Interview mit Bürgermeister Heiko Müller: Jahresbilanz 2010
Der Falkenseer Bürgermeister Heiko Müller (51) ist ein Bürgermeister zum Anfassen. Bei allen wichtigen Events, Einweihungen, Jubiläen und Veranstaltungen ist er mit dabei. Tatsächlich ist im Ort viel passiert in den letzten Jahren. Vieles wurde gebaut, vieles saniert. Es ist aber noch immer viel zu tun. Für uns ist es an der Zeit, das aktuelle Jahr zusammen mit dem Bürgermeister Revue passieren zu lassen. Die Fragen stellte Carsten Scheibe.
Das Jahr neigt sich seinem Ende entgegen. Im Rückblick: Was sind die drei Dinge, die in diesem Jahr in Falkensee richtig gut gelaufen sind?
Großen Anklang findet der neu entstandene Sportpark in der Rosenstraße. Sport wird in unserer Stadt groß geschrieben – nicht umsonst sind wir 2008 „Sportlichste Stadt des Landes Brandenburg“ geworden – da darf eine tolle Sportanlage nicht fehlen. Richtig gut gelaufen ist auch der Bau des Erweiterungsbaus des Neuen Gymnasiums. Pünktlich zum Start des neuen Schuljahres am 23. August konnten wir der Schüler- und Lehrerschaft den Schlüssel feierlich übergeben. Wir hatten nicht einmal ein Jahr von der ersten Idee bis zur Einweihung – aber wir haben es geschafft. Ansonsten kommen wir mit unseren Vorhaben im Herzen der Stadt gut voran. Die neue P & R-Anlage wird gut angenommen, erst kürzlich feierten wir Richtfeste im neuen Bürgeramt und im Musiksaalgebäude. Am neuen Busbahnhof und in der Bahnstraße ist schon erkennbar, was unser Ziel ist.
Und was sind die drei Dinge, die überhaupt nicht funktioniert haben oder die schlimm gelaufen sind?
Der Tod unseres Beigeordneten Harald Höhlig hat alles überschattet. Plötzlich einen geschätzten Kollegen, mit dem man täglich zusammen gearbeitet hat, im Alter von 53 Jahren zu verlieren, hat alles andere in den Hintergrund gedrängt.
Welche Dinge stehen für 2011 an? Wo wird saniert, renoviert und neu gebaut?
Saniert werden neben dem bereits begonnenen Musiksaalgebäude und dem künftigen Bürgeramt das alte Schulgebäude der Kantschule und der Altbau des Neuen Gymnasiums. Der Hortneubau der Geschwister-Scholl-Schule wird beendet und mit dem Erweiterungsbau an der Europaschule begonnen. Aber auch auf dem Rathausgelände wird es Bautätigkeit gegeben. Das Rathaushauptgebäude wird über einen Zwischenbau mit dem jetzigen Ordnungsamtsgebäude verbunden. Mit dem im Zwischenbau geplanten Aufzug werden dann beide Gebäude endlich ohne Barrieren erreichbar sein. Geplant ist zudem der Neubau eines Sozialtraktes für unsere Feuerwehrkameraden. Sie leisten richtig gute Arbeit unter erschwerten Bedingungen. Das soll sich ändern – natürlich nicht die gute Arbeit, sondern die erschwerten Bedingungen.
Stück für Stück werden die Sandstraßen in Falkensee weiter ausgebaut.
Gibt es eigentlich einen Plan, wann die letzten Straßen mit einer Asphaltdecke versehen sind? Wie wird eigentlich bestimmt, welche Straßen als nächstes an der Reihe sind?
Die CDU hat vor einigen Wochen angeregt, einen Masterplan für den Straßenbau aufzustellen. Daran arbeiten wir gerade. Noch haben wir 69 km Sand- und Schotterstraßen in Falkensee. Nachdem in den letzten Jahren etwa 3 km Straße pro Jahr gebaut wurden, sollen zukünftig mindestens 6 km gebaut werden. Rechnerisch wären wir dann etwa in 12 Jahren mit dem Straßenbau durch. Der Masterplan soll den Grundstückseigentümern eine Orientierung geben, wann ihre Straße ausgebaut wird.
Ich war bei einer öffentlichen Versammlung zum Thema Straßenbau mit dabei. Die Diskussion zog sich endlos hin. Bürgerbewegungen verlasen ewig lange Forderungen, Anwohner stellten völlig belanglose Fragen, manche wurden sogar persönlich und beleidigend. Wie hält man das aus? Und das Tag für Tag?
Der Straßenbau in Falkensee ist ein besonderes Thema und beschäftigt viele Bürgerinnen und Bürger auf verschiedene Weise. Da kommt es schon einmal vor, dass die Emotionen der Betroffenen hoch kochen, zumal sie ja auch finanziell am Straßenausbau beteiligt sind. Ich moderiere die Bürgerversammlungen zum Straßenbau in der Regel und versuche immer eine konstruktive Atmosphäre zu schaffen. Die Bürgerinnen und Bürger haben berechtigte Anliegen, die wir ernst nehmen. Wenn es um viel Geld eines Anliegers geht, fällt manchmal auch das eine oder andere harte Wort. Deswegen darf man als Moderator nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Oft ist unser Problem, relativ komplizierte Zusammenhänge oder Berechnungsgrundlagen verständlich zu erklären.
