Lassen milde Winter mehr Insekten überleben? Insekten im Winter – Vielfalt der Überlebensstrategien
Lassen warme Winter mehr Insekten überleben? Milde Temperaturen und Nachtfröste wechseln sich derzeit ab, im Februar kann es nochmal richtig kalt werden. Wie überstehen die Insekten mit ihren winzigen Körpern die Kälte und Temperaturschwankungen? Honigbienen rücken im Winter eng zusammen und ernähren sich von ihren Vorräten: Das Volk bleibt auch im Winter aktiv. Es bildet eine Kugel um die Königin und sorgt durch die geballte Körperwärme für Temperaturen im Zentrum von mindestens 25 Grad.
Der Honig wird dabei miterwärmt. Tiere, die direkt bei den Vorräten sitzen, fressen sich nicht nur selbst satt, sondern geben das süße Zeug auch an ihre Artgenossen weiter. Die Plätze an der kühlen Außenseite der Kugel wechseln ständig, so dass sich die Bienen immer wieder im Inneren der Kugel aufwärmen können. In der engen Gemeinschaft überstehen die Bienen den Winter ausgesprochen gut. Weil das anstrengende Brutgeschäft wegfällt, steigt die Lebenserwartung der Arbeiterinnen sogar von einigen Wochen auf bis zu neun Monate.
Das enge Zusammenrücken ist unter den Insekten eher die Ausnahme. „Auf den von uns untersuchten Flächen kommt das ansonsten eigentlich nur bei den Feuerwanzen (Pyrrhocoris apterus) vor“, sagt Jörg Müller, Biologe von der Heinz Sielmann Stiftung.
Bei Hummeln, Wespen und Hornissen stirbt im Herbst jeweils das ganze Volk. Übrig bleiben allein die jungen Königinnen, die – frisch begattet – in den befruchteten Eiern bereits ein komplettes neues Volk in sich tragen. Wenn sie den Winter an einem geschützten Ort überstehen, werden sie im Frühjahr allein den neuen Staat gründen, bis im Herbst ein neuer Kreislauf mit einer neuen Königin beginnt.
Die Überlebensstrategien der Insekten im Winter sind sehr variabel. Libellen zum Beispiel und andere Insekten, die einen Teil ihres Lebens im Wasser verbringen, legen im Spätsommer ihre Eier direkt im Wasser ab, wo sich die Larven dann – geschützt vor Frost – in Ruhe entwickeln können. Manche Käfer oder auch Ameisenvölker ziehen sich bis zu 1,50 Meter tief in die Erde zurück.
Milde Winter – mehr Insekten?
„Der weit verbreitete Gedanke, dass milde Winter mehr Insekten überleben lassen, ist überwiegend ein Trugschluss“, sagt Jörg Müller, „viele Ruhestadien von Insekten fallen in milden, feuchten Wintern Schimmelpilzen zum Opfer. Es gibt viele Arten, die im Winter sogar deutliche Kälte benötigen. Diese wie zum Beispiel einige Feuerfalter-Arten werden deutschlandweit gerade deutlich seltener. Sogar für viele ausgesprochen wärmeliebende Arten ist ein kalter Winter gar nicht schädlich. Gelege von Gottesanbeterinnen überstehen kurzzeitig sogar minus 60 Grad.“
Winteraktive Insekten
In der Kyritz-Ruppiner Heide im nördlichen Brandenburg erforscht der promovierte Biologe regelmäßig die vorkommenden Insektenarten. Auch in der kalten Jahreszeit wird er erstaunlich oft fündig.
