Liebe Havelländer: Was lest ihr grad? (Teil 2)
Das ganze Havelland befindet sich im Lockdown. Was kann man da noch anderes machen – als lesen? Wir von „Unser Havelland“ haben einige bekannte Gesichter aus der Region gefragt, welcher Schmöker bei ihnen gerade auf dem Nachttisch liegt. Unsere „Promis“ haben ausführlich geantwortet. Sicherlich ist da für jeden ein passender Tipp mit dabei. Die lokalen Buchläden dürfen geöffnet haben. Hier lassen sich interessante Bücher aus unseren Tipps gern bestellen.
Katrin Kruse liest zurzeit:
Franke & Kunert: Wenn Wattwürmer weinen
Katrin Kruse vom Hofladen Falkensee ist Diplom Agraringenieurin Gartenbau und führt mit ihrem Mann Hans-Peter, den Kindern und dem freundlichen und schlagkräftigen Team vom Hofladen Falkensee den Betrieb aus Landwirtschaft und Direktvermarktung.
Sie sagt: „Ich konnte mich nicht entscheiden und jetzt lese ich parallel die beiden Bücher ‚Wenn Wattwürmer weinen‘ von Franke & Kunert sowie ‚Wächst nicht gibt’s nicht‘ von Wolfgang Hensel.
Zum Krimi: Ich habe ja selbst Wurzeln in Schleswig-Holstein und da ist für mich die Küste natürlich Kult. Aus diesem Grund liebe ich Bücher, die in dieser Region spielen. Wie so oft ist bei einem regionalen Küstenkrimi die richtige Mischung aus Spannung, Humor und Lokalkolorit wichtig – und die gelingt den beiden Autorinnen Christiane Franke und Cornelia Kuhnert ganz besonders gut. Der Wattwürmer-Krimi ist bereits der 8. Band mit einem äußerst skurrilen Ostfriesen-Kulttrio, das hier ermittelt: Lehrerin Rosa, Dorfpolizist Rudi und Postbote Henner müssen herausfinden, wer den Marketingmanager von Neuharlingersiel mit einem Glas Rotwein vergiftet hat – er wurde nämlich tot in einem Strandkorb aufgefunden.
Zum ‚Fachbuch‘ ‚Wächst nicht gibt’s nicht‘, das mir freundlicherweise von meiner Deko-Mitarbeiterin geliehen wurde: Dieses Buch gibt in kurzweiliger Weise ‚Antworten auf die 100 wichtigsten Gartenfragen‘ – und das ist auch für uns, die wir ja vom Fach sind, immer mal wieder mit echten ‚Aha-Erlebnissen‘ verbunden. So geht es im Buch auch um die richtige Düngung der Pflanzen. Bevor man sich fragt, welcher Mist sich besonders gut als Dünger für den Garten eignet, sollte man wissen, dass man einen Dünger niemals frisch, sondern immer erst nach einer Kompostierung auf den Boden ausbringen sollte. Rinder- und Geflügelmist enthält viel Kali, der Geflügelmist zusätzlich noch einen hohen Anteil Phosphor und Spurenelemente. Da lernt man während des Corona-Lockdowns auch im Home-Office noch etwas dazu.“
(Christiane Franke und Cornelia Kuhnert: Wenn Wattwürmer weinen, 288 Seiten, 10 Euro, rororo Verlag 2021)
(Wolfgang Hensel: Wächst nicht gibt’s nicht, 160 Seiten, 12,95 Euro, Kosmos Verlag 2006)
Dr. Inge Schwenger liest zurzeit:
Florian Schwinn – Rettet den Boden!
Dr. Inge Schwenger leitet das Landgut Schönwalde.
Sie schreibt: „Wölfe, Eisbären, Sibirische Tiger, die Könige der Meere – die Wale und unsere Bienen. Welchem Natur-liebenden Mensch geht die Bedrohung dieser Tierarten nicht ans Herz? Bei Asseln und Mistkäfern sieht das sicher ganz anders aus, obwohl gerade sie es sind, die neben Milliarden unterschiedlichster Lebewesen darüber bestimmen werden, ob es weiterhin eine Artenvielfalt geben wird, denn sie entscheiden über die Gesundheit unserer Böden.
Florian Schwinn hat darüber ein packendes Buch geschrieben. Ein Buch über das Universum unter unseren Füßen und dem – neben den Ozeanen – eigentlichen Dreh- und Angelpunkt unserer Existenzgrundlage. Er zeigt, warum Gülleverklappung nichts mit Düngen zu tun hat und was unsere Böden leisten, wenn wir sie einfach mal in Ruhe lassen. Seit über zehn Jahren beschäftige ich mich mit der Frage, was wir dazu beitragen können, da, wo wir leben, entscheidende Schritte für eine Zukunft der nächsten Generationen zu legen. Deshalb hat mich Schwinns Buch so ergriffen und mein Herz gepackt. Lest diesen Natur-Thriller und vielleicht treffen wir uns mal am Tatort – unserem Komposthaufen auf dem Landgut in Schönwalde.
