Falkensee: Bedarfsgerechte Stadt
In Falkensee gibt es den „Beirat für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung“. Dieses Gremium wird von der SVV berufen und ist für vier Jahre im Amt. Da sich eben diese vier Jahre nun wieder dem Ende entgegenneigen, steht im Juni eine Neuberufung an.
Bis zu sieben Personen können in den neuen Beirat aufgenommen werden – wenn sich denn so viele Freiwillige melden. Zurzeit arbeiten fünf Falkenseer im Beirat (www.beirat-falkensee.de) mit.
Der Beirat gibt den Menschen mit einer Behinderung im Ort eine laute Stimme. Die ehrenamtlich tätigen Aktiven weisen auf Missstände hin, besuchen die Sitzungen der SVV, arbeiten in den Gremien mit, erstellen Flyer und sensibilisieren die Öffentlichkeit.
Die 1. Vorsitzende ist Silke Boll, die selbst im Rollstuhl sitzt: „Lange Zeit hat man neue Gebäude nicht mit einem Fahrstuhl ausgestattet. Es lohnt sich ja gar nicht, extra einen Fahrstuhl für die zwei, drei Rollifahrer zu bauen, die den Fahrstuhl benutzen würden, so hieß es. Aber der Fahrstuhl ist ja nicht nur für uns da. Auch Eltern mit Kinderwagen, übergewichtige Menschen, Senioren oder Leute mit einer Sportverletzung an den Beinen verwenden den Fahrstuhl sehr gern. Wir wollen unsere Stadt nicht behindertengerecht machen, sondern bedarfsgerecht. Und davon profitieren alle.“
Der Teilhabebeirat kann bereits auf große Erfolge zurückblicken. So stehen auf vielen Veranstaltungen der Stadt inzwischen Gebärdendolmetscher zur Verfügung. Die Internet-Seite der Stadt wird zunehmend barrierefreier, sodass Texte laut vorgelesen werden. Das Rathaus erhält einen Aufzug.
Silke Boll: „Dauerthemen sind für uns die Geh- und die Radwege, die Querungshilfen an den Kreisverkehren, die Beschriftung etwa am Sportplatz Rosenstraße und die kontrastreichere Treppenstufenerkennung. Wir benötigen unbedingt mehr barrierefreie Wohnungen im Zentrum, die auch bezahlbar sind. Und es kann nicht sein, dass es in ganz Falkensee keine einzige Schule gibt, die barrierefrei ist. So gibt es für Eltern leider keine andere Möglichkeit, als ihr Kind mit einer Behinderung in einen fernen Ort zur Schule zu senden. Zum Teil werden die Kinder bis nach Potsdam umgeleitet.“
In Falkensee sind 6.641 Menschen mit einem Grad der Behinderung über 30 Prozent (Stand: 31.12.16) gemeldet. Dabei geht es nicht nur um die Rollstuhl-Fahrer, sondern auch um blinde oder gehörlose Menschen, um nur zwei weitere Beispiele zu bringen.
Angelika Falkner-Musial ist die 2. Vorsitzende im Teilhabebeirat: „Mitunter sind wir uns auch uneins im Beirat. Die Rollstuhlfahrer möchten etwa an Straßenübergängen gern abgesenkte Bürgersteige haben, weil bereits kleine Kanten für sie ein Hindernis darstellen. Wir Sehbehinderten brauchen allerdings eine klare Bordsteinkante, damit wir bemerken, wo der Bürgersteig endet und die Straße beginnt.“
Silke Boll: „Die Zusammenarbeit mit der Stadt ist sehr gut. Wir werden gehört, man geht auf uns ein, unsere Wünsche werden berücksichtigt. Aber – auf dem Weg zur Barrierefreiheit geschehen immer noch Dinge, die nicht sein müssen. Da stellen wir manchmal eine gewisse Halbherzigkeit fest. So haben wir in der neuen Stadthalle barrierefreie Toiletten – aber kein Blindenleitsystem. Vor der Stadthalle gibt es Behindertenparkplätze – aber auf dem Kopfsteinpflaster können Rollstuhlfahrer nicht rollen. Wir bekommen ein frei zugängliches Rathaus – aber nicht bis ins Dach. Die neuen Radwege sind toll – aber sie werden immer wieder von nicht berollbaren Teilabschnitten unterbrochen.“
Manuela Dörnenburg kümmert sich als Gleichstellungs- und Integrationsbeauftragte für die Stadt Falkensee um den Beirat. Sie erklärt: „Ich vermittle zwischen dem Beirat, der Verwaltung und der Politik, begleite Prozesse, schiebe neue Prozese mit an und unterstütze den Beirat in allen Belangen.“
Der Teilhabebeirat bietet zwei Mal im Monat einen offenen Treff an. Hier können Menschen mit Behinderung ihre Probleme schildern und Fragen stellen. Silke Boll: „Zu den Treffen kommen meist zehn bis 35 Leute.“ (Foto / Text: CS)
Dieser Artikel wurde in „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 147 (6/2018) veröffentlicht.
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