Scheibes Glosse: Hundeterror in der Bahn
Wer darf eigentlich noch mit der Bahn fahren? Kinder werden willkürlich aus dem Zug geworfen. Und jetzt darf auch mein Hund nicht mehr ohne Maulkorb in den Zug steigen. Was freue ich mich doch, dass ich ein Auto habe und hier mein eigener Chef bin.
Als Kind in Berlin musste ich weniger als eine Mark für ein Bus- oder U-Bahn-Ticket bezahlen. Die Busse hatten noch einstellige Nummern und ich bin mit dem Dreier in die Schule gefahren.
Mein Verhältnis zu den öffentlichen Verkehrsmitteln ist aber seit jeher gespalten. Das liegt sicherlich daran, dass in der Berliner U-Bahn bereits auf mich geschossen wurde, dass ich Zeuge aller nur möglicher menschlicher Entgleisungen geworden bin und dass ich froh war, kein Ausländer gewesen zu sein, als eines Tages 50 Skinheads mit Baseball-Schlägern das Abteil betraten. Ich werde auch den mutigen Popper nicht vergessen, der hundert sturzbesoffene Herthafrösche herausforderte, nur weil die ihn ärgerten. Er sagte: „Wer ein Problem mit mir hat, kann ja an der nächsten Station mit mir aussteigen.“ Ich habe ihn nie wiedergesehen. Derweil schrieb mein Kumpel Victor einen Gedichtsband: „Dinge, die mir in der U-Bahn passiert sind.“ DAS ist wahre Kunst, Kumpel.
Seitdem stehe ich mit der Bahn auf Kriegsfuß. Einmal habe ich versucht, mit der Bahn nach Berlin zu fahren. Da weigerte sich der Zug, an meinem Bahnhof Halt zu machen – und ließ mich stehen. Der anschließend eingeplante Zug tauchte nie auf. Wahrscheinlich war er gecancelt worden.
Letztens fuhr ich dann doch einmal zu einem Peter-Fox-Konzert in die Wuhlheide. Da erfuhr ich dann nicht nur, dass die Fahrscheine inzwischen den Gegenwert eines Eigenheims aufweisen. Sondern auch, dass Berlin inzwischen in mehrere Verkehrszonen eingeteilt wurde. Abgefahren.
Was ich aber nicht cool finde, ist das unprofessionelle Verhalten der Bahn. Gehört es wohl zur Ausbildung dazu, wahllos ohne Erwachsene reisende Kinder aus der Menge der Fahrgäste herauszugreifen und sie nur wegen fehlerhaft gewählter Fahrscheine an fremden Bahnhöfen des Zuges zu verweisen? Wenn die Fahrscheinautomaten verständlich wären, würde das vielleicht seltener passieren. Ebenso, wenn die garstigen Fahrscheinkontrollettis Verstand und Menschlichkeit beweisen würden.
Nun hat der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg zum 1. Januar beschlossen, dass Hunde aller Art nur noch mit einem Maulkorb Bus und Bahn betreten dürfen. Klar: Meinem absolut harmlosen Golden Retriever binde ich jetzt auch noch das Maul zu.
Tausend Mal lieber steige ich in mein Auto, das mich vollbesetzt und mit Hund sicherlich preiswerter zum Ziel bringt als die Bahn. Dabei höre ich so laut Musik, wie ich will, und niemand will meinen Fahrschein sehen. Höchstens den Führerschein – und das auch nur dann, wenn ich zu schnell fahre. (Carsten Scheibe)
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