Kino-Filmkritik: Joker

Gotham City war schon immer anders als normale Städte. In den DC-Comics ist es die vom Verbrechen getriebene Stadt von Batman, die immer ganz nah am Abgrund tanzt. Dazu passt perfekt der Film vom „Joker“, obwohl er durchaus auch ohne den Comic-Background bestehen könnte. Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) ist ein völlig abgemagerter Möchtegern-Stand-Up-Comedian, der allerdings als Partyclown arbeiten muss, um das Geld für sich …
… und seine pflegebedürftige Mutter Penny (Frances Conroy) zu verdienen, was nötig ist, um die Miete für eine wahre Bruchbude zu bezahlen.
Arthur Fleck hat kein schönes Leben. Er wird ausgelacht, geschlagen, gedemütigt – und das immer wieder aufs Neue. Schuld daran mag auch die eine oder andere Störung sein, die sich bei ihm bemerkbar macht. So muss er immer lachen, sobald er sich in einer unbehaglichen Situation befindet.
Für alle Cineasten, die die Nase voll haben von mies heruntergekurbelten Kinostreifen ohne richtiges Drehbuch, ist der „Joker“ eine echte Offenbarung. Im zwei Stunden und zwei Minuten langen Film von Regisseur Todd Phillips hat alles eine Bedeutung. Kleinste Details sind wichtig, um die Entwicklung von Arthur Fleck nachzuvollziehen. Wie der völlig verstörte Joaquin Phoenix sein Lachen herauswürgt, das ist beklemmend, irritierend und doch faszinierend – weil auf einmal alles einen Sinn ergibt.
Doch wie wird Arthur Fleck zum bösartigen Joker? Am Anfang des Films fühlt man noch mit dem gescheiterten Comedian mit, der zum TV-Talkmaster Murray Franklin (Robert De Niro) aufsieht und der nur zu gern ein Verhältnis mit seiner schönen Nachbarin haben möchte. Doch dann kommt Arthur in den Besitz einer Pistole – und schießt in der U-Bahn drei brutale Anzugträger über den Haufen.
Vom Gothamer Pöbel wird der geheimnisvolle Clown nicht verdammt, sondern als Held gefeiert. Es entsteht eine brutale Protestbewegung auf den Straßen – mit einer Clownsmaske als Erkennungszeichen. Findet Arthur hier die Anerkennung, die er so dringend sucht?
Der Film „Joker“ zeichnet minutiös und mit einer feinsinnigen Beobachtung die Entstehung eines Psychopathen auf der Kinoleinwand nach. Das Psychogramm wirkt dank der überragenden Klasse des Drehbuchs und der Spielfreude von Joaquin Phoenix so eindringlich, dass es beim Zuschauen fast wehtut. Zumal man das Geschehen direkt durch Arthur Flecks Augen wahrnimmt – und schon bald nicht mehr weiß, was wirklich passiert und was nur in Arthurs durch Tablettenabsetzung beflügelter Fantasie.
Nach diesem Film muss man einfach sagen: Gebt Joaquin Phoenix um Himmels willen einen Oscar. (CS / Bild: Warner)
Tipp: 5 von 5 Sternen
FSK: ab 16 Jahren
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=A_EfIIde4Mg
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 164 (11/2019).