Ilka & Nina aus Falkensee: Bunte Mundmasken nähen in der Corona-Zeit!
Ilka Buchholz und Nina Ullrich gehören zum “Made in Falkensee” Netzwerk lokaler Künstler und Kreativer in der Gartenstadt. Erste Erfahrungen mit einem eigenen Ladengeschäft haben sie zunächst mit der “Kleinen Galerie auf Zeit” gesammelt. Im Mai 2018 folgte dann der große Schritt hin zu einem gemeinsamen Geschäft für “Stoffe, Wolle und Lieblingssachen”. (ANZEIGE)
Entstanden ist ein wunderschöner Laden zum Stöbern und Kaufen, aber auch zum Mitmachen: Vor Ort finden auch Kurse wie etwa Näh- und Strickstunden, der legendäre “Häkelprosecco” und zukünftig auch wieder der “Nähsecco” statt. Die Schließung des Geschäfts aufgrund der Corona-Bestimmungen traf die beiden selbstständigen Frauen schwer.
Da gründet ihr mit viel Mut ein eigenes Ladengeschäft “Ilka & Nina” in Falkensee, alles läuft sehr gut und dann kommt Corona und der erzwungene Ladenschluss. Was habt ihr da gedacht?
Ilka Buchholz: “Wir kamen uns vor wie im freien Fall. Wir konnten ja rein gar nichts an der Situation ändern. Die Ladentür würde sich schließen und sobald auch nicht mehr auftun. Gott sei Dank war der Laden in den Tagen vor dem Shutdown rappelvoll und wir konnten jedem Kunden wärmstens ans Herz legen, sich bei uns zu melden, insofern während der Schließzeit Bedarf an Handarbeitsmaterial besteht. Dennoch wussten wir, dass fortan jedes Knäuel Wolle und jeder Meter Stoff zählen würde!”
Schnell wurde in Corona-Zeiten klar, dass Mundmasken benötigt werden – und niemand sie liefern kann. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, Euch in diesem Bereich zu engagieren und woher wusstet ihr, wie man so etwas schneidert?
Nina Ullrich: “Das Nähen von Bedarfsmasken ist kein Hexenwerk und wurde von heute auf morgen zum Boom in der Nähszene! Mir war das Thema anfangs einfach zu heiß und ich habe viele Anfragen abgelehnt – aus Angst, mir rechtlichen Ärger mit der Herstellung von ‘medizinischem’ Equipment einzuhandeln. Dann erreichte mich allerdings der Hilferuf einer Kundin, die äußerst dringend eine Nase-Mund-Maske benötigte. Ich habe die Notwendigkeit gesehen und wollte ihr helfen.
Also habe ich das Schnittmuster zur Hand genommen, das die Stadt Essen wenige Tage zuvor zum Schneidern von Behelfsmasken empfohlen hatte und habe die ersten Exemplare genäht. Ganz ohne Schnickschnack oder Filtereinlage und, ganz wichtig, immer mit dem Hinweis darauf, dass eine solche Maske keinerlei Schutz vor einer Infektion mit Covid 19 darstellt!”
Die Stoffe für die Masken hattet ihr? Was wurde sonst noch benötigt? Kam es zu Lieferengpässen beim Zubehör?
Ilka Buchholz: “Wir haben immer eine Auswahl an verschiedenen Baumwollstoffen im Laden und hätten im Leben nicht gedacht, dass all diese Stoffballen nicht ausreichen würden. Aber nach wenigen Tagen war klar: Wir brauchen noch mehr Stoffe! Genauso war es mit Gummilitze und Schrägbändern, die sich innerhalb kürzester Zeit zum neuen Klopapier entwickelten. Es war abenteuerlich – teilweise haben wir bis zu zwei Wochen auf Materialnachschub warten müssen. Die Paketdienste konnten ja auch nicht mehr so zuverlässig liefern wie zu normalen Zeiten. Bestellungen, die aus dem Ausland kamen, gingen verschütt. Das Telefon stand nicht still und dann stand samstagmorgens um sieben endlich der Paketbote mit der erlösenden Lieferung vor Ninas Tür.”
Wie habt ihr die Masken an den Mann gebracht, wie sind die Leute auf euch aufmerksam geworden?
Nina Ullrich: “An dem Tag, an dem wir die ersten Masken genäht haben, haben wir genau ein Foto bei Instagram und Facebook gepostet. Das wurde geliked und geteilt und dann ging’s rund! Über sämtliche Kanäle kamen Anfragen und auch die gute alte Mund-zu-Mund-Propaganda hat gewirkt.”
Von arbeitslos zur Vollauslastung: Wie lange habt ihr täglich an den Masken gearbeitet? Wie viele Masken konntet ihr am Tag produzieren, was haben die gekostet und wie habt ihr sie ausgeliefert?
Ilka Buchholz: “Nina war über all die Wochen tagtäglich bis zu 20 Stunden nur mit dem Thema Nase-Mund-Masken beschäftigt. Nach zwei Wochen kam zu allen Bestellungen ein weiterer Großauftrag rein und dann bin ich mit eingestiegen. Je nach Vorgehensweise hat jede von uns zwischen 20 und 60 Masken am Tag herstellen können, die 10 Euro pro Stück kosten. Da wir jede Minute nutzen mussten und jede Unterbrechung uns in unserem Zeitplan zurückgeworfen hat, sind wir dazu übergegangen, die Masken (aber auch Wolle, Stoffe und unsere anderen Produkte) aus dem Laden vom Kunden kontaktlos abholen zu lassen.”
Durften die Kunden Wünsche äußern zum verwendeten Stoff? Habt ihr den Maskenschnitt über die Zeit modifiziert?
Nina Ullrich: “Die meisten Kunden waren so dankbar, dass sie Masken bekommen – und haben uns bei der Farbzusammenstellung freie Hand gelassen. Wir haben nur immer gefragt, ob die Masken für ‘Männlein oder Weiblein’ bzw. ‘schlicht oder gemustert’ sein sollten. Natürlich gab es auch ganz genaue Wünsche, die wir oftmals aus unserem Stoffbestand heraus erfüllen konnten. Das Schnittmuster haben wir durchweg beibehalten, frei nach dem Motto ‘Never change a running system’. Lediglich bei Behelfsmasken für ganz kleine Kinder haben wir das Gesicht ausmessen lassen und demnach die Größe angepasst.”
Haben euch die Masken finanziell gerettet oder zumindest über die Corona-Zeit getragen? Jetzt dürft ihr doch wieder öffnen, oder?
Ilka Buchholz: “Die Masken haben uns geholfen, sichtbar zu bleiben, nicht in der Versenkung zu verschwinden oder uns komplett neu erfinden zu müssen. Bei einem Preis von 10 Euro pro Maske bleibt nicht viel für uns hängen. Zudem haben wir kräftig in das Zubehör investieren müssen und etliche Masken gespendet.
Und das ist auch gut so! Es war nie unser Bestreben, uns mit der Herstellung dieser Masken zu bereichern, wir wollten lediglich überleben. Das ist uns einigermaßen geglückt, dennoch wartet wenigstens Nina noch auf den Tag, an dem die ILB zahlen wird. Wenn wir nun am 27. April wieder öffnen dürfen, wird dies wohl erst einmal stundenweise sein. Wir müssen abwarten, wie es mit der Schule unserer Kinder weitergeht und natürlich auch, wie das Kaufverhalten der Kunden sein wird.”
Wie habt ihr privat die Corona-Zeit überstanden – mit all den vielen Kindern und Ehemännern in systemrelevanten Berufen?
Nina Ullrich: Während Ilka vor und nach den Osterferien mit dem Home Schooling ihrer Jungs bereits mehr als ausgelastet gewesen ist, kann ich nur von großem Glück reden, dass meine Kinder ihre Schulsachen komplett selbstständig erledigt haben! Als ganz schnell klar war, dass die Behelfsmasken ‘ilka & nina’ retten würden und ich zu Hause ganz einfach nicht so präsent sein konnte wie sonst, haben sich meine drei Kinder zu Meisterköchen und Konditoren entwickelt. Und während wir vor lauter Masken jegliches Gefühl für Datum und Wochentag verloren haben, haben unsere Männer den Spagat zwischen Büro, Home Office und Familienmanagement hingelegt! Die Corona-Zeit war sehr interessant, wenn auch wahnsinnig anstrengend. Aber missen möchten wir sie nicht.” (Text: CS / Fotos: CS + ilka&nina)
Info: Ilka & Nina – Stoffe, Wolle, Lieblingssachen, Bahnhofstraße 61, 14612 Falkensee, Tel.: 0179-1150427, www.ilkaundnina.blogspot.de
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 170 (5/2020).
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