Bogensport in Dallgow
Bogenschießen ist ein sehr außergewöhnlicher Sport. Wer Spaß daran hat, einen Pfeil auf bis zu 90 Meter ins Ziel zu befördern, findet oft keinen passenden Verein in der Nähe. Da sind wir im Ort privilegiert. Der SV Dallgow 47 e.V. gönnt sich eine eigene Bogensport-Abteilung, die von Peter Sach geleitet wird. Der Schütze, der auf keinem europäischen Turnier fehlen darf, kann mit seiner Truppe einen eigenen Schießplatz im Freien nutzen. Er ist tiefergelegt, weist am Ende nach 90 Metern noch eine erhöhte Schutzwand für die Nachbarn auf und stellt die klassischen Robin-Hood-Zielscheiben aus gepresstem Stroh auf.
Kinder und Erwachsene, Männer und Frauen – alle sind herzlich willkommen und können sich diesen Sport einmal aus der Nähe ansehen. Beim Anfängerkurs wird sogar das Equipment gestellt. Später muss ein eigener Bogen gemietet oder gekauft werden. Das ist keine besonders preiswerte Angelegenheit, denn ein moderner Bogen hat nichts mehr mit dem klassischen Holzbogen aus den Hollywood-Filmen zu tun. Ultraleichte Carbonpfeile, gefräste Metallmittelstücke für den Bogen, gebogene Wurfarme in angepasster Stärke und extrem genaue Visiere zum Zielen: Bogenschießen ist längst ein High-Tech-Sport geworden.
Trotzdem: Vor allem Kinder und Jugendliche haben viel Spaß an dem Sport, der eine hohe Konzentrationsfähigkeit verlangt und fördert – und viele tolle Erfolgserlebnisse zu bieten hat.
Der SV Dallgow 47 e.V. bereitet sich zurzeit auf die internen Vereinsmeisterschaften vor, die Ende November in Dallgow stattfinden. Hier treten dann nur die Vereinsmitglieder gegeneinander an, um herauszufinden, wer den Pfeil am besten ins Ziel lenken kann.
Bogenschießen im SV Dallgow 47 e.V.
Mit Pfeil & Bogen
Das sportliche Angebot im Havelland ist mehr als üppig. Vom Hockey über Line Dance bis hin zum Tennis, Golfen oder Handball: Alles ist möglich.
Im diesjährigen Urlaub habe ich den Bogensport für mich entdeckt. Mitten am türkischen Strand wurde zwei Mal am Tag ein Turnier ausgetragen: Mit einem hölzernen Recurve-Bogen, leichten Carbonpfeilen und einer kreisrunden Stroh-Zielscheibe in knapp 30 Metern Entfernung. Auch ohne Visier und Technik traf ich nicht schlecht – und konnte das Turnier ein paar Mal gewinnen.
Zurück in Falkensee fiel mir ein, dass der SV Dallgow 47 e.V. eine eigene Abteilung für den Bogensport unterhält. Ich hatte schon einmal darüber berichtet und mit Freunden selbst dort geschossen. Nun war es an der Zeit, das ernsthafter anzugehen. Ich fuhr an einem Trainingstag zum eigenen Bogenschießplatz in der Dallgower Markomannenstraße, um den Trainer Thomas Hepe zu treffen. Der freute sich: „Du kommst gerade richtig. Wir haben hier noch mehrere Kinder, die auch neu anfangen möchten. Da bekommen wir einen richtigen, kleinen Kurs zusammen.“
Sehr gut: Ich zahle 15 Euro für einen Probekurs und kann einen ganzen Monat lang auf dem Bogenplatz üben – immer Dienstags von 16 bis 18 Uhr und Donnerstags von 16 bis 18 Uhr. Trainiert wird auch am Sonntag von 10 bis 13 Uhr. Aber da am Sonntag nicht immer ein Trainer vor Ort ist, der einen Schlüssel für den Materialraum hat, bleibt es vorerst bei den Terminen am Dienstag und Donnerstag.
Wir lernen: So ein moderner Recurve-Bogen, der besteht aus einem stabilen Mittelstück, das bei einfachen Bögen aus Holz und bei den besseren aus Metall gefertigt ist. In das Mittelstück lassen sich die Wurfarme einklinken. Sie halten die Sehne und bestimmen mit ihrer Steifheit und Biegung die Stärke des Bogens. Die Zugkraft eines Bogens wird in „lbs“ angegeben, also in Pfund. Die Kinderbögen, die wir uns ausleihen, ziehen mit etwa 18 lbs, mein Leih-Bogen hat 24 lbs. So oder so braucht es eine spezielle Apparatur im Vereinshaus der Bogensportler, um den Bogen zu spannen und die Sehne aufzuziehen. Da steckt schon eine Menge Power dahinter. Profis „steigen“ übrigens in den Bogen hinein und nutzen die Beine als Anker, um diese Wurfarme so biegen zu können, dass sich die Sehne anbringen lässt.
Bevor es mit dem Bogenschießen losgehen kann, muss ganz schön geackert werden. Erst muss der Bogen zusammengebaut werden, dann der Bogenständer, in den man den Bogen stellen kann, während man loseilt, um abgeschossene Pfeile wieder zurückzuholen. An den Arm, der den Bogen hält, kommt ein lederner Armschutz. Er verhindert, dass die Sehne beim Abschießen des Pfeils gegen den Unterarm schnellt und hier ein fettes Hämatom verursacht. Die Sehne selbst wird mit einem Leder-Tab gezogen, das die Fingerkuppen schützt. An den Gürtel kommt nun noch der Köcher mit den Pfeilen. Und das ist alles nur der Anfang.
Thomas bringt uns den richtigen Stand bei: „Die Füße stehen gerade nebeneinander und die Hüfte wird seitlich zum Ziel ausgerichtet, sodass man über die Schulter zielt. Als Schütze steht man ganz leicht vorne auf den Füßen. Der Kopf bleibt absolut still stehen. Die Sehne wird bis zum Kinn gezogen und berührt die Nase leicht. Nach dem Zielen wird die Sehne nur noch losgelassen.“
Es ist verblüffend, wie viel Finesse zum Bogenschießen dazugehört. Thomas lässt uns beim Schießen unseren eigenen Weg finden und greift immer wieder kurz ein, um den Stand zu optimieren oder um einen neuen Baustein für die richtige Technik zu vermitteln.
Wir schießen auf 10 Meter und sind am Anfang froh, überhaupt die Scheibe zu treffen. Nach und nach wird es besser und die Pfeile schlagen enger beieinander ein, um eine „Wolke“ zu bilden.
Das ist für Thomas das Signal, um aufzurüsten. Wir erhalten einen langen Stabilisator, der vorn an den Bogen geschraubt wird. Diese „Stange“ fängt Vibrationsenergien auf und sorgt so für einen noch genaueren Schuss. Wir erhalten außerdem einen Schnürsenkel als Fingerschlinge. Sie wird bei der Hand, die den Bogen hält, um Daumen und Zeigefinger gespannt – so, dass die Schnur um den Bogen läuft und ihn auffängt, würde man ihn loslassen. Denn als Bogenschütze soll man den Bogen nicht festhalten, sondern ihn beim Ziehen des Pfeils nur gegen die Kuhle zwischen Daumen und Zeigefinger drücken. Nach dem Schuss, wenn der Bogen nicht mehr gegen die Hand gedrückt wird, fällt er nach vorn in die Schlinge hinein. Das ist im Kopf verdammt schwer umzusetzen. Man möchte den Bogen immer fest halten.
