10 Jahre Adipositaszentrum Havelland – Wir sind zu fett!
Den Pfunden um die Hüfte den Kampf anzusagen, das ist bitter nötig. Dr. med. Stefan Lenz, Leiter des von den Havelland Kliniken initialisierten Adipositaszentrums Havelland, findet klare Worte: „Die Behandlung des krankhaften Übergewichts ist eins der größten gesundheitlichsten Probleme, das wir in Deutschland haben. Die Anzahl extrem übergewichtiger Menschen steigt.“
Das Adipositaszentrum Havelland (www.adipositaszentrum-havelland.de) existiert bereits seit zehn Jahren. Und kämpft weiter für das Thema, denn „Dicke haben leider keine Lobby“. So wurde jüngst ein Abkommen mit der AOK geschlossen, um die Übernahme der Behandlungskosten zu regeln. Mit den gut 500 anderen Krankenkassen, die es in Deutschland gibt, steht dieser Schritt noch aus. Einen Großteil der Kosten können die Patienten, die die Leistungen des Adipositaszentrums in Anspruch nehmen, sich aber im Nachgang von der Kasse zurückholen. Immerhin: Wer sein Extremgewicht wieder zurück in den Normalbereich bringt, darf sich im Schnitt über sieben gewonnene Lebensjahre freuen, sagt der Arzt.
Dr. Stefan Lenz: „In den neuen Bundesländern ist der Anteil übergewichtiger Menschen höher als in den alten. Allein in Brandenburg sind 58 Prozent der Bevölkerung übergewichtig, bei 25 Prozent ist das Übergewicht krankhaft. Begleiterscheinungen von einem krankhaften Übergewicht (ab einem BMI von 35) sind der Diabetis mellitus, Bluthochdruck, ein Verschleiß der Gelenke, Thrombosen und sogar Krebs.“
Das Adipositaszentrum Havelland hat eine „Task Force“ aus vielen Mitarbeitern verschiedener Disziplinen zusammengestellt, um übergewichtigen Menschen zu helfen. Dabei steht das Behandlungsangebot auf den drei miteinander kombinierten Säulen Ernährungsberatung, Verhaltenstherapie und Bewegung. Ein Team aus Ärzten, Ernährungswissenschaftlern, Diätassistenten, Physiotherapeuten und Psychologen bietet einen Strauß unterschiedlicher Maßnahmen an.
Dr. med. Kerstin Eckert, Oberärztin und Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologie und Ernährungsmedizin: „Zunächst muss man erst einmal die Ursachen ergründen: Wo kommt das Übergewicht eigentlich her? Wir essen zu viel, nehmen zu viel hochenergetische Nahrung zu uns und bewegen uns viel zu wenig. Auch die Genetik spielt eine Rolle, ebenso wie die Darmflora.“
Ernährungswissenschaftlerin Sandra Aland: „Wir führen Gruppenschulungen in Nauen und Rathenow durch. Zusammen werten wir dabei Ernährungsprotokolle aus und beschäftigen uns mit Grundnährstoffen und mit Portionsgrößen. Neu ist, dass wir auch Einzelberatungen anbieten.“
Dr. Stefan Lenz: „Wir stehen für eine ernährungsmedizinische Betreuung. Der Diätenwahn ist Blödsinn. Der einzige Weg, der dauerhaft beim Abnehmen greift, ist eine Lebensumstellung. Da purzeln die Pfunde langsamer, dafür aber effizienter.“
Physiotherapeutin Christine Böhm-Rautenberg: „In unserer Gruppe motivieren wir uns gegenseitig und üben langsam zusammen, was an Bewegung möglich ist. Die Gelenke sind oft ein Problem, aber wir haben ja in Nauen ein Bewegungsbad. Was viele oft nicht mehr schaffen, ist durchzuhalten. Das gelingt uns zusammen – auch mit viel Lachen und Fröhlichsein.“
Dipl.-Psychologin Susann Vogler: „In unseren Gruppensitzungen und optional auch in Einzelgesprächen gehen wir dem Übergewicht auf den Grund. Dabei lernen wir auch, wie wir mit Frustrationen umgehen und wie man sich im Alltag realistische Ziele setzt.“
Führt dieses Kombiangebot konventioneller Maßnahmen nicht innerhalb von sechs Monaten zum Ziel, gibt es immer noch die Möglichkeit einer Operation. Dr. Stefan Lenz: „Wir verkleinern den Magen oder legen eine Umleitung, um den Darm zu verkürzen.“ Und der Arzt ergänzt: „Die schwerste Person, die wir operiert haben, wog 230 Kilo. Im Vergleich mit dem europäischen Umland sind wir in Deutschland in Sachen Adipositas ein Entwicklungsland. Wir behandeln Übergewichtige zehn Jahre später und mit zehn BMI-Punkten mehr, als dies Nachbarländer wie Holland tun. Im Schnitt werden wir erst bei Patienten über 50 Jahre bei einem Durchschnitts-BMI von 47 tätig. Das ist zu spät.“ (Text/Foto: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 157 (3/2019).
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