Bienenkunde in der Döberitzer Heide: Dr. Hannes Petrischak kennt sich mit den Wildbienen aus!
Dr. Hannes Petrischak (47) leitet seit 2016 den Geschäftsbereich Naturschutz in der Heinz Sielmann Stiftung. Wenn die Sonne scheint und etwas Zeit ist, schnappt er sich seine Kamera und spürt den Tieren in der Döberitzer Heide nach. Vor allem die Wildbienen haben es dem Biologen angetan. Sein Buch “Welche Wildbiene ist das?” ist gerade als Naturführer im Kosmos-Verlag erschienen. Es stellt 100 Wildbienenarten in Wort und Bild vor.
Es macht viel Spaß, mit Dr. Hannes Petrischak durch die Döberitzer Heide zu spazieren. Hier kümmert sich die Heinz Sielmann Stiftung seit einigen Jahren darum, die kargen Offenlandschaften des ehemaligen Truppenübungsplatzes zu erhalten, weil hier zahllose Tier- und Pflanzenarten anzutreffen sind, die bereits auf der Roten Liste stehen und vom Aussterben bedroht sind.
Hannes Petrischak: “Jetzt, da die Panzer nicht mehr über den Sandboden rollen, wachsen die Landschaften wieder zu. Das möchten wir verhindern. Wir haben im Winter zahlreiche kleinere Bäume entfernen lassen, außerdem auch sehr viel Buschwerk – etwa den Ginster. Ansonsten verdrängt die aufschießende Vegetation die Heide. Und dann finden etwa die Heidekraut-Sandbiene oder die Heidekraut-Seidenbiene keinen Nektar mehr.”
Anfang März erwacht die sechs- und achtbeinige Tierwelt langsam wieder in der Sielmanns Naturlandschaft “Döberitzer Heide”. Hannes Petrischak: “Ich hoffe jetzt bei den ersten Schmetterlingen des Jahres den Trauermantel und den Großen Fuchs zu sehen. Bei den Spinnen sind die Körbchenspinne und die Heidelaufspinne sehr früh auf den Beinen. Und auch der für die Heide typische Stierkäfer wird nun aktiv. Das ist ein Mistkäfer mit Hörnern. Bei den Wildbienen ist die Frühlingsseidenbiene jetzt zu finden. Man sieht oft am Wegesrand, wie die Männchen auf die frisch geschlüpften Weibchen warten, um sich sofort mit ihnen zu paaren.”
Man merkt es schon: Immer wieder kommen die Wildbienen zur Sprache. Wer mehr wissen möchte, schlägt den frisch veröffentlichten Kosmos-Naturführer “Welche Wildbiene ist das?” (15 Euro, Kosmos Verlag) auf. Autor Dr. Hannes Petrischak: “Es gibt mehr als 570 Wildbienen-Arten in Deutschland. Im Gegensatz zur Honigbiene leben sie solitär, bilden also keine Staaten. Oft deponieren die Weibchen eingesammelten Pollen in Gängen, die sie im Sand buddeln, im Mauerwerk anlegen oder in hohlen Pflanzenstängeln vorfinden. Auf dieser Nahrungsreserve wird ein Ei abgelegt, anschließend wird die Höhle verschlossen. Manche dieser Wildbienenarten sind auf einzelne Pflanzengattungen spezialisiert und unbedingt von diesen Pflanzen abhängig. Verschwinden die Pflanzen, verschwinden auch die Bienen. Auch sehr faszinierend: Es gibt hochgradig spezialisierte Kuckucksbienen, die ihre Eier in die Höhlen ganz bestimmter Wildbienenarten schmuggeln.”
In seinem Buch stellt der Biologe einhundert Wildbienenarten mit selbstgeschossenen Makroaufnahmen und einem informativen Steckbrief vor: “Ich habe gezielt Wildbienen ausgewählt, die häufig und auffällig sind, sodass man sie leicht erkennen und auch unterscheiden kann. Ich habe aber auch seltene Wildbienen wie etwa die vom Aussterben bedrohte Mohnbiene aufgenommen. Wenn wir diese seltenen Arten nicht mehr berücksichtigen, fällt es später nicht mehr auf, wenn sie irgendwann nicht mehr da sind.”
