Landgut Schönwalde: Erst Pilze sammeln, dann Pilze essen!
In der Herbstzeit freuen sich viele Havelländer über Regen, denn anschließend wachsen die Pilze! Mit Messer und Körbchen geht es dann gleich wieder in die Wälder. Doch welche Pilze kann man essen und welche sollte man lieber stehen lassen? Werner Malchow ist Pilzsachverständiger und kennt sich aus. Er führte im September wieder eine Gruppe Pilzinteressierter durch den Wald. Anschließend gab es einen Kochkurs im Landgut Schönwalde.
Dr. Inge Schwenger liebt die Natur. Auf ihrem Landgut Schönwalde freut sie sich über die vielen Champignons, die auf dem Reitplatz wachsen. Und sie würde gern wissen, wie die Pilze heißen, die im Wald und auf der Flur rings um das Landgut sprießen. Diese Neugierde führte sie zum Pilzsachverständigen Werner Malchow aus Brieselang. Er ist einer von drei Sachverständigen im Havelland und gehört dem Brandenburgischen Landesverband der Pilzsachverständigen e.V. (www.blp-ev.de) an.
Bereits im letzten Jahr startete eine Handvoll Pilzfreude vom Landgut (www.daslandgut.de) aus zu einer Exkursion in die Wälder, um die sprießenden Pilze einmal mit Expertenaugen zu begutachten. An die gemeinsame Sammeltour schloß sich ein Pilzkochkurs in der Landgutküche an.
Inge Schwenger: “Diese Veranstaltung kam so gut an, dass wir sie in diesem Jahr noch einmal wiederholt haben. Erneut haben etwa ein Dutzend Interessierter die einmalige Gelegenheit genutzt, mit dem wandelnden Pilzlexikon Werner Malchow und seiner nicht minder bewanderten Frau Elke einen Spaziergang der besonderen Art zu unternehmen.”
Am 17. September fanden sich die Exkursionsteilnehmer auf dem Landgut ein – allesamt ausgestattet mit einem luftigen Körbchen, um gemeinsam essbare Pilze zu sammeln.
Werner Malchow drosselte die Erwartungshaltung gleich etwas: “Es gibt über 5.000 Pilze in Deutschland. In meinem Pilzbuch stehen etwa 1.200. Wenn ich davon 120 kenne, bin ich schon gut. Aber natürlich sind wir allesamt vor allem Kochtopf-Mykologen. Wir konzentrieren uns natürlich auf die Pilze, die man auch essen kann. Als Pilzexperte ist es dabei unsere wichtigste Aufgabe, dass die Leute den Grünen Knollenblätterpilz nicht mit dem Champignon verwechseln und an ihm sterben. Inzwischen gibt es zwar ein neues Medikament. Aber noch immer sterben bis zu 30 Prozent der vergifteten Menschen am Knollenblätterpilz. Er zerstört die Leber.”
Viele Kursteilnehmer hatten eine Pilzbestimmungsapp dabei. Die macht ein Foto vom Pilz und spuckt sofort einen Namen aus. Werner Malchow: “Hier muss man immer vorsichtig sein. Denn oft kann die App nicht alle Merkmale vom Pilz erfassen. Schneidet man ihn ab, sieht man vielleicht die knollenförmige Wurzel nicht. Und mitunter ist ein für die Bestimmung wichtiger Ring bereits abgefallen.”
Früher gab es andere Methoden als App und Pilzbuch, um einen giftigen Pilz zu bestimmen. Werner Malchow: “Damals haben die Leute eine Zwiebel oder einen Silberlöffel mitgekocht. Und wenn die schwarz wurden, war wohl ein giftiger Pilz im Essen. Diese Methode hat natürlich nicht wirklich funktioniert. Wichtig ist es immer, nur die Pilze mitzunehmen, die man wirklich kennt. Ein guter Merksatz ist, dass man eigentlich alle Röhrenpilze mit einem Schwammgewebe statt Lamellen essen kann. Giftig ist hier nur der Satansröhrling, der in unserer Region noch nicht gesichtet wurde. Der dem Steinpilz ähnliche Gallenröhrling verdirbt ein Essen geschmacklich, ist aber nicht giftig.”
Der Experte wies auch auf einen neuen Pilz in Brandenburg hin: “Die Falsche Rotkappe wurde erstmals in der Lausitz nachgewiesen. Das ist ein eingewanderter Pilz, der sich vielleicht durch den Klimawandel neue Gebiete erschließt. Der Name des Pilzes leuchtet mir allerdings nicht so sehr ein, denn er ähnelt eher einem Steinpilz oder einer Marone. Er ist essbar, aber es gibt noch keine Langzeiterkenntnisse. Den Butterpilz hat man früher auch gegessen. Er hat aber Allergene und wenn man zu viele davon isst, kommt man mitunter vom Klo nicht mehr herunter.”
Unterwegs fanden die Pilzsucher auch Hexenringe mit dem leckeren Suppenpilz Nelkenschwindling, sammelten den Schafschampignon ein, entdeckten Riesenboviste, schlugen den Violetten Lacktrichterling im Pilzbuch nach und bissen probeweise in den nach Hering duftenden Roten Heringstäubling. Auch der Fuchsige Scheidenstreifling und der Perlpilz konnten entdeckt werden.
Werner Malchow warnte vor dem Pantherpilz: “Dieser Pilz verursacht Halluzinationen. Die Betroffenen leiden unter Tobsuchtsanfällen, verlieren alle Hemmungen, werden anzüglich und fallen dann in einen todesähnlichen Schlaf. Und wenn sie wieder aufwachen, haben sie alles vergessen.”
Vor der Abgabe der eingesammelten Pilze in der Landgut-Küche schaute sich der Pilzexperte vor allem die Champignons noch einmal ganz genau an: “Es gibt nämlich einen giftigen Champignon, den Karbolpilz. Er riecht nach Phenol wie im Krankenhaus, der Geruch verliert sich auch beim Kochen nicht, Und wenn man an seinem Hut reibt, verfärbt er sich plötzlich gelb wie ein Postauto.”
Im Landgut wartete Koch Dennis Kühn bereits auf die Pilzsucher: “Pilze kann man eigentlich nur in zwei Monaten im Jahr gut sammeln. Im Kochkurs geht es deswegen auch darum, die selbst gesammelten Pilze länger haltbar zu machen, sodass man das ganze Jahr etwas von ihnen hat.”
Eine Möglichkeit wäre es, die Pilze zu trocknen und dann fein zu mahlen. Mit dem Pulver lassen sich anschließend selbst angesetzte Soßen aromatisieren. Aber auch eine Pilzbutter kann man so schnell selbst herstellen und mit frisch aufgeschnittenem Brot anbieten. Oder man fermentiert die Pilze zusammen mit Kohl, Chili und anderen Zutaten zu einem scharfen “Shroomchi”.
Zusammen mit den Pilzsuchern schnitt Dennis Kühn einen eingesammelten Bovist in Scheiben, um ihn probeweise zu panieren und wie ein Schnitzel zu braten.
Zum eigentlichen 3-Gang-Menü gehörten ein klares Waldpilz-Süppchen, Medaillons vom Jungrind mit Pilzkruste und Pilzrahmsauce sowie ein Schokoladenmousse mit Wiesenchampignons. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 187 (10/2021).
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