Echt männlich!
Wann ist ein Mann ein Mann? Ja, wer weiß das schon. Ich für meinen Teil mache mir da manchmal Sorgen. Früher in der Steinzeit war es noch einfacher, ein echter Kerl zu sein. Man(n) stank zehn Meilen gegen den Wind, wusch sich nie, erlegte das Mammut und zerrte seine Angebetete an den Haaren in die Höhle.
Heute gelten da schon andere Kriterien. Und ich, ich erfülle viele davon nicht. Handwerklich bin ich eine echte Niete. Ich kriege keinen Nagel gerade in die Wand, kann an meinem Auto im Bestfall den Benzindeckel aufschrauben und weiß nicht, wie ich einen Staubsauger wieder in Gang kriege, wenn er streikt. Ich kann keinen VW von einem BMW unterscheiden und höre definitiv nicht am Motorengeräusch, was für ein Auto da an mir vorbei fährt. Handys interessieren mich überhaupt nicht, Hauptsache, es bimmelt. Und ist das wohl schlimm? Ich koche gern für die ganze Familie, schaue Pilcher-Filme und das Traumschiff, bin Weltmeister im Ketten-Entwirren und unternehme im Urlaub gerne Ausflüge mit der ganzen Familie.
Ich weiß, das wiegt schwer und lässt mich auf der Harte-Kerle-Skala ein ganzes Stück abrutschen. Zum Glück gibt es auch eine Menge Pros. Ich bin ein echter Messy und kann wunderbar im unordentlichen Chaos leben. Mit den Kumpels spiele ich gern nächtelang Poker und schaue mir brutale Action-Filme im Kino an, in denen nicht geküsst werden darf und in denen der Held spätestens dann unsterblich wird, sobald er sich im Kohlenträger-T-Shirt dem Kugelhagel stellt. Ich sammle Hulk-Comics, habe alle Romane von Stephen King gelesen und liebe alle Science-Fiction- und Horror-Schocker mit einer Freigabe ab 18 Jahren. Nichts ist schöner als Schweigen mit den Freunden, ganz kurze Telefonate und das Einschlafen auf dem Sofa vor dem Fernsehen. Ich bin egoistisch, faul, unsozial und eine Schande für die Menschheit – manchmal, sagt meine Frau.
Gegen mich als echter Kerl spricht aber auf der anderen Seite noch mehr. Ich trinke gerne Baileys auf Eis, liebe den Cirque du Soleil, fliege am liebsten nach Hawaii und war schon zwei Mal in der Las-Vegas-Show von Siegfried und Roy. Ich kann bei Spielen aller Art gut verlieren, hasse lautes Rülpsen in der Öffentlichkeit und besaufe mich nicht regelmäßig, bis es peinlich wird. Ich schaue auch gern das Promi-Dinner auf VOX und Heidis Germany’s Next Top Model. Kochsendungen mag ich auch und ab und an darf es auf DVD auch einmal eine echte Rührschnulze sein. Und ich gebe es zu: Ich höre mit Begeisterung Vaya con Dios.
Zum Glück gibt es Hoffnung. Ich lehne Feng Shui und Homöopathie als völligen Blödsinn ab, mag exzessive Silvester-Böllereien, sammle Ferrari-Autos von der Tankstelle, höre für mein Leben gern Rammstein und Fehlfarben, kann schnarchen wie ein Profi und mag gern scharfes Essen vom Thailänder. Außerdem ist Botanik die Lehre vom Tierfutter und besser als jedes Gemüse ist ein ordentliches Steak vom Grill.
Alles im Lot? Na gut, dann habe ich ja noch Glück und darf mich gerade noch so als waschechten Kerl bezeichnen. Immerhin habe ich eine kniehohe Figur von Lara Croft auf meinem Schreibtisch zu stehen. Das sagt doch eigentlich alles, oder? (Carsten Scheibe)
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