Wir müssen auch immer daran denken, dass für die meisten Bürgerinnen und Bürger die Themen recht neu sind. Wir haben dagegen schon viele derartige Veranstaltungen durchgeführt. Deswegen setzt man hin und wieder zu viel voraus. Wenn ich das bemerke, versuche ich zunächst wieder alle „einzusammeln“. Nicht verstehen führt zu Verunsicherung. Das wollen wir natürlich vermeiden. Die Trendabstimmungen zu Einzelthemen bei den Bürgerversammlungen werden dann von den Stadtverordneten in ihre Entscheidungen einbezogen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes vom Sommer, die zu einer Erhöhung der Anliegerbeiträge führt, hat es uns nicht einfacher gemacht…
Viele Geschäfte und Restaurants mussten in diesem Jahr schließen. Wir hören in der Redaktion immer wieder die Klagen der Geschäftsleute, dass die Bürger in Falkensee kein Geld haben und auch keins ausgeben. Wir hingegen denken, dass wir in einer der reichsten Gegenden in Brandenburg leben, die Leute sehr viel Geld haben, es gern ausgeben, sich aber lieber nach Berlin orientieren, wenn die Qualität des Angebots vor Ort nicht stimmt. Dafür spricht auch der Erfolg des active well und vom Hexenhaus. Wie sehen Sie das?
Für Restaurants ist es nicht einfach in Falkensee. Die Hauptstadt ist in wenigen Minuten zu erreichen. Mit dem Havelpark in Dallgow-Döberitz und dem B5-Center ist die Stadt umgeben von guten Einkaufsmöglichkeiten. Auf kürzestem Wege kann ich alles auf einmal erledigen. Das ist für Berufstätige oftmals ein wichtiger Faktor, gerade in der viel zitierten „hektischen Zeit“. Umso mehr bewundere ich die Ausdauer und den Mut der vielen Falkenseer Geschäftsleute, die seit Jahren eine bunte Vielfalt in unserer Stadt anbieten oder neue Versuche starten, wie jüngst „Textil Reklame Falkensee“ mit einem neuen Geschäft in der Poststraße. Und an dem von Ihnen erwähnten Beispiel des Hexenhauses ist erkennbar, dass es auch in Falkensee richtig gut funktionieren kann, wenn man den Zeitgeist der Menschen trifft. Dennoch ist Falkensee für Gastronomen ein hartes Pflaster. Zumal Falkensee eine Familienstadt ist. Hier wohnen viele Familien mit kleinen Kindern und Ältere, die eher weniger Essen gehen als junge Leute oder Ehepaare ohne Kinder. Hinzu kommt, dass viele Falkenseerinnen und Falkenseer aus Berlin zugezogen sind, hier ihr Häuschen bauen oder gebaut haben und wenn sie sich die Zeit für einen netten Abend im Restaurant nehmen, dann das Lieblings-Restaurant in der Hauptstadt wählen. Das ändert sich zwar, aber nur langsam.
Sobald in Falkensee auch nur die kleinste Veranstaltung läuft, beschweren sich die Bürger auch schon wegen der Lärmbelastung. Sind wir denn wirklich nur eine Schlafstadt? Und wollen wir das, dass die Bürger zum Feiern lieber nach Berlin fahren?
Wären wir – wie manche behaupten – eine Schlafstadt, dann hätten wir kein Problem mit Lärm. Sind wir aber nicht. Wir sind eine Wohn- und Freizeitstadt. Da hat man auf der einen Seite das öffentliche Interesse der Bürgerinnen und Bürger an kulturellen und sportlichen Veranstaltungen und auf der anderen Seite das Ruhebedürfnis der Anwohner. Deshalb wird es immer um Kompromisse gehen. Bei Veranstaltungen, die bis in die Nachtstunden gehen, prüft das Ordnungsamt, ob die gemessenen Lärmwerte über den erlaubten Grenzwerten liegen. Wenn die Lärmwerte zu hoch sind, wird der Veranstalter umgehend angewiesen, den Lärmpegel zu senken. Schlimmstenfalls wird eine Veranstaltung abgebrochen oder es gibt Bußgelder. Damit versuchen wir die Falkenseerinnen und Falkenseern, die auf ihr Ruhebedürfnis bedacht sind, zu schützen.
Die Nordumfahrung war in den letzten Monaten kein großes Thema mehr. Wie ist denn der aktuelle Stand der Dinge?
Derzeit befinden wir uns immer noch im Planfeststellungsverfahren. Die Auswertung der vielen Einwendungen hält an. Ein Anhörungstermin ist mir aktuell nicht bekannt.
Sie sind vom Beruf her Diplom-Schiffskonstrukteur. Wie kommt man auf diese Idee, wenn das Meer so weit weg ist und Sie doch in Falkensee aufgewachsen sind?
Erstens habe ich unzählbar viele Wochenenden in meiner Kindheit auf dem Segelboot meiner Eltern verbracht. Zweitens hat mir mein Opa das Schiffbauen beigebracht – natürlich als Modell. Drittens war für mich die Ostsee immer etwas ganz Besonderes. Sozusagen die unendliche Weite. Naja und viertens hatte ich da eine Freundin…
Bevor Sie Bürgermeister geworden sind, leiteten Sie eine eigene Computerfirma. Was haben Sie da genau gemacht? Gibt es die Firma noch? Werden Sie diese Firma wiederbeleben, wenn Sie irgendwann Ihren Posten als Bürgermeister wieder abgeben?
Seit dem Studium habe ich Software entwickelt. Berechnungen mit Computern waren schon damals im Schiffbau unumgänglich. 1990 bin ich dann komplett in die Computerbranche eingestiegen und habe 1992 meine eigene Firma gegründet. Meine Aufgabe in der Firma war neben der Geschäftsführung vor allem die Softwareentwicklung. Die Firma gibt es noch, sie wird von meinem damaligen Partner weitergