Kino-Filmkritik: Es ist nur eine Phase, Hase
Auch die deutschen Filmproduktionen schlagen nach der Corona-Pause langsam wieder im Kino auf. Regisseur Florian Gallenberger reiht sich ein und bringt den Bestsellerroman „Es ist nur eine Phase, Hase“ von Maxim Leo und Jochen Gutsch auf die große Kinoleinwand. Das Buch hat sich ein Jahr lang auf der Spiegel-Bestsellerliste gehalten – und das nicht von ungefähr.
Es geht um ein brisantes Thema, das sich gern von hinten anschleicht und dem man nicht entkommen kann: dem Alter. Paul (Christoph Maria Herbst) ist so ein typischer Endvierziger. Die Haare werden weniger, das Verlangen nach Sex sinkt, die Plauze wächst und plötzlich tut alles ständig weh. Kein Wunder, dass Pauls Frau Emilia (Christiane Paul) bei ihren Freundinnen klagt: „Mein Mann ist mal 800 Kilometer gefahren, nur um mit mir zu schlafen. Jetzt ist ihm schon die andere Seite des Betts zu weit weg.“
Emilia merkt ja selbst, dass sie längst nicht mehr so knackig ist wie früher, dass ihr Leben eintönig verläuft und dass sie einfach nicht mehr glücklich ist. Sie beginnt deswegen eine Affäre mit einem jungen Mann und bittet Paul um eine klärende Beziehungspause. Damit schiebt sie ihn endgültig über den Abgrund: Jetzt helfen nur noch Antidepressiva und Testosterontabletten.
Paul rutscht – und das ist das Thema des Films – in die Alterspubertät. Das wird definiert als „krisenhafter Zustand der Unsicherheit in der Mitte des Lebens, in dem die Betroffenen, hormonell schwer verwirrt, den Sinn ihres bisherigen Daseins kritisch überdenken und in Zweifel ziehen.“ Klar ist: Jung sind nur noch die anderen.
„Es ist nur eine Phase, Hase“ lebt natürlich vom phantastischen Schauspiel seiner Hauptdarsteller. Vor allem Christiane Paul spielt die sich verzweifelt gegen den öden Alltag auflehnende Mutter Ende vierzig ganz fantastisch und mit vielen Untertönen, die gar keinen Dialog brauchen. Hier wird der Film tiefsinnig, dramatisch, verzweifelt, aufrüttelnd und zutiefst erschütternd. Jede Szene mit Christiane Paul ist echt eine Offenbarung.
Christoph Maria Herbst legt seinen Paul hingegen so apathisch, stoffelig und auch langweilig an, dass man wenig Sympathien hegt und die Emelia nur zu gut verstehen kann, wenn sie sich fragt: Kann es das denn schon gewesen sein?
Die Paul-Ebene im Film ist deutlich mehr für den Klamauk da. Wenn Cordula Stratmann bei ihm eine Prostata-Untersuchung durchführt und das wie ein Autorennen kommentiert, soll das wohl lustig sein. Auch Jürgen Vogel als notgeiler Paul-Kumpel, der immer wieder extrem jüngere Frauen vernascht, wirkt leider übertrieben bemüht komisch.
Das ist auch das Problem mit „Es ist nur eine Phase, Hase“. Als ernster Film, der sich wirklich empathisch und inhaltlich mit den Beziehungsproblemen des Alterns beschäftigt, entwickelt er keine wirkliche Dramatik, sondern plätschert auf einer Ebene dahin, dass man den Film einfach „nett wegschauen kann“. Betrachtet man den Film von der Humorebene, so nutzt er zu viele peinlich schlechte Stammtischscherze, die das Niveau nach unten ziehen.
Am Ende wurde man gut unterhalten, hat viele schöne Wortspiele über hängende, faltige und schwabbelige Körperteile gehört und mitgefiebert, ob sich Paul und Emilia am Ende noch einmal einkriegen. Aber ganz ehrlich: Diese Frage beantwortet man sich auch gern zuhause vor dem Fernseher. Dafür hätte man nicht ins Kino gehen müssen. (CS / Bilder: Majestic)
Fazit: 3 Sterne (FSK 12)
Spieldauer: 102 Minuten
Kinostart: 14. Oktober 2021
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=g6SZe4PUnu8
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 90 (9/2021).
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