Hexenhaus-Streit: Der Baumpark Hexenhaus Falkensee stößt auf Widerstand!
Vor einem Jahr stellten Dr. Lothar Hardt und Edmund Becker den Stadtverordneten von Falkensee ihre Idee von einem ganz anderen Leben rund ums Hexenhaus vor. Geplant ist es, elf Häuser auf Stelzen so im Hexenwald zu errichten, dass kein einziger Baum weichen muss. Der “Baumpark Hexenhaus” soll ökologisches Neuland betreten und zugleich eine komplett neue Form des Zusammenlebens ermöglichen. Am 8. März stellte das Team den Stadtverordneten den aktuellen Status der Planungen vor – und stieß plötzlich auf deutliche Ablehnung.
Das über hundert Jahre alte Hexenhaus, aus kompletten Eichenstämmen mit Rinde erbaut, ist ein Vorzeigeobjekt in Falkensee. Vor gar nicht so langer Zeit hat Edmund Becker hier noch gekocht und Gäste auch aus fernen Landen mit seiner deutsch-französischen Fusionsküche beglückt.
Das Essen kommt heute aus dem Foodtruck, der im Garten des Hexenhauses steht. Viele Falkenseer fragen sich, was das Hexenhaus nun wohl für eine Zukunft hat. Wird es verkauft? Verfällt es mit der Zeit?
Der Besitzer Dr. Lothar Hardt hat andere Pläne. An ihnen schraubt er schon seit geraumer Zeit zusammen mit Edmund Becker, dem Berliner Architekten Daniel Dendra und vielen weiteren Spezialisten aus der ganzen Welt.
Was diesen Köpfen vorschwebt, lässt sich unter dem Titel “Baumpark Hexenhaus” zusammenfassen. Edmund Becker: “Unser Hexenwald soll die Heimat werden für neue Bewohner, die sich auf ein modernes Öko-Wohnexperiment einlassen, das es so in Deutschland und Europa bislang noch nicht gegeben hat. Auf dem 9.000 Quadratmeter großen Grundstück, das zum Hexenhaus gehört, sollen 18 Wohneinheiten in elf Häusern entstehen. Diese Häuser, die komplett aus Holz gebaut werden, sollen sich harmonisch in den Hexenwald einfügen. Sie stehen auf Holzstelzen, sodass der Boden nicht versiegelt oder beschädigt wird. Auch die ganzen Zuwegungen werden über schwebende Holzstege ermöglicht. Unter diesen Stegen verlaufen überirdisch alle Strom-, Wasser- oder sonstigen Leitungen, sodass wir nicht in den Boden eingreifen müssen. Alle 98 Bäume, die nach der Beseitigung der Sturmschäden auf dem Grundstück stehen, sind von uns nummeriert worden und bleiben erhalten. Die Häuser passen sich an den Baumbestand an – nicht umgekehrt.”
Mögliche Besitzer eines solchen “Baumhauses” müssen sich freilich im Klaren darüber sein, dass sie Teil eines komplett neuen Wohnstils werden. Es gibt keinen Garten mehr, das 9.000 Quadratmeter große Wäldchen würde allen Bewohnern gemeinsam gehören, sodass eine große grüne WG entsteht. Auf dem Gelände soll es gemeinsam nutzbare Kräuterbeete und Anpflanzungen geben. Wer trotzdem einen Garten anlegen möchte, kann dies in luftiger Höhe auf seiner Dachterrasse machen.
Edmund Becker: “Ich stelle mir spielende Kinder vor, für die das ganze Gelände ein einziger großer Abenteuerspielplatz ist – und auf dem sie hier eine Tomate vom Strauch pflücken und dort frische Minze von einem Strauch ziehen können. Vor Autos brauchen sie auf dem Gelände keine Angst zu haben, weil wir die Parkplätze alle an den Rand des Grundstücks verlagern.”
Das Hexenhaus würde bei diesem Gedankenkonstrukt in den Besitz aller Anwohner übergehen. Sie könnten es zum Feiern, zum Arbeiten, zum Kochen oder für Veranstaltungen aller Art nutzen, es aber auch an Dritte vermieten.
Dr. Lothar Hardt ist bei der Umsetzung solcher Projekte bereits ein Profi. In Caputh hat er so etwa das „Blütenviertel“ entwickelt.