Ein Visier kommt auch noch dazu. Es wird am Mittelstück befestigt und weist einen roten Punkt auf. Gezielt wird mit dem so genannten „Sehnenschatten“, den die gespannte Sehne vor den Augen bildet, und dem Visier. Cool: Das Visier lässt sich über Stellschrauben nach rechts und links und nach oben und unten bewegen. Für jede Entfernung braucht man als Schütze einen eigenen Visierwert, den man sich beim Schießen der Pfeile regelrecht erarbeiten muss. Diesen Wert schreibt man sich in ein kleines A6-Heftchen, das zur Grundausstattung gehört.
Ich schieße begeistert Pfeil um Pfeil, Stunde um Stunde. Erst auf 10 Meter, dann auf 20, später auf 30. Wir heften ein kleines Papier als Ziel auf die Scheiben – in der Größe eines Bierdeckels. Das zu treffen und nicht nur „einzurahmen“ ist das Ziel. Später nehmen wir Luftballons. Da merkt man wenigstens sofort, ob man getroffen hat oder nicht.
Nach vier Wochen ist für mich klar: Das ist ein cooler Sport. Der tiefergelegte Bogenschießplatz mit seinen Zielen bis auf 70 Meter Entfernung ist spitze, die Jungs und Mädels im Verein sind gut drauf und vom vielen Schießen bekomme ich ordentlich Muskelkater nicht nur in den Armen, sondern sogar im Hintern.
Also muss ich Mitglied im Dallgower Verein werden. Das kostet mich 25 Euro im Jahr für den Verein und 25 Euro im Jahr für die Abteilung Bogensport. Ein Schnäppchen. Wenn man bedenkt, dass ein Jahr Mitgliedschaft im Golfclub über tausend Euro kostet.
Der Sport ist trotzdem nicht ganz billig. Das liegt am Material: Der Bogen muss angeschafft werden.
Einen Bogensporthändler in Berlin und Umgebung gibt es nicht. Also wird im Internet gekauft. Das geht nicht ohne Fachanleitung. Thomas misst mich aus. So stellt er mir einen genauen Einkaufszettel zusammen. Mein Bogen soll 70 Zoll lang sein und eine Zugkraft von 28 lbs haben. Er lässt mich einen Pfeil ziehen und bestimmt, dass meine Pfeile eine Länge von 30,5 Zoll haben sollen.
Eine gute Idee: Anfänger können ihren Bogen im Internet mieten. Bei einem solchen Programm bezahlt man zwischen 40 und 75 Euro im halben Jahr und bekommt einen kompletten Bogen mit allem Drum und Dran geliehen. Das macht Sinn, denn oft weiß man am Anfang noch gar nicht, was man eigentlich später für einen Bogen haben möchte. Noch wichtiger: Während der Mietzeit lassen sich die Wurfarme immer wieder austauschen. Denn mit der Zeit werden die Ärmchen des Schützen stärker – und er kann mit mehr Zugkraft arbeiten.
Das Geld für die Miete eines Bogens wird auf den späteren Kauf angerechnet – eine Win-Win-Situation für beide Seiten.
Ich möchte ungern mieten, sondern bin „heiß“ auf einen eigenen Bogen. Den stelle ich mir im Online-Shop Schritt für Schritt zusammen. Schnell habe ich über tausend Euro im Einkaufskorb – ein Schock. Ein guter Bogen kostet gut und gern um die 400 Euro. Und man sieht – nach oben gibt es finanziell keine Grenzen. Ich möchte nun nicht gleich einen Tausender ausgeben und finde ein Komplettangebot mit allem Drum und Dran, das deutlich preiswerter ist. Mit einem Rucksack zum Transport der einzelnen Bogenbauteile und 12 Pfeilen (Pfeile kosten leicht zwischen 10 und 20 Euro pro Stück) wird‘s dann zwar doch wieder teurer, aber so ist das eben.