(Florian Schwinn: Rettet den Boden!: Warum wir um das Leben unter unseren Füßen kämpfen müssen, 24 Euro, Westend Verlag 2019)
Marius Miethig liest:
Richard David Precht: WER BIN ICH und wenn ja, wie viele?
Marius Miethig ist aktiv im Jugendforum Falkensee, Schiedsrichterobmann des SV Falkensee-Finkenkrug und Vorstandsmitglied im Förderverein der Lokalen Agenda 21 e.V.
Er sagt: „Ein guter Kumpel von mir reichte mir kurz nach dem Start des Lockdowns diesen echten Kracher von einem Sachbuch mit dem Hinweis, dass ich hier einiges lernen könne. Er sollte Recht behalten.
R. D. Precht, ein nicht unumstrittener Publizist und Philosoph, schafft es, unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse die großen Fragen des Lebens zu beleuchten. Das Buch soll dabei helfen, sich selbst manche Dinge im Leben bewusster zu machen. Dabei unternimmt Precht eine Reise durch die Jahrhunderte und nimmt uns mit zu Persönlichkeiten wie Darwin, Kant, Sokrates, Nietzsche, Descartes und Co. Jedes Kapitel wird durch eine kleine Anekdote eingeleitet. Relativ schnell geht es um die philosophischen Fragen und Ansätze des menschlichen Lebens. Nach jedem gelesenen Abschnitt lässt sich sagen: ‚Wieder was gelernt!‘
Das Buch kann einem helfen, sich selbst und andere Menschen besser zu verstehen, eigene Gefühle besser nachzuvollziehen oder die Gefühle Anderer mehr zu akzeptieren. Mir persönlich haben einige Kapitel in dieser schwammigen Lockdown-Zeit an bestimmten Stellen Halt gegeben, da ich durch einige Erkenntnisse die Dinge etwas anders einordnen konnte. Wer sich für philosophische Themen interessiert, und über die Logik des Menschen (falls es die überhaupt gibt?) nachdenken möchte, sollte diesem Buch meiner Meinung nach eine Chance geben.“
(Richard David Precht: WER BIN ICH und wenn ja, wie viele?, 377 Seiten, 9,99 Euro, Goldmann-Verlag 2007)
Wilhelm Garn liest zurzeit:
Volker Kutscher – Olympia
Wilhelm Garn war bis Dezember 2019 Bürgermeister von Brieselang. Im Ruhestand engagiert er sich stark für den SV Grün-Weiss Brieselang.
Er schreibt uns: „Kriminalromane, die im alten Berlin oder Brandenburg spielen, haben mich schon immer fasziniert. Besonders wenn diese von realer Beschreibung der Örtlichkeiten und realen historischen Ereignissen begleitet werden. In diesem Zusammenhang bin ich schon vor langer Zeit auf den Schriftsteller Volker Kutscher gestoßen. Schon das erste Buch seiner Gereon Rath Serie (Kriminalkommissar in der roten Burg – Hauptquartier der Berliner Polizei), „Der nasse Frosch“, das Ende der 20iger Jahre spielt, hat mich gespannt auf die folgenden Ausgaben warten lassen.
Es ist faszinierend, wie Kutscher das alte Berlin beschreibt, und Straßen, Plätze, Häuser, Restaurants, Tanzcafés, politische Bewegungen wie die zerstrittenen Parteien, die kriminellen Vereinigungen der „Ringvereine“ oder die „schwarze Reichsarmee“ mit historischen Personen in seine Kriminalfälle einbindet. Man erlebt nicht nur die erfundene Krimigeschichte, sondern auch das reale Leben in der Stadt. Seine Bücher spielen in dem zeitlichen Rahmen von 1929 bis 1936. Also in der endenden Weimarer Republik und in den Anfängen des Nationalsozialismus. Sie beschreiben einen Kommissar, der einfach Ermittler sein möchte, aber sich nicht aus der beginnenden grausamen Zeit des Hitlerregimes heraushalten kann. Auch der Konflikt in seiner Familie wird hautnah beschrieben. Seine Frau arbeitet für den Widerstand, sein Sohn ist begeisterter Hitlerjugend-Anhänger und er selbst hat zwar Kontakte zum zwielichtigen Berliner Milieu, möchte sich aber aus den politischen Ebenen heraushalten. Auch wird die politische Entwicklung der „roten Burg“ beschrieben, in der die Nazis so langsam, aber sicher die Kriminalpolizei für ihre politischen Zwecke missbrauchen.
In der Zwischenzeit sind insgesamt acht Bände erschienen. Die letzte Ausgabe „Olympia“ erschien im November 2020 im Piperverlag. In diesem Buch wird dargestellt, wie die Nazis die perfekte Fassade der olympischen Spiele für die Weltöffentlichkeit nutzen. Aber die Fassade bröckelt. Im Olympischen Dorf in Wustermark, in dem auch ein Großteil des Romans spielt, findet an einem amerikanischen Delegierten ein Mord statt. Im Laufe der Ermittlung wird auch dargestellt, wie ein vermeintlicher Kommunist in die Fänge der SS gerät und im KZ Columbia Halle in Berlin-Tempelhof gefoltert wird, um den Kommunisten die Tat in die Schuhe zu schieben.
Rath erkennt die Ungerechtigkeit des Vorgehens der NS-Schergen und versucht gegenzuhalten. Am Ende des Romans flieht er mit dem Zeppelin ‚Graf Hindenburg‘ in die USA. Der Autor lässt den Leser im Nachwort spekulieren, ob dies wohl der letzte Flug nach Lakehurst (6. Mai 1937 – Zeppelin verunglückt bei der Landung) war und Rath umgekommen ist.
Nicht unerwähnt bleiben muss, dass sich die Fernsehreihe „Babylon Berlin“ zwar an die Romanperson anlehnt, inhaltlich aber weit von den Romanen entfernt ist. Die Buchserie ist spannender. Ich habe die 537 Seiten des letzten Romans in einer Woche förmlich verschlungen.“
(Volker Kutscher: Olympia, 537 Seiten, 24 Euro, Piper Verlag, Nov. 2020)
Sven Steller liest zurzeit:
Frank Bresching – Briefe von Toni
Sven Steller ist der 1. Vorsitzende im SV Falkensee-Finkenkrug e.V. Für die CDU sitzt er in der Falkenseer Stadtverordnetenversammlung.
Er schreibt: „Durch Zufall habe ich vor längerer Zeit einen Thriller von Frank Bresching gelesen, der durch und durch unterhaltsam war. Ich war vor allem deswegen so begeistert, weil ich emotional in die Erzählungen eintauchen konnte und die Stories sehr spannend waren.
Nun lässt uns der Autor in seinem Buch „Briefe von Toni“ die Geschichte der Berliner Kriegsjahre hautnah miterleben. Das ist etwas komplett anderes als die bisherigen Thriller. Trotzdem fühlt man sich mittendrin und kann fast spüren, wie es vor einigen Jahrzehnten im Luftschutzkeller und an den anderen Kriegsschauplätzen zuging. Das ist ein absolut mitreißender Roman über eine Zeit, die zwar sehr viel Trauer und Leid, aber auch Liebe, Hoffnung und Sehnsucht brachte.
Schauplatz ist das Berlin in den 40er Jahren. Es ist die Geschichte von Hans, die auch aus seiner Sicht erzählt wird. Es wird berichtet, wie er mit seinen Eltern den Kriegsbeginn erlebt und bereits in den frühen Kriegswochen seinen Vater verliert. Dann lernt er seine erste Liebe Maria kennen – im Luftschutzkeller. Maria ist ganz anders als er, genau das macht sie für ihn so interessant. Er ist aber nicht alleine fasziniert von ihr. Maria scheint ein Mensch zu sein, der es schafft, alle in ihrem Umfeld zu fesseln.
Neben Hans und Marias Liebesgeschichte mit vielen aufregenden Ereignissen in den Kriegswirren lernen wir die blinde Ilse kennen, die mit ihrer Zwillingsschwester im gleichen Haus lebt. Sie sucht ebenfalls Schutz im Keller und bittet Maria, ihr die Briefe ihres Mannes Toni vorzulesen, der von der Front schreibt.
Maria scheint nicht einfach nur vorzulesen, sie lässt die Briefe leben. Diese Gabe ruft auch die Nachbarn auf den Plan und Maria liest auf ihre besondere Weise die Frontbriefe für viele Familien vor.
Aber Maria liest nicht nur die tatsächlichen Briefe vor, einige Briefe von Toni hat sie selbst geschrieben.
Und auch die Liebesgeschichte von Hans und Maria erlebt ein dramatisches Auf und Ab.
Übrigens findet sogar ein uns wohl bekannter Ort namens Falkensee in dem Buch Erwähnung.“
(Frank Bresching: Briefe von Toni, 320 Seiten, 20 Euro, Osburg Verlag 2020)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 180 (3/2021).
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