Fahrt endet hier: Uwe Timreck aus Nauen fuhr 12.964 Tage lang Bus – jetzt ist er im Ruhestand!
Der letzte macht das Licht aus und schließt den Bus ab: Am 28. Mai war es für den Nauener Busfahrer Uwe Timreck (63) so weit. Nach 12.964 Tagen im Dienst fuhr er um 17:02 Uhr zum allerletzten Mal mit seinem Bus vor dem Nauener Bahnhof vor. Eine große Entourage aus Familie, Freunden, Berufskollegen und Fußballern geleitete den beliebten Busfahrer mit Bier, Spruchbändern und Pyrotechnik in den verdienten Ruhestand.
Damit hatte der Busfahrer Uwe Timreck ganz bestimmt nicht gerechnet. Am 28. Mai hätte man glauben können, dass am Nauener Bahnhof gerade ein wichtiges Fußballspiel zuende gegangen war: Weiße und blaue Nebeltöpfe sowie rote Bengalos tauchten das Gelände in bunten Rauch.
Und das auf seiner letzten Fahrt! Als sich Uwe Timreck mit seinem Bus ganz vorsichtig durch den menschengemachten Nebel geschoben hatte, endete sein Weg direkt vor einem vier Meter breiten Spruchband.
Und das hatten keine Fremden gestaltet, sondern die eigenen Familienmitglieder. „Endstation“ war hier zu lesen – und selten stand mehr Wahrheit auf einer Rolle Papier. Das hatten übrigens die Enkelkinder Lukas (12) und Laura (7) für den Opa bemalt.
Sohn André Timreck (38): „Seit dem 2. Dezember 1985 ist mein Vater Busfahrer – mit Herz und aus Leidenschaft. Nach 12.964 Arbeitstagen fuhr er am 28. Mai seine allerletzte Tour auf der Havelbus-Linie 650 – beginnend um 12:06 Uhr von Nauen über Ketzin nach Potsdam und wieder zurück. Jetzt wartet der Ruhestand auf ihn.“
Vor der Zieleinfahrt: Alle warten auf Uwe Timreck
Zunächst warteten aber gut fünfzig Leute auf den scheidenden Busfahrer. Darunter die ganze Familie, aber auch viele Freunde, viele Kollegen von Havelbus sowie etliche Sportler vom Freizeitsportverein „Bolzplatzpiraten“. Der Verein wurde 1998 in Nauen gegründet und hatte in seinen besten Zeiten bis zu 150 Mitglieder. Heute sind es noch etwa 80 Spieler.
Sven Schmidt (35), ehemaliger Präsident der „Bolzplatzpiraten“, war mit seinen Jungs ganz selbstverständlich beim Abschied mit dabei: „Uwe hat uns oft zu unseren Turnieren gefahren – nach Paaren und nach Ludwigsfelde. Den Bus haben wir immer von HavelBus gemietet, aber gefahren ist Uwe immer kostenfrei für uns. Wir haben für ihn den Hut rumgehen lassen, so hat das gut geklappt. Auf Uwe war immer Verlass, wir sind gern mit ihm gefahren. Seine Söhne haben ja auch bei uns im Verein gespielt, da kannte man sich bereits seit Jahrzehnten. Uwe ist ein cooler Typ, wir haben oft mal einen zusammen getrunken.“
Auch die Kollegen erinnerten sich vor Ort gern an die Zeit mit dem scheidenden Busfahrer. Jens Hannemann (49) ist selbst seit 33 Jahren dabei. Er sagte: „Uwe war immer ein Pfundskollege. Wenn die Arbeit getan war, konnten wir auch immer toll zusammen feiern.“
Dietmar Tygör (59), seit 1983 als Busfahrer mit dabei, dachte in einer ganz anderen Hinsicht gern zurück: „Die Zeiten haben sich geändert. Vor zehn Jahren war es noch deutlich leerer auf der Straße. Das hat es uns Busfahrern deutlich einfacher gemacht als heute.“ Und: „Damals gab es noch mehr Respekt gegenüber uns Fahrern. Da fehlt heute so einiges“
So mancher Havelbus-Kollege konnte sich sogar noch an die Zeit vor der Wende erinnern, so etwa Siegbert Jaenisch (59): „Wir von der alten Garde, wir sind ja damals noch die Ikarus-280-Busse gefahren, die alten DDR-Fahrzeuge.“ Damals waren die Busfahrer für den „VEB Kraftverkehr Potsdam Betriebsteil Nauen“ auf den Straßen unterwegs gewesen.
Gibt es für die alten Haudegen so etwas wie die absolute Katastrophe unter den Fahrgästen? Da lachten sie alle, die auf Uwe Timreck wartenden Kollegen: „40 andere Busfahrer von A nach B kutschieren, das wäre ein echter Alptraum. Jeder würde es besser wissen und meckern.“
Eine, die Uwe Timreck sicherlich besser kennt als jeder andere, das ist seine Frau Regine (63). Hat sie in all den Jahren denn nie Angst um ihren Mann gehabt? Regine Timreck: „Angst hatte ich eigentlich nie. Höchstens mal im Winter, wenn es Glatteis gab. Uwe hat aber auch immer viel erzählt, wenn er nach Hause gekommen ist. Wenn Fahrgäste mal wieder zu kess waren, dann hat er sich Zuhause Luft gemacht. Vor allem dann, wenn er geschimpft wurde, weil er eine Minute zu spät an der Haltestelle vorgefahren ist. Da konnte er ja nichts dafür, wenn er vorher im Stau gestanden hatte.“
Die Ehefrau hatte angesichts der gewaltigen Überraschung am Zielpunkt der letzten Fahrt ihres Mannes schon so eine gewisse Vorahnung: „Ich denke, ihm werden spontan die Tränen kommen, er wird bestimmt sehr gerührt sein.“
Uwe Timreck: „Jetzt wartet der Garten auf mich!“
Busfahrer Uwe Timreck fuhr am Bahnhof Nauen in Schritttempo in eine Nebelwand hinein, die sich just im richtigen Moment teilte, um einen klaren Blick auf Familie, Freunde und Kollegen preiszugeben.
Uwe Timreck: „Das war eine tolle Überraschung, da war ich baff, damit hatte ich nicht gerechnet. Aber – einmal im Leben reicht so ein Schreck auch.“ Was steht nun an im Ruhestand? Uwe Timreck: „Die Enkel, das Haus und der Garten.“
Vorher lud der Busfahrer aber alle Überraschungsgäste noch in seinen Bus ein – zu einer allerletzten Sonderfahrt einmal um Nauen herum: Ein würdiger Abschied.
Auch auf Facebook sorgte die Nachricht vom Ruhestand des Busfahrers für nostalgische Gedanken unter ehemaligen Fahrgästen. Madeleine Tissat: „Herr Timreck war tatsächlich einer meiner Lieblings-Busfahrer. Ein wirklich sehr netter Herr, er hat einen auch nicht an der Haltestelle stehen lassen, wenn man mal sein Schüler-Ticket vergessen hatte!“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 184 (7/2021).
Aus dem Privatalbum der Familie:
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