: Lasst uns gemeinsam das Zentrum beleben. Dass dieses Angebot aber auch vom städtebaulichen Vertrag diktiert und erzwungen wird, darf nicht vergessen werden. Das Machtverhältnis zwischen dem SeeCarré und den lokalen Geschäften ist alles andere als ausgeglichen. Aber diese Kröte werden die lokalen Unternehmen wohl schlucken müssen. Um mit dem Rücken an der Wand zu überlegen, ob die erzwungene Zweckgemeinschaft nicht vielleicht doch auch Vorteile für ihr Geschäft zeitigen kann.
Dies wird sich dann beim nächsten Treffen zeigen, das für Oktober angesetzt ist. (Carsten Scheibe)
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