Spandau: Zug der Fledermäuse
Fledermäuse sind die Säugetiere der Lüfte. Oft sah man sie im Sommer in der Dämmerung auf der Jagd nach Insekten über den eigenen Garten fliegen oder elegante Kreise um die Straßenlaternen drehen. Die seit 1933 unter Schutz gestellten Kleinsäuger sind echte Kulturfolger.
Häufig finden sie in alten Gemäuern Unterschlupf, weil sie an Höhlen erinnern, wie sie in der Natur immer seltener zu finden sind.
Neben dem Fort Hahneberg in Spandau ist die Zitadelle ein besonders beliebtes Quartier bei den Fledermäusen. Kein Wunder also, dass auch der rein ehrenamtlich tätige Verein „Berliner Artenschutz Team“, kurz BAT genannt, sein Lager in der Zitadelle aufgeschlagen hat. Robert Hennig ist der stellvertretende Vorsitzende. Er erklärt: „Die Fledermäuse verlassen zurzeit ihre Sommerquartiere und suchen sich einen Unterschlupf für den Winter. Bis in den April hinein fallen sie bald in einen Winterschlaf. Dabei verlangsamt sich der Kreislauf enorm und die Körpertemperatur entspricht nahezu der Umgebung. Die dicken Mauern der Zitadelle sorgen in den ungenutzten Kellergewölben für eine gleichmäßig kalte und feuchte Umgebung. Genau das sucht die Fledermaus im Winter. Man kann sich das so vorstellen: Der Kühlschrank in der Küche wäre für eine Fledermaus der perfekte Ort zum Überwintern. In dieser Umgebung halten die angefressenen Energiereserven bis zum kommenden Frühjahr. Würde jemand die Fledermäuse vor der Zeit aufwecken, so könnte dies für die Tiere tödlich sein, da sie dann ihre Energie zu schnell verbrauchen.“
Rund um die Zitadelle gibt es elf Fledermausarten zu entdecken, darunter das Große Mausohr oder die Fransenfledermaus. Die Wasserfledermaus hat besonders große Füße. Sie fliegt über stehende Gewässer und „harkt“ mit ihren großen Füßen die Insekten von der Wasseroberfläche. Robert Hennig: „In Berlin sind zwei Arten der Fledermäuse besonders stark verbreitet, im Westen aber anders als im Osten. Im Westen Berlins ist die Breitflügelfledermaus oft zu finden, sie liebt die klassischen Altbauten. Und im Osten ist die Zwergfledermaus sehr präsent. Sie bevorzugt Flachdächer und Plattenbauten.“ Die Zitadelle gilt als eines der bedeutendsten Fledermausquartiere Berlins – mit überregionaler Bedeutung für den Fledermauszug und die Überwinterung. Hier startete im Winter 1932/33 die Markierung der Fledermäuse zu Forschungszwecken. So ist die Zitadelle eines der Fledermausquartiere, das am längsten und am intensivsten observiert wurde.
Robert Hennig: „Wir gehen von bis zu 10.000 Fledermäusen aus, die hier im Herbst einfliegen. Wobei es einen enormen Unterschied gibt zwischen den Tieren, die wir in den alten Gängen sehen können, und denen, die sehr gut versteckt den Winter hinter sich bringen. Wir haben einmal gesehen, wie eine Fledermaus in einem winzigen Mauerzwischenraum verschwindet – und wollten wissen, wie viele Tiere hier wohl versteckt sind. Selbst mit endoskopischen Kameras haben wir nichts entdecken können. Also haben wir uns einfach abends vor die Mauer gesetzt und gewartet, dass die Tiere hervorkommen und auf die Jagd gehen. 17 Fledermäuse haben wir am Ende gezählt.“
Im September und Oktober luden die Experten zur „Europäische Fledermausnacht 2018“ ein. An mehreren Abenden konnten neugierige Fledermausfreunde zusammen mit den BAT-Leuten in die Zitadelle hinabsteigen, um den Fledermäusen nachzuspüren. Robert Hennig: „Mit dem Einflug in das Winterquartier beginnt nun auch die Paarungszeit. Oft finden wir in den Luftschächten ein Männchen und mehrere Weibchen vor. Die Weibchen können den Samen in einer Körpertasche verwahren und erst im Frühjahr eine Schwangerschaft auslösen. Die Schwangerschaft dauert etwa zwei Monate und bringt am Ende ein Junges hervor, nur ganz selten kommen Zwillinge zur Welt.“
Die natürlichen Feinde der Fledermaus sind vor allem Eulen, Katzen und Marder. Aber auch Krähen, Elstern und Falken können den Tieren den Garaus machen. Im Winter sind sie mitunter ein wehrloses Opfer für Waschbären oder Spitzmäuse. Auch der Mensch ist ein natürlicher Feind, vor allem dann, wenn er durch den Abriss alter Häuser die Zahl möglicher Quartiere reduziert.
Jörg Harder vom BAT: „Das Fledermausjahr 2018 gilt in der Beobachtung für uns als besonders spannend, da durch das Extremwetter und die teilweise überhitzten Wochenstubenquartiere mit Auswirkungen auf den Bestand zu rechnen ist.“
Wer bei einer der Führungen durch den Untergrund mitmachen durfte, konnte die BAT-Mitarbeiter dabei beobachten, wie sie mit einem Ultraschalldetektor einzelnen Fledermäusen nachspüren. Robert Hennig: „Unsere einheimischen Fledermäuse sehen bei Dunkelheit genauso schlecht wie wir Menschen. Sie senden aber für uns unhörbare Ultraschallrufe aus, deren aufgefangenes Echo ihr Gehirn so verarbeiten kann, dass ein räumliches ‚Sehen‘ mit den Ohren möglich wird. Ich suche immer im Bereich von 45 Kilohertz nach den einheimischen Arten.“
Die Natur ist nie berechenbar. Sollten auf einer Exkursion einmal nur wenige Tiere zu entdecken sein, so sorgt am Ende der Führung stets ein Besuch der Vereinsräume für staunende Gesichter. Hier ist ein eigenes Fledermausschaugehege zu bestaunen, in dem dank eigener Nachzucht inzwischen etwa 150 tropische Tiere zu sehen sind, die sich vegetarisch ernähren, darunter 30 Nilflughunde aus dem Norden Afrikas und 120 Brillenblattnasen aus Mittel- und Südamerika. (Text/Fotos: CS)
Info: Berliner Artenschutz Team -BAT- e.V., Zitadelle, Haus 4, Am Juliusturm 64, 13599 Berlin, Tel.: 030-36750061, www.bat-ev.de
Dieser Artikel wurde in „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 152 (11/2018) veröffentlicht.
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