„Der Weiße Grasbär (Coscinia cribraria) zum Beispiel gehört zu den wenigen Insekten, die auch im Winter aktiv sind“, sagt Müller. Der Schmetterling, der zu den Nachtfaltern gehört, überwintert als Raupe. An milderen Tagen sieht man Tiere häufig beim Fressen an Heidepflanzen oder Gräsern. Praktischerweise sind die Raupen schwarz, so dass sie die Strahlen der Sonne besonders gut speichern können. Eine ähnliche Strategie haben die Wintermücken (Trichoceridae), die man an milden Tagen auf Waldlichtungen in kleinen Schwärmen in der Sonne tanzen sehen kann. Die langen schmalen Flügel sind von dunklen Adern durchzogen, die wie Sonnenkollektoren wirken. Sogenannte Winterhafte (Boreus hyemalis) sind ausschließlich in den Wintermonaten aktiv. Die nur drei bis viereinhalb Millimeter großen Tiere, die sich vor allem von Moos ernähren, nutzen die Wintermonate, weil sie dann weitgehend ungestört von Fressfeinden sind.
Zu den größten winteraktiven Insekten zählt der Kleine Frostspanner (Operophtera brumata), ein Nachtfalter mit einer Flügelspannweite von 2,5 Zentimetern. Bis in den Dezember hinein fliegen die Männchen umher, um sich mit den flugunfähigen Weibchen zu paaren. Ein Vorteil für sie ist, dass sie dann nichts vor gefräßigen Fledermäusen zu befürchten haben. Außerdem ist die Luft dann – anders als im Frühling – nicht mit den Pheromonen anderer Schmetterlingsarten geschwängert, was das Auffinden der paarungsbereiten Weibchen deutlich einfacher macht.
„Die meisten Insekten überwintern als Puppe im Boden oder in der Laubschicht“, sagt Müller. Laub und Moos sind gute Isolatoren. Außerdem führt die Aktivität von unzähligen Mikroorganismen dazu, dass die Temperatur im Boden ein bisschen höher ist als in der Luft. Empfindlich kalt kann es trotzdem noch werden. Auch dafür haben Insekten verschiedene Strategien entwickelt. Die größte Gefahr für die kleinen Körper ist Frost. Wenn die Flüssigkeit im Inneren zu Eis gefriert und sich dabei ausdehnt, droht sie die Körper irreparabel zu schädigen. Schmetterlinge wie der Zitronenfalter (Gonepteryx rhamni) lagern deshalb Zucker oder Alkohole wie Glycerin als Frostschutzmittel ein und verhindern so ein Durchfrieren. Andere Arten produzieren kleine Schutzproteine aus Eiweißmolekülen. Die verhindern die Eisbildung zwar nicht, sorgen aber dafür, dass die Eiskristalle eher klein bleiben und so keinen Schaden anrichten können.
Manche Insektenarten zieht es in den Süden
Manche Insekten halten es in den Wintermonaten wie die Zugvögel. Sie fliehen in den Süden. Dort pflanzen sie sich fort und die neue Generation zieht wieder in den Norden, wenn die Bedingungen wieder annehmbarer sind. Der Admiral (Vanessa atalanta) zum Beispiel zieht sich im Herbst aus dem Norden zurück und überwintert im milderen Südwestdeutschland oder in Ostfrankreich.
Der Distelfalter (Vanessa cardui) unternimmt noch deutlich weitere Wanderungen. Das Hauptverbreitungsgebiet der Falter liegt im Mittelmeerraum. Von dort wandern sie im Frühjahr in Richtung Norden und landen dabei auch in Deutschland. Distelfalter gehören zu den wenigen Insekten, die sich das ganze Jahr über fortpflanzen – überall dort, wo sie sich auf ihrem Migrationszug gerade befinden. Einzelne Tiere sind Tausende Kilometer unterwegs und überqueren dabei sogar die Alpen. Die Wanderung insgesamt vollzieht sich aber in mehreren Generationen: Die im Herbst abziehenden Tiere fliegen vielleicht bis Frankreich oder Spanien. Der Nachwuchs schafft es dann bis Nordafrika, und dessen Nachwuchs kehrt im Frühjahr wieder nach Europa zurück – ein echtes Mehrgenerationen-Projekt mit dem ehrgeizigen Ziel, dem Winter vollständig aus dem Weg zu gehen. (Text: Heinz Sielmann Stiftung / Fotos: Hannes Petrischak)
Dies ist eine Pressemitteilung, die der Redaktion zugeschickt wurde, und die wir zur Information der Bürger in der Region Havelland unredigiert übernehmen.
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