Auf ein Corona-Wort: Im Gespräch mit Falkensees Bürgermeister Heiko Müller!
Heiko Müller, Bürgermeister von Falkensee, ist dank Corona im Dauer-Krisenmodus. Carsten Scheibe sprach mit ihm über Homeoffice, ausgefallene Urlaube und wegbrechende Gewerbesteuern. Wie arbeiten Sie eigentlich zurzeit? Im Büro des Bürgermeisters oder Zuhause im Homeoffice? Wie halten Sie Kontakt zu ihren Mitarbeitern?
Heiko Müller: “Beides. Das hat aber mit der Corona-Krise nicht so viel zu tun. Auch in ‘normalen’ Zeiten ist es oft notwendig, abends oder an den Wochenenden Themen aufzuarbeiten, Termine vorzubereiten, Stellungnahmen oder aber auch Interviews zu bearbeiten. Ich bin eigentlich jeden Wochentag im Büro. Allerdings wird derzeit wesentlich mehr telefonisch oder per Videokonferenz gearbeitet, als durch persönlichen Kontakt im Rathaus.”
Wie sieht jetzt ein typischer Corona-Arbeitstag im Leben des Bürgermeisters aus? Was muss in der Krise alles getan werden?
Heiko Müller: “Die meisten Tage sind nicht viel anders als sonst. Als Bürgermeister einer Stadt wie Falkensee arbeite ich eigentlich kaum einfache Verwaltungsvorgänge ab. Natürlich gibt es auch derzeit die Routineaufgaben. Dazu gehören extrem viele Unterschriften beispielsweise bei Auftragsvergaben, bei der üblichen Statistik oder bei Fördermittelabrechnungen gegenüber dem Landkreis und dem Land, aber auch beispielsweise bei Geburtstagsgrüßen usw…
Ansonsten kommen bei mir vor allem Vorgänge auf den Tisch, die in den Fachämtern nicht abschließend abgearbeitet werden können – meist, weil es irgendwelche Probleme und Abstimmungsbedarf gibt. Das ist auch derzeit so, nur dass sich die Schwerpunkte in den Bereich Corona-Auswirkungen verschoben haben.
Es gibt aber auch einige Dinge, die grundlegend anders laufen. Auf der einen Seite werden Besuche bei Jubilaren nicht mehr durchgeführt, derzeit müssen Karten oder Blumengrüße ausreichen. Auf der anderen Seite habe ich jedes Wochenende und an Feiertagen im Rahmen der Kontrollgänge in ganz Falkensee und vor allem im Bereich der Falkenseer Seen unzählige Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern und auch Gästen der Stadt – natürlich unter Einhaltung des Sicherheitsabstandes – geführt. Meist geht es um Erläuterungen zu den ‘Corona-Regeln’, aber auch oft um ganz andere Fragen. Eine Besonderheit sind übrigens auch die regelmäßigen Telefonkonferenzen mit dem Landkreis und den kreisangehörigen Gemeinden.”
Viele Gewerbetreibende haben kreative Lösungen gesucht, um weiter Geld zu verdienen. So haben viele einen Liefer- oder Abholdienst ins Leben gerufen. Konnten Sie alle Bestrebungen gutheißen oder musste die eine oder andere Idee auch “gestoppt” werden?
Heiko Müller: “Die Einschränkungen für die Gewerbetreibenden sind schon sehr gravierend. Hoffentlich gelingt es fast allen, diese schwierige Zeit unternehmerisch zu überstehen. Wir müssen aber damit rechnen, dass für Gewerbetreibende, die gerade erst begonnen haben oder aber diejenigen, die bereits vor Corona Probleme hatten, die wirtschaftliche Delle dieser Monate nicht abgefedert werden kann. Viele Gewerbetreibende haben irgendwie auf die Situation reagiert. Manches davon ist sehr kreativ und so gut, dass es auch nach Corona Bestand haben wird. Andere Maßnahmen sind eher reine Notmaßnahmen. Nicht alles, was ausprobiert wurde, war auch zulässig. Deswegen mussten wir manchmal auch eingreifen. Das waren aber Ausnahmen. Die städtische Wirtschaftsförderung und der Fachbereich Gewerbe haben hierbei gut mit den Gewerbetreibenden zusammen gearbeitet.”
Wie hat sich Ihr eigenes Leben in der Krise verändert? Worauf müssen Sie verzichten, was haben Sie neu für sich entdeckt?
Heiko Müller: “Die meisten Einschränkungen gibt es im privaten Leben. Der fehlende enge Kontakt zu den Enkelkindern ist sicher das Gravierendste. Ein Urlaub (mit dem Enkelkind) ist auch schon ausgefallen und der nächste Urlaub steht irgendwie in den Sternen. Die Proben unserer Band finden auch nur noch virtuell statt. Neu entdeckt habe ich – im wahrsten Sinne des Wortes – eine Schildkröte. Bei meinen täglichen Wochenend-Kontrollgängen im Bereich des Falkenhagener Sees hat mir jemand davon berichtet, dass sich auf einem Baumstamm im Wasser oft eine ziemlich große Schildkröte sonnt. Die habe ich dann tatsächlich auch gefunden.”
Stehen Sie als Bürgermeister mit dem Kreis und auch mit dem Land im engen Austausch? Oder ist das eine Einbahnstraße und Sie können nur die Beschlüsse “von oben” umsetzen?
Heiko Müller: “Die Zusammenarbeit mit dem Landkreis ist derzeit so eng und so intensiv, wie ich es noch nie erlebt habe. Ich finde auch, dass diese Zusammenarbeit gut ist. Und sie ist keine Einbahnstraße. Es ist ein echter Erfahrungsaustausch.”
Sie haben lange mit einem Brief an die Bürger gewartet, den sich viele schon früher gewünscht haben. Warum haben Sie gewartet und wie waren die Reaktionen auf diesen Rundbrief?
Heiko Müller: “Wir haben ständig über die sich verändernde Situation und konkrete Maßnahmen informiert. Bei der Stadt Falkensee ist dies die Aufgabe des Fachbereiches Öffentlichkeitsarbeit. In Hinblick auf den richtigen Zeitpunkt für ‘Rundbriefe’ von Bürgermeistern gibt es ganz unterschiedliche Meinungen. Davon ausgehend, dass es sich um eine viele Monate andauernde Sondersituation handelt, wird es niemandem helfen, wenn bereits in den ersten beiden Wochen neben dem Bundespräsidenten, der Bundeskanzlerin, dem Ministerpräsidenten, ganz vielen anderen Regierungsmitgliedern und dem Landrat auch alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ‘Rundbriefe’ an die Bürgerschaft veröffentlichen.
Wir haben uns dafür entschieden, keine allgemeinen ‘Rundbriefe’ zu verfassen, sondern anlassbezogen und zielgruppenbezogen zu arbeiten. Dazu gehörte beispielsweise ein Brief an die Schulen bzw. an die Schülerschaft im Zusammenhang mit den Schulschließungen und ein ‘Rundbrief’ im Vorfeld der Osterfeiertage. Bei letzterem ging es vor allem auch um konkrete Verhaltensregeln im Bereich des Falkenhagener Sees. Ich denke, dass diese Strategie gut funktioniert hat.”
Wie halten sich denn die Falkenseer an die Ausgangsbeschränkungen und an die verschiedenen Regeln?
Heiko Müller: “Die große Mehrheit hält sich an die Regeln zur Verminderung der Ansteckungsgefahr. Sicherlich gibt es aber auch immer wieder welche, die trotz umfassender Berichterstattung auf allen Medien uninformiert oder falsch informiert sind. Wenn mir beispielsweise eine Familie auf den Hinweis hin, dass ein Picknick am See derzeit nicht erlaubt sei, mit der Behauptung begegnet, die ganzen Corona-Regeln würden nur für die Kranken gelten und nicht die Gesunden, ist man zunächst schon überrascht. In den meisten Fällen wird aber auch auf eine Ermahnung, bestimmte Dinge derzeit nicht zu machen, mit Verständnis reagiert. Die ermahnten Leute reagieren auch und bleiben dabei fast alle freundlich.”
Wie trifft sich denn zurzeit die Stadtverordnetenversammlung?
Heiko Müller: “Die Stadtverordneten haben beschlossen, bei Bedarf Sitzungen durchzuführen. Die Regeln, nach denen einberufen wird, wurden nicht verändert. Wir werden allerdings Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung in der großen Veranstaltungshalle der Stadthalle durchführen. Damit ist es möglich, Abstandsmöglichkeiten voll auszunutzen.
Auch der Hauptausschuss wird bei Bedarf zusammenkommen. Die Sitzungen sollen im großen Sitzungssaal des Rathauses stattfinden. Besucher im öffentlichen Teil können dann die Empore nutzen. Die beratenden Ausschüsse, die ja keine Beschlüsse fassen, werden wohl eher derzeit nicht einberufen.”
Rechnen Sie damit, dass aufgrund von Corona im kommenden Jahr die Gewerbesteuer-Einnahmen wegbrechen werden? Gefährdet das Projekte der Stadt?
Heiko Müller: “Es wäre schon überraschend, wenn diese Krise nicht zu geringeren Gewerbesteuereinnahmen führen würde. Allerdings ist der Anteil der Gewerbesteuern in Falkensee gegenüber vieler anderer Kommunen eher gering. Das wurde von manchen Stadtverordneten in der Vergangenheit bedauert. In einer solchen Krise ist es aber eher von Vorteil. Wir sind viel stärker von den Einnahmen im Bereich Einkommensteuer abhängig. Die Einkommensteuer ist aber wesentlich weniger von Krisen abhängig. Völlig unklar ist, welche Konjunkturprogramme und Investitionsprogramme für die kommunale Infrastruktur und welche anderen Unterstützungsmaßnahmen des Bundes und des Landes es geben wird. Klar ist nur, es wird sie geben. Deswegen kann wohl niemand derzeit abschließend sagen, wie Städte mit unseren Rahmenbedingungen in einem oder in zwei Jahren dastehen werden.”
Ihr persönliches Statement zur Corona-Krise?
Heiko Müller: “Eine solche Krise zeigt einem, was wirklich wichtig ist. Man hört auf, sich über unwichtige Dinge zu ärgern. Und man lernt wieder, sich über Dinge zu freuen, die vor wenigen Wochen oder Monaten noch als selbstverständlich galten und einfach so vorausgesetzt wurden.” (Text: CS / Fotos: CS + Stadt Falkensee)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 170 (5/2020).
Seitenabrufe seit 1.12.2021:
Kennen Sie schon unsere Gratis-App?
Apple – https://unserhavelland.de/appapple
Android – https://unserhavelland.de/appandroid
Anzeige