Die Liebe zu Insekten und Spinnen begleitet den Wissenschaftler schon von Anfang an. Dr. Hannes Petrischak: “Die Natur hat mich schon immer interessiert, ich habe bereits als Kind unter jeden Stein geschaut, um herauszufinden, was dort lebt. Ich wollte dann auch unbedingt wissen, was das Tier für einen Namen hat. Schon damals haben mich auch ökologische Fragen interessiert: Wie finden die Tiere ihre Partner? Warum verhalten sie sich auf eine bestimmte Art und Weise? Als Kind habe ich vor allem Raupen gesammelt und sie bis zum Schmetterling aufgezogen. Es gab bei uns in der Familie immer ein Terrarium mit Raupen auf der Fensterbank – nicht gerade zur Freude meiner Schwester.”
Dr. Hannes Petrischak nahm das Interesse an den Kerbtieren mit ins Studium. An der Uni Kiel fertigte er seine Diplomarbeit über das Leben der Wasserschmetterlinge an. Die Raupen dieser Tiere leben zeitweise unter Wasser. Für seine Doktorarbeit reiste der Biologe nach Costa Rica, um vor Ort Tagfaltern nachzuspüren, die durch Windwurf entstehende Lichtungen im Regenwald besiedeln: “Schmetterlinge sind meine Lieblingstiere.”
Insektenhilfe im eigenen Garten
Dass es in Deutschland zu einem drastischen Insektenschwund gekommen ist, bereitet auch Dr. Hannes Petrischak große Sorgen: “Das ist ja wissenschaftlich erwiesen, das beruht auch auf Zählungen in den Naturschutzgebieten. Nur ein Beispiel: Es gibt Raupen, die sterben an Durchfall, wenn sie sich von Pflanzen ernähren, die auf überdüngten Böden stehen – weil sie den vielen Stickstoff nicht vertragen können. Und viele Giftstoffe werden von den Feldern auch in die Naturschutzgebiete getragen. Wir müssen unsere ganze Art zu leben dringend ändern. Das beginnt bei einer ökologisch fundierten Landwirtschaft und hört bei realistisch kalkulierten Preisen im Lebensmittelhandel noch lange nicht auf. Das Zeitfenster für das Anziehen der Stellschrauben schließt sich. Bald ist es zu spät, um in Sachen Klima noch etwas zu ändern, dann verstärken sich die Effekte immer mehr. Und am Ende zahlen wir einen deutlich höheren Preis, wenn es darum geht, die durch den Klimawandel und das Artensterben hervorgerufenen Naturkatastrophen in den Griff zu bekommen.”
Was kann der kleine Bürger beisteuern, um den Insekten etwas Gutes zu tun? Hannes Petrischak: “Die Totalversiegelung vieler Vorgärten ist ein riesiges Problem. Zum Glück entwickeln immer mehr Gartenbesitzer eine Sensibilität für die Natur. Viele haben ja bereits eine Nisthilfe im Garten für die Wildbienen und für andere Insekten aufgestellt – das sogenannte Insektenhotel. Die Nisthilfen müssen übrigens auf der Sonnenseite des Hauses aufgestellt werden, damit sie besiedelt werden – also auf der Südseite. Und es hilft, wenn der eigene Rasen nicht ganz so häufig gemäht wird. Nur so bilden sich Blüten, die von den Wildbienen auch angeflogen werden. In diesem Zusammenhang weise ich gern darauf hin, dass sich eine genaue Beschäftigung mit dem Verhalten der Tiere sehr lohnt: Man muss nur wissen, worauf man achten muss, dann entdeckt man viele spannende Details und kann die Arten gezielter schützen.”
In der Döberitzer Heide gibt es zurzeit einen enormen Besucherdruck – durch Corona. Viele Besucher verlassen leider die Wege und schlagen sich querfeldein durch die Heide. Dr. Hannes Petrischak: “Das ist nicht nur sehr gefährlich, weil diese Stellen noch nicht munitionsberäumt sind. Oft sehe ich dann Besucher auf den Bunkerruinen herumklettern, wo der Wiedehopf und der seltene Steinschmätzer brüten. Das gefährdet alles. Wir bitten deswegen, die Wege nicht zu verlassen.” (Text/Fotos: CS)
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Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 181 (4/2021).
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