Unsere Sandstraßen
Jedem Taxifahrer aus Berlin entgleisen die Gesichtszüge, wenn er sich beim Abtransport seiner Fahrgäste plötzlich mit einer der vielen Sandstraßen Falkensees konfrontiert sieht. Mit Angstschweiß auf der Stirn und gefühlten null Stundenkilometern schiebt er dann sein gelbes Gefährt langsam über die extreme Huckelpiste – immer in der Hoffnung, dass er auf diese Weise nicht mehr als ein paar hundert Meter weit rollen muss.
Die Falkenseer Bürger sind da schon längst abgehärtet. Gute Fahrer “schaffen” es auf bis zu 30 Stundenkilometer, wenn sie geschickt riesigen Löchern ausweichen und dabei mal auf der rechten und mal auf der linken Straßenseite den Unterboden des Wagens einem sandigen “Russisch Roulette” ausliefern. Die unglaublichen Schlaglöcher in den Sandstraßen des Ortes würden ausreichen, um kleine Kinder in ihnen zu verstecken. Tatsächlich sorgen sie immer wieder dafür, dass die Seitenstreifen der Straßen mit abgefallenen Radkappen garniert werden.
Ein Fest für Autowerkstätten
Für die Autowerkstätten ist der mangelhafte Straßenzustand freilich eine nie versiegende Goldgrube. Gerissene Auspuffaufhängungen, demolierte Stoßstangen und viel zu schnell derangierte Stoßdämpfer: In Falkensee sollten besser keine tiefer gelegten Sportwagen unterwegs sein. Sie würden nicht weit kommen.
Auch für die Polizei sind die Sandstraßen von echtem Vorteil. Bösewichter können dem Arm des Gesetzes nicht länger entkommen, weil die Hälfte der 260 Kilometer Straßennetz eh noch nicht befestigt sind. Da sind durchdrehende Räder auf der Flucht nicht so leicht zu realisieren. Dafür fällt es der Polizei auf den Sandstraßen sehr schwer, Alkoholsünder ausfindig zu machen. Angesichts der Schlaglöcher, die dichter beieinander liegen als die Sommersprossen auf der Nasenspitze einer Rothaarigen, fühlen sich die Autofahrer sowieso nicht mehr an die offizielle Straßenverkehrsordnung gebunden und fahren munter Slalom, ganz wie sie es wollen – oder wie die Straße selbst den fahrbaren Weg vorgibt.
Sandstraßen mit Charme
Viele Neuzugezogene lieben die Sandstraßen des Ortes. Sie erlauben es den Kindern dank langsam fahrender Autos, direkt auf der Straße zu spielen. Und überhaupt wirkt der Ort dank der sandigen Straßen so wunderbar urban. Ganz nah an Berlin dran und zugleich doch so provinziell. Fast wie in einem anderen Jahrhundert. Macht man die Augen zu, glaubt man, Pferdekutschen über die Sandpisten klappern zu hören.
Wer länger im Ort wohnt, sieht die Sache freilich anders. Der Staub zieht gerade im trockenen Sommer in jede Hausritze und sorgt dafür, dass der Staubsauber nie mehr stillsteht. Irgendwann nervt es auch, jeden neuen Wagen gleich in Rekordzeit wieder zu Schrott zu fahren. Die betroffenen Hausbesitzer probieren in ihrer Verzweiflung bald alles aus. Erst füllen sie Gartenabfälle in die Straßenlöcher, dann dicke Steine und am Ende sogar den Sand aus dem Buddelkasten der Kinder.
Helfen tut am Ende trotzdem nur die dicke Planierwalze, die im letzten Jahr durch den Ort rollte und auf den betroffenen Straßen zumindest für ein halbes Jahr glatte Wege ermöglichte. Früher, so wissen manche Ureinwohner des Ortes zu erzählen, wurden die Straßen sogar einmal im Jahr eingeebnet. Eine tolle Idee, finden auch die neu Hinzugezogenen. Dann bleibt zwar der Staub, aber es fallen keine anteiligen Kosten für die Asphaltierung an. Hauptsache, man kann wieder fahren, ohne dafür einen Jeep mit Allradantrieb zu benötigen.
Und, man muss ja auch das Gute an den Straßen sehen: Wenn es einmal regnet, gibt es keinen besseren Platz auf der Welt für die Kinder, um abenteuerliche Staudämme zu bauen. (CS)
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