Ich habe keinen Leihbogen, also muss ich mir später neue Wurfarme kaufen. Natürlich bin ich wieder bockig und hole mir anstatt der vom Trainer empfohlenen 28 lbs gleich Wurfarme mit 32 lbs, damit ich die Wurfarme nicht so schnell tauschen muss. Die zusätzlichen lbs merkt man beim Ziehen der Sehne deutlich, da braucht man schon mehr Kraft.
Peter Sach, der die Bogensport-Abteilung leitet, für Deutschland schießt und gerade von einem europäischen Wettbewerb aus der Türkei zurückkommt, sieht das sofort: „Entweder ist der Bogen zu stark für dich oder du bist zu schwach. Du gehst immer mit dem Kopf zur Sehne. Andersrum wird ein Schuh draus.“
Na, super. Aber ich arbeite dran. Vor allem am konzentrierten Zielen, am „Ankern“ der Sehne am Kinn und am leichten Anheben des Ellbogens am ziehenden Arm, damit die Rückenmuskeln besser mit zum Einsatz kommen können.
Mit dem eigenen Equipment macht das Bogenschießen noch mehr Spaß. Vor allem, wenn man merkt, wie es langsam besser wird. Ich probiere mich erst an den 40 Metern aus, dann an den 50. Hier bemerke ich zum ersten Mal, dass ich das Ziel nicht mehr klar genug sehen kann – und besuche den Optiker meines Vertrauens. Tja, da hab ich wohl seit meinem letzten Besuch eine ganze Dioptrien Sehstärke verloren – und bekomme eine neue Brille angefertigt. Das ist dann wohl mein wichtigstes Ausrüstungsstück. Denn wie soll ich zielen, wenn ich das Ziel gar nicht erkennen kann?
Die Kinder schießen bei einem Turnier auf 40 Meter, die Erwachsenen auf bis zu 90. Ich wäre in meinem frühen Stadium froh, wenn ich auf diese Entfernung überhaupt die Zielscheibe treffe. Zum Glück steht jetzt erst einmal die Wintersaison an. Da wird inhäusig geschossen – auf eine Standardentfernung von 18 Metern. Es gibt ein eigenes kleines Häuschen in der Markomannenstraße, in dem etwa 6 Schützen gleichzeitig den Pfeil auf die Reise schicken können. Ansonsten wird in einer Dallgower Grundschule (Steinschneider Str.) geschossen: In der Turnhalle ist Platz für mehr Bogenschützen. Ein Pfeilfang hinter den Zielscheiben sorgt hier dafür, dass das Equipment der Schule nicht leidet.
Die internen Vereinsmeisterschaften finden am 27. und 28. November statt. Bis dahin ist ja noch etwas Zeit zum Üben. Trainerin Anke Sach bringt mich in Form. Ihr ist vor allem das Ankern am Kinn wichtig: „Wenn du die Sehne nicht jedes Mal an exakt der gleichen Stelle am Unterkiefer ankerst, dann fehlt dir beim Zielen die Kimme zum Korn. In der Folge schlägt der Pfeil nie an der gleichen Stelle ein.“
Aha, das hört sich alles so leicht an. Die Umsetzung ist dann schon kniffliger. Thomas Hepe lacht: „Ja, was suchst du dir auch einen Sport aus, dessen Bewegungsablauf zusammen mit dem Schwung beim Golfen zu den komplexesten und kompliziertesten zählt, die es im Sport überhaupt gibt.“
Inzwischen steigt die Nachfrage nach dem Bogensport wieder und das Team vom Verein hat beschlossen, feste Anfängertermine auf der Homepage anzukündigen. Wer ein Probetraining mitmachen möchte, meldet sich telefonisch bei Thomas Hepe (0177-807 6330) und kündigt sein Kommen zu einem der Termine an. Willkommen sind Kinder ab 10 Jahren, gern aber auch Erwachsene. Sogar im Rollstuhl ist das Bogenschießen möglich. (Carsten Scheibe)
Kontakt: SV Dallgow 47 e.V., Makromannenstr. 20, 14624 Dallgow-Döberitz, www.sv-dallgow.de
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