Stiller Alarm: Der deutschlandweite Warntag wird zum Rohrkrepierer!
10. September, 11 Uhr in Deutschland. Zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung sollen in ganz Deutschland wieder die Sirenen ertönen und laut aufheulen. Auch die offiziellen Warn-Apps wie “Nina” oder “Katwarn” für das Smartphone sollen probeweise Alarm schlagen. Ziel der bundesweiten Aktion sei es, die Sinne der Bürger zu schärfen für diese Art der Alarmgebung – etwa bei Naturgefahren, gefährlichen Wetterlagen, Waffengewalt, Unfällen in Chemiebetrieben, Stromausfall, Radioaktivität oder Feuer.
Der nationale Warntag sorgte dafür, dass vorsorglich Katzen weggesperrt und ängstliche Hunde mit einem Geräuschschutz versehen wurden. Denn die Bevölkerung, wachgerüttelt durch zahlreiche Zeitungs- und Fernsehberichte, steckte sich Punkt 11 Uhr die Zeigefinger in die Ohren und erwartete einen infernalen Krach.
Zumindest in Falkensee lauschten die Menschen vergebens. Und das sogar mit Ansage. Denn wie in Berlin, so gibt es auch in der Gartenstadt keine einzige Sirene mehr, die Krach schlagen könnte. Nicht einmal auf der neuen Feuerwache gibt es eine.
Das ist in Schönwalde-Glien noch ganz anders. Bürgermeister Bodo Oehme fand sich zusammen mit Gemeindewehrführer Norbert Krumm vor dem Depot der Freiwilligen Feuerwehr in der Straße der Jugend ein: “Wir waren bei uns optimal auf den Warntag vorbereitet. Die Sirenen in allen Ortsteilen werden an vorgegebenen Tagen regelmäßig einmal im Monat probeweise ausgelöst, um sicherzustellen, dass sie im Ernstfall auch funktionieren. Das ist uns wichtig. Wie soll sonst der Bauer auf dem Traktor auf seinem Feld hinter Grünwalde mitbekommen, dass etwas Schlimmes passiert ist, wenn nicht über eine Sirene? Wir wollen als Gemeinde immer handlungsfähig bleiben – auch bei einem Stromausfall. Das Rathaus kann deswegen über einen Diesel-getriebenen Stromgenerator sofort weiter arbeiten und auch die Feuerwehren sind entsprechend ausgerüstet.”
Gemeindewehrführer Norbert Krumm erklärte: “Natürlich können wir unsere Sirenen selbst auslösen. Am deutschlandweit ausgerufenen Warntag kommt das Signal aber von unserer Regionalleitstelle in Potsdam.”
Punkt 11 Uhr warteten Bürgermeister und Feuerwehrmann auf das Anschwellen des Signaltons. Vieles konnte man zu dieser Zeit vernehmen – ein Rasenmäher war in der Nachbarschaft zu hören, Autos rauschten vorbei, Vögel sangen in den Bäumen. Aber – es gab keine Sirene, kein Aufheulen im Ton, nichts. Auch die verschiedenen Warn-Apps blieben stumm, es wurden keine Botschaften auf das Handy geschickt.
Ungläubiges Staunen bei Bürgermeister und Gemeindewehrführer. Bodo Oehme: “Ich habe bei der Armee gelernt: Wenn ein Termin für 11 Uhr angesetzt ist, dann bedeutet das auch 11 Uhr. Und nicht 11:10 Uhr.” Aber auch um 11:30 Uhr war noch immer keine Sirene in der Siedlung zu vernehmen. Auch die Apps blieben leider stumm. Bodo Oehme: “Oha, das ist wohl gefloppt. Für den Alarmfall sind wir hervorragend gerüstet. Nicht.”
Tatsächlich kamen schnell die Meldungen herein: Über Kiel und Stuttgart bis nach Berlin – Der Probealarm hatte nicht funktioniert. Die Sirenen blieben meist still. Auch die Apps funktionierten nur sehr selektiv. Böse Zungen unkten schnell: “Wer nicht per Sirene benachrichtigt wurde, erhält die Warnmeldung in den kommenden Tagen eben per Post.” Auf Facebook schrieb ein Leser: “Wenn wirklich etwas passiert, werden wir alle sterben.”
Bodo Oehme: “Wir haben immerhin Nachricht bekommen, dass die Sirene in Grünefeld, Paaren im Glien, Perwenitz und Pausin jeweils kurz zu hören war.” Auch aus Dallgow kam die Meldung: Die Sirene war zu hören. Das konnten die Nauener allerdings nicht bestätigen.
Klar ist nach dieser für Deutschland megapeinlichen Nummer: Der drei Jahre lang vorbereitete Warntag, der ab sofort jährlich stattfinden soll, war ein mächtiger Rohrkrepierer. Das Warn-Netz, 30 Jahre lang dem Verfall ausgesetzt, funktionierte nur in rudimentären Ansätzen. Und dass die digitalen Warn-Apps nur vereinzelt Meldung gemacht haben, ist eine digitale Vollkatastrophe. (Text/Foto: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 175 (10/2020).
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