Viel Gehirnschmalz wurde in den letzten zwölf Monaten investiert, um die Pläne zu verfeinern und zu ergänzen. Architekt Daniel Dendra: “Wir planen nun auch einen Swimming Pool, einen Zen Garten mit Pagoge, einen Spielplatz, einen Platz für Außenaktivitäten, ein Wildwiesen-Biotop mit 20 Bienenvölkern, eine eigene Energiegewinnung und eine natürliche Schilf-Kläranlage für das Grauwasser ein. Auch haben wir bei der Detailplanung große Fortschritte gemacht.”
Am 8. März wurde der aktuelle Status Quo des Projekts dem Stadtentwicklungsausschuss der Stadt Falkensee vorgestellt. Denn ganz so einfach lässt sich das Projekt “Baumpark Hexenhaus” bislang noch nicht umsetzen: Das Areal wird zurzeit noch als “Wald” geführt. Um hier Häuser errichten zu dürfen, muss der Bebauungsplan angefasst und geändert werden. Das geht aber nur, wenn eine Fraktion einen entsprechenden Antrag in die SVV einbringt und mehr Mitglieder dann dafür stimmen als dagegen.
Bedenken bei den Stadtverordneten: Fast geschlossene Ablehnung
Konnte das Projektteam im vergangenen Jahr noch wohlwollendes Interesse bei den Stadtverordneten wahrnehmen, so kam es Edmund Becker beim erneuten Besuch “so vor, als würden wir gegen eine Eiswand laufen”.
Deutlicher Protest artikulierte sich bereits im Vorfeld des Stadtentwicklungsausschusses. Bei der Einwohnerfragestunde formierten sich mehrere aufgebrachte Nachbarn und Anwohner. Sie monierten, dass Ende Februar Aufräumarbeiten auf dem Hexenwald-Grundstück durchgeführt wurden. Dabei sei der Untergrund im Wäldchen mit schwerem Gerät zusammengeschoben worden, um Strauchwerk und letzte Sturmschäden zu beseitigen. Edmund Becker: “Das haben wir extra vor dem 1. März und damit vor dem Beginn der Vegetationsperiode gemacht. Der Förster ist auch hinzugezogen worden und hat bekundet, dass wir keine verbotenen Handlungen vorgenommen haben.”
Die Stadtverordneten waren aber nicht zwingend freundlicher gestimmt als die Nachbarn im Zuschauerbereich. Sie mutmaßten, dass mit dem Aufräumen Fakten geschaffen werden sollen, um die Stadtverordneten so zum Handeln zu erpressen.
Juliane Kühnemund von den Grünen bemängelte, dass mit der Aktion Biotope vernichtet wurden, “obwohl wir gar nicht wissen, ob dort jemals gebaut wird.” Sie bemängelte auch, dass es nicht erlaubt sei, unter Bäumen zu bauen. In der Folge müssten die Bäume so lange zurückgeschnitten werden, “bis sie nicht mehr verkehrssicher sind.” Sie glaubte auch nicht daran, dass sich Versorgungsleitungen frostsicher unter den Stegen entlangführen lassen. Und argwöhnte, dass 20 Bienenvölker nicht genug Nahrung in der Nachbarschaft finden, sodass sie aggressiv werden und bei Parfumduft vielleicht die Nachbarn stechen. Es kam in der Diskussion auch das böse Wort vom “Green Washing” auf. Damit wurde angedeutet, dass schöne grüne Floskeln nur davon ablenken, das am Ende ein maximaler Profit aus dem Projekt abgeschöpft wird: “Dem können wir so nicht zustimmen.”
Dr. Burkhard Schröder von der SPD sah “das Projekt äußerst kritisch”. Er erinnerte zwar daran, dass es sich bei dem Grundstück historisch gesehen um ein parkähnliches Areal handeln würde, das letztendlich nur verwaldet sei. Allerdings wich ihm das Projekt zu weit von der typischen Lebensweise der Nachbarn in der Umgebung ab. “Glauben Sie ernsthaft daran?”, fragte der ehemalige Landrat. Und stellte dabei den Mut der zukünftigen Bewohner des Baumparks in Frage, sich auf eine komplett andere Lebensweise einzulassen. Am Ende fragte er: “Was ist der Vorteil für die Stadt? Ich hätte lieber siedlungstypisch etwas, das allen Falkenseern etwas bringt.”
Dr. Lara Steup sagte als Sachkundige Einwohnerin: “Ich finde gut, dass es mal nicht um das Einfamilienhaus mit Garten drumherum geht. In baukultureller Hinsicht ist das etwas, das Falkensee gut gebrauchen kann.”
Und Thomas Lenkitsch sagte in gleicher Funktion: “Das gastronomische Konzept hat im Hexenhaus anscheinend nicht funktioniert. Wenn wir das Hexenhaus dauerhaft in einer WG sichern können, ist das ein Vorteil. Der Wald allein wird das Hexenhaus nicht finanzieren”.
Die Stadtverordneten ließen sich nicht umstimmen. Sie äußerten sich fast geschlossen gegen das Projekt. Nur Sven Steller von der CDU brach am Ende noch eine kleine Lanze: “Das Projekt ist erstmal spannend und sehr interessant. Natürlich sind noch viele Fragen offen, die Investor und Architekt nun beantworten müssen. Schade wäre es, das sofort völlig zu zerreden.”
Thomas Zylla, Baudezernent der Stadt, zeigte sich emotional: “Bevor wir an eine inhaltliche Prüfung gehen, müssen wir uns die städtebauliche Zielsetzung ansehen. Es ist doch zunächst wichtig zu klären, OB ein solches Projekt überhaupt möglich wäre. Das INSEC möchte doch genau das Gegenteil erreichen: Solche Flächen mit einer besonderen Qualität sollen erhalten werden, bevor sie unwiederbringlich verloren sind.”
Klarer Fall: Da bläst dem Projekt viel Gegenwind entgegen. Edmund Becker nutzte trotzdem die Gelegenheit, alle Nachbarn zum Gespräch einzuladen: “Wir halten an dem Projekt fest – auch, um das Hexenhaus für Falkensee zu bewahren”. Die Fraktionen nahmen sich derweil vor, das Projekt noch einmal parteiintern zu besprechen. (Text: CS / Grafiken: Baumpark Hexenhaus)
Redaktioneller Kommentar zum Baumpark:
Einfach einmal mutig sein!
Zurzeit wird Falkensee unfassbar stark verdichtet. Vor allem im Zentrum wird gleich an mehreren Stellen gebaut, was das Zeug hält. Wir reden hier von gewaltigen Bettenburgen, oft mehrere Stockwerke hoch, die neuen Wohnraum schaffen. Viele Falkenseer sehen an dieser Stelle den idyllischen Charakter ihrer Gartenstadt auf dem Spiel.
Nun gibt es mit dem “Baumpark Hexenhaus” eine echte Alternative zu den 08/15-Betonbauten. Geplant wird in Finkenkrug ein nicht nur innovatives, sondern regelrecht visionäres Wohnprojekt, das sich harmonisch in die bestehende Natur einfügt und versucht, mit ihr im Einklang zu leben. Holzhäuser, die auf Stelzen stehen, und die nur über schwebende Stege zu erreichen sind. Private Gärten, die auf der Dachterrasse untergebracht sind. Dem gegenüber steht ein riesiges Grundstück, das allen Bewohnern gleichermaßen gehört, sodass eine große, grüne WG entsteht. Kräutergärten, Bienenvölker, das kultige Hexenhaus als Gemeinschaftshaus – das alles klingt erst einmal sehr faszinierend.
Ich habe da ein architektonisches Wunder vor meinem inneren Auge, ein grünes Vorzeigeprojekt, ja sogar ein soziales Wohnexperiment.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass Falkensee in 20 Jahren nur deswegen von Touristen aus aller Welt besucht wird, damit diese das wagemutige “Baumhaus-Viertel” besichtigen können. Gaudi wurde in Barcelona sicherlich auch zu Beginn mit Ablehnung konfrontiert.
Natürlich gibt es Argumente gegen das Projekt, viele haben wir im Artikel gelesen. Ich wünschte mir aber trotz aller Bedenken sehr, dass alle Parteien in der Stadtverordnetenversammlung das Projekt nicht sofort vom Tisch fegen, sondern sich stattdessen aktiv in einen Diskussionsprozess einbringen. Vielleicht kann man ja einfach einmal mutig sein! Und nicht immer nur Bedenkenträger.
Und: Die aktuellen Besitzer des Grundstücks rund ums Hexenhaus sind seit vielen Jahren im Ort aktiv und den Bewohnern der Gartenstadt wohlbekannt – es sind keine fremden Investoren und keine Großkonzerne. Sie verdienen es, dass man ihrer Idee eine Chance gibt. (Carsten Scheibe)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 181 (4/2021).
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