Corona-Interview: Dr. Antonia Stahl – das Schutzmaterial geht uns aus!
Dr. Antonia Stahl ist Allgemeinärztin. Sie ist in der Praxisgemeinschaft Falkensee in der Bahnstraße tätig. Die Corona-Epidemie beschäftigt auch das ganze Praxisteam und sorgt zurzeit für anstrengende und lange Stunden. Wir haben uns bei der Ärztin nach dem Status Quo erkundigt. Wie sieht zurzeit die Situation in Ihrer Praxis aus? Ist Corona ein Thema?
Antonia Stahl: „Corona ist seit Mitte letzter Woche DAS Thema bei uns. In der Praxis, unter den Kollegen, im ärztlichen Bereitschaftsdienst. Wir erleben hier eine große Verunsicherung bei den Menschen – aber auch viel Verständnis für die notwendigen Maßnahmen. Wir selbst haben alle aufschiebbaren Termine verlegt und eine neue tägliche Sprechstunde eingeführt, die NUR für Infekt-Patienten da ist. Dadurch versuchen wir zu verhindern, dass sich Patienten hier in unserer Praxis anstecken. Das wird von den Patienten sehr gut angenommen. Außerdem führen wir verstärkt Telefon- und Videosprechstunden durch und verschicken Rezepte und Krankschreibungen per Post.“
Wie gehen Sie selbst in der Praxis und Zuhause mit Corona um? Wie schützen Sie sich?
Antonia Stahl: „Wir sind gerade dabei, zum Schutz unserer Mitarbeiter direkt am Tresen eine Plexiglasscheibe anzubauen, um so das Risiko einer Infektion der Mitarbeiter zu minimieren. Außerdem tragen unsere Mitarbeiter und wir Ärzte Mundschutz, Handschuhe etc. Dazu muss man sagen, das unsere eigenen Vorräte natürlich begrenzt sind und wir auch nichts mehr nachkaufen können. Die Kassenärztliche Vereinigung hat uns Abhilfe und die Versorgung mit Schutzmaterial versprochen, das ist aber leider bisher noch nicht geschehen. Wenn wir nicht bald Nachschub bekommen, muss ich die Praxis zum Schutz meiner Mitarbeiter schließen!“
Wie schätzen Sie als Ärztin die Lage ein?
Antonia Stahl: „Wir haben eine Situation in Deutschland, die völlig neu ist – keiner kann vorhersagen, ob wir zu viel oder zu wenige Maßnahmen ergriffen haben. Ich bin der Meinung: Lieber überreagiert und damit viele Menschenleben gerettet, als eine Situation wie in Italien zu riskieren. Es ist eine Frage der Zahlen: Wenn sehr viele Menschen in sehr kurzer Zeit krank werden, wird auch immer ein Teil davon kritisch krank sein – wir haben aber nur begrenzte Kapazitäten. Es gibt immer auch noch andere Erkrankungen, die zeitnah behandelt werden müssen. Was ist zum Beispiel mit dem Herzinfarkt, wenn alle Krankenhausbetten mit Corona-Patienten belegt sind? Sollte eine solche Eskalation eintreten, dann werden Menschen sterben oder unnötig länger leiden – egal, ob es an Corona ist oder an einer anderen Erkrankung. Einfach, weil unserer Systeme überlastet sind. Deshalb: Bitte halten Sie sich an die jetzigen Empfehlungen! Im Interesse von uns allen.“ (Fotos: Nadine Hennig, Antonia Stahl)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 169 (4/2020).
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