Bundeswehr hilft in Falkensee: Soldaten helfen bei der Corona-Kontaktnachverfolgung!
In Krisenzeiten legen die Soldaten der Bundeswehr die Waffe gern einmal beiseite und greifen stattdessen zum Telefonhörer. Denn reichen die normalen Kräfte vor Ort einmal nicht aus, um eine starke Krise zu bewältigen, so rückt die Bundeswehr an. Das war 1997 so mit der Jahrhundertflut im Oderbruch. Und so ist es jetzt wieder in der Pandemie, wenn es um die koordinierte Einschränkung der Corona-Infektionen geht.
Roger Lewandowski, Landrat vom Havelland: “Unser wirksamstes Mittel zur Verhinderung weiterer Infektionen ist die möglichst lückenlose Nachverfolgung der Kontakte, die uns ein positiv getesteter Havelländer nennen kann, sodass unser Gesundheitsamt eine Quarantäne verhängen kann. Unsere 51 Mitarbeiter aus dem Gesundheitsamt schaffen die Kontaktnachverfolgung nicht mehr allein. Aus diesem Grund unterstützt uns die Bundeswehr. Wir sind sehr dankbar für die Hilfe und freuen uns über diese Unterstützung. 20 Kameradinnen und Kameraden unterstützen uns zurzeit im Havelland. Fünf arbeiten in Rathenow, 15 in Falkensee in den Räumlichkeiten der Volkshochschule.”
Olaf Detlefsen ist Oberst und Kommandeur im Landeskommando Brandenburg – und zuständig dafür, dass in einer Krise bereits alles perfekt für ihre Bewältigung vorbereitet ist. Er koordiniert die Landeshilfe im Katastrophenfall. Dazu gehört auch, dass der Kommandeur schon vorher die Landräte, Bürgermeister und Krisenstäbe kennengelernt hat, sodass man im Ernstfall bereits weiß, wer der Ansprechpartner ist. Er sagt: “Wir sind zurzeit in allen 14 Landkreisen und in den vier kreisfreien Städten aktiv. 250 Soldaten sind seit dem 26. Oktober im Einsatz. 180 von ihnen stammen aus Brandenburg, 70 von außerhalb. Sie alle haben sich freiwillig gemeldet. Für uns gibt es nichts Nobleres, als die eigene Bevölkerung zu schützen. Das passt zu unserem Treueeid, den wir als Soldaten geleistet haben.”
Die Soldatinnen und Soldaten stammen so etwa aus dem Logistikbataillon Beelitz oder von den Berliner Feldjägern. Viele waren vorher bereits an den Flughäfn Tegel und Schönefeld eingesetzt, um beim Testen der Reiserückkehrer zu helfen.
Zugführer Sebastian Riedl koordiniert die Arbeit in Falkensee. Hier sitzen die Soldatinnen und Soldaten am Computer und am Telefon und versuchen, eine lückenlose Kontaktverfolgung zu ermöglichen. Sebastian Riedl: “Das ist mitunter eine echte Detektivarbeit. Wir erhalten einen positiven Corona-Befund vom Arzt oder vom Gesundheitsamt. Oft müssen wir passend dazu einen Namen, ein Geburtsdatum und eine Telefonnummer herausfinden. Anschließend unterhalten wir uns mit den Betroffenen und versuchen, den Infektionsstrang zu verfolgen und zu zerbrechen. Besonders aufmerksam müssen wir sein, wenn es um Kitas, Schulen, Altersheime und Massenunterkünfte geht. Eine Quarantäne sprechen wir nicht selbst aus, das macht das Gesundheitsamt. Mit dem Amt haben wir eine tolle Zusammenarbeit, zwei Mitarbeiterinnen sind auch immer bei uns vor Ort. Die Gespräche am Telefon sind mitunter mitnehmend, manchmal auch belastend. Manchmal dauern sie auch eine Stunde. Manche Ältere sind verzweifelt, weil wir ihr soziales Leben für zwei Wochen einfrieren. Und so manche Mutter fragt sich, was sie in der Quarantäne mit ihren Kindern machen soll. Andere fragen sich, wie sie eine Quarantäne ihrem Arbeitgeber erklären sollen. Klar ist: Du kannst hier keinen ans Telefon setzen, der kein Empathievermögen hat. Wir müssen uns mit den ganz alltäglichen und normalen Problemen der Menschen auseinandersetzen. Wichtig ist auch: Wir melden uns am Telefon nicht mit unserem Dienstgrad. Viele wissen gar nicht, dass sie mit einem Soldaten gesprochen haben. Wir stoßen aber auf sehr viel Verständnis im Havelland. Die Menschen sind gut informiert und wir haben keine Streitgespräche etwa mit Corona-Leugnern.”
Kommandeur Olaf Detlefsen: “Das ist nicht in allen Landkreisen so, da sticht das Havelland schon hervor.”
Angesichts immer noch steigender Infektionszahlen steht natürlich die Frage im Raum, wie lange man das mit der vollständigen Nachverfolgung der Kontakte noch leisten kann. Aus Berlin kommt bereits die Meldung, dass sich schon längst nicht mehr alle Infektionsketten nachvollziehen lassen.
Olaf Detlefsen: “Im Havelland kann ich noch die Aussage treffen, dass wir das mit der Nachverfolgung schaffen. Aber da ist nach oben kaum noch Luft.”
Landrat Roger Lewandowski: “Aus diesem Grund haben wir bereits um weitere Verstärkung gebeten. Es werden also hoffentlich weitere Soldatinnen und Soldaten ins Havelland kommen. Auch aus unserer Landkreisverwaltung sind bereits 40 Mitarbeiter abgestellt, die u.a. die Corona-Hotlines besetzen.”
Olaf Detlefsen: “In zwei Dritteln der Landkreise in Brandenburg kommen wir mit der Kontaktnachverfolgung noch hinterher, in einem Drittel nicht mehr.”
Roger Lewandowski: “Man muss sich da auch die immense Arbeit vor Augen führen, die täglich geleistet wird. So müssen zurzeit etwa tausend Telefonate am Tag geführt werden. Denn alle Infizierten müssen täglich kontaktiert werden.”
Klar ist schon jetzt: Der Einsatz in Falkensee und Rathenow wird nicht auf 2020 beschränkt sein. Olaf Detlefsen: “Unsere Amtshilfe wird über Weihnachten und Neujahr bis ins kommende Frühjahr hinein reichen.”
Was ist aber, wenn die Corona-Fallzahlen weiter steigen und eine Kontaktnachverfolgung irgendwann nicht mehr machbar ist? Olaf Detlefsen: “Wenn es zu einer Strategieumkehr kommt, werden wir auch hier behilflich sein. Alles, was nötig ist, wird gemacht. Und wenn noch einmal 8.000 Streitkräfte vor Ort benötigt werden, dann ist das eben so. Da wird zur Not auch die Grundaufgabe der Bundeswehr ausgesetzt.”
Die Bundeswehr wird die Regierung noch lange auf ihrem Weg begleiten, die Viruspandemie in den Griff zu bekommen. Olaf Detlefsen: “Zumal wir langsam auch ein weiteres Feld aufmachen. Die Bundeswehr wird auch dabei helfen, die Impfstrategie des Landes zu unterstützen. Die Bevölkerung muss geimpft werden. Das Land organisiert das, die Bundeswehr hilft dabei. Dieser Vorgang allein wird mehrere Monate dauern.”
Die Bundeswehr ist übrigens auch wegen einer anderen Aufgabe zurzeit in Brandenburg im Einsatz. So gibt sie Amtshilfe zur Eindämmung der afrikanischen Schweinepest. In Märkisch-Oderland, Spree-Neiße und Oder-Spree sind die Einsatzkräfte seit sechs Wochen unterwegs, um bei der “Fallwildsuche” zu helfen. Dabei werden tote Wildschweine aufgespürt – und getestet. Olaf Detlefsen: “143 tote Schweine wurden auf diese Weise bereits entdeckt und positiv getestet. Bei dieser Amtshilfe sind einhundert Reservisten vor Ort im Einsatz.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 177 (12/2020).
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