Schönwalde: 56 Jahre Mauerbau
Am 13. August 1961 wurde die Berliner Mauer gebaut. Dieser Tag sollte nicht vergessen werden – und so lud Bodo Oehme, Bürgermeister der Gemeinde Schönwalde-Glien, genau 56 Jahre später zu einer besonderen Gedenkveranstaltung ein: „An alle Opfer der Mauer, die eingesperrt wurden, Repressalien erlitten oder starben, wollen wir an diesem schwarzen Tag in der Geschichte Deutschlands erinnern und ihn gleichzeitig der Nachwelt in Erinnerung rufen.“
Die Gedenkveranstaltung fand am Denkmal an der „Steinernen Brücke“ statt. Das steht genau an der Grenze von Schönwalde zu Spandau. Dieses Mauerdenkmal, 2007 errichtet, besteht aus zwei originalen Mauersteinen, die umzukippen scheinen – und so die Grenzöffnung symbolisieren. Eindeutiger für Passanten, die an dieser Stelle die ehemalige Grenze überfahren, ist eine orangene Stele. Sie erinnert an Dietmar Schwietzer, der an eben dieser Stelle versucht hat, in den Westen zu fliehen – und dafür mit seinem Leben bezahlte. Auf Ulrich Steinbauer, so ist es festgehalten, wurde unfassbare 91 Mal geschossen. Bodo Oehme, der in der damaligen DDR aufgewachsen ist: „Für mich ist die Steinerne Brücke in Schönwalde-Siedlung der Inbegriff der Teilung Deutschlands. Keiner hätte hier vor 28 Jahren lebend dieses Fleckchen Erde erreicht, auf dem wir gerade stehen.“
Sehr viele Menschen waren am 13. August 2017 zum Mauerdenkmal gekommen, um Kränze niederzulegen und um in einer Schweigeminute ihre Anteilnahme auszudrücken.
Staatssekretärin Ines Jesse: „Es ist wichtig, immer wieder an den Mauerbau zu erinnern. Ich bin in Rostock aufgewachsen. Da gab es zwar keine Mauer, aber auch meine Familie wurde durch die Mauer getrennt, wir hatten noch Verwandte in Hamburg.“
Dokumentarfilmerin Heide Gauert aus Falkensee: „Der Tag des Mauerbaus sollte uns für immer eine Mahnung sein – auch für nachfolgende Generationen. Gerade in der heutigen Zeit, in der US-Präsident Trump schon wieder von einem Mauerbau spricht, darf es kein Vergessen geben. Die Jugend von heute durfte sehr sorglos ohne Krieg aufwachsen. Sie sollte noch viel wachsamer sein.“
Dass Schönwaldes Bürgermeister Bodo Oehme nicht im Anzug zu seiner eigenen Gedenkveranstaltung kam, sondern in einem roten Fahrradtrikot, hatte einen ganz besonderen Grund. Er war drei Tage vorher mit einer kleinen Delegation von 15 Mann von Schönwalde aus mit dem Rad aufgebrochen, um den gesamten Mauerradweg zu befahren, der 188 Kilometer lang einmal um das alte West-Berlin herumführt. Auf den Spuren der Mauer radelten neben Menschen aus Schönwalde-Glien auch Vertreter der Partnergemeinden Süderschmedeby in Schleswig-Holzstein, Wagrowiec in Polen und Muggensturm in Baden-Württemberg sowie der freundschaftlich verbundenen Gemeinde Schönwalde/Barnim mit. Heinz Rudolph aus dem Landkreis Oder-Spree, Landesbranddirektor für Brandenburg, war mit seiner Frau Kerstin dabei: „Wir haben unterwegs in Kleinmachnow und am Checkpoint Charlie übernachtet. Wir haben viel gelernt, sind mit einem höheren Respekt zurückgekehrt und hatten unterwegs viele Gänsehaut-Momente.“
Die dreitägige Fahrt, die der sehr an der eigenen deutschen Geschichte interessierte Bodo Oehme nicht zum ersten Mal antrat, endete direkt mit der Gedenkveranstaltung, sodass die Radlertruppe mit ihren leuchtend roten Trikots mit dem Schriftzug „Berliner Mauer-Radweg 2017“ vor Ort sehr das Bild bestimmte.
Bodo Oehme eröffnete die Veranstaltung mit einer sehr persönlichen und sehr deutlichen Rede, die ganz klar machte, dass man sich die Zeit der DDR nicht schönreden sollte und dass es kein Vergessen geben darf: „Ein jeder von uns müsste eigentlich heute bei der Gedenkveranstaltung mit dabei sein. Wo sind unsere Schulkinder? Aber ich vergaß – das Schulfach Geschichte haben wir ja in Berlin und Brandenburg abgeschafft. Wie sollen unsere Kinder da unsere Geschichte bewahren? Es kommen inzwischen mehr Touristen aus den USA an diese Gedenkstätte in Schönwalde als Menschen aus der Region selbst.“
Spandaus Bürgermeister Helmut Kleebank ergänzte: „Es ist wichtig, dass wir uns bewusst machen, dass die Demokratie ein zerbrechliches Ding ist. Ich habe das Gefühl, dass die Demokratie in vielen Ländern wieder in Gefahr ist, wo sie doch längst schon erreicht war.“
Aus der 700 Kilometer entfernten Partnergemeinde Muggensturm war Bürgermeister Dietmar Späth angereist. Er sagte: „Bodo Oehme und ich, wir sind etwa gleich alt. Damals haben wir beide in verschiedenen Armeen gedient. Ich bin froh, dass wir damals nicht gegenseitig auf uns schießen mussten. Die Deutschen sind ein Volk, das seine unrühmliche Vergangenheit nicht nur überwunden hat, sondern auch ganz offen darüber spricht. Das ist wichtig, denn das ist leider nicht immer so. Wir sind auf diese Weise auch ein Vorbild für viele andere Länder. Und unsere Geschichte zeigt: Man kann ein Unrechtsregime überwinden – und das wie bei der DDR sogar ohne Gewalt.“ (Text/Fotos: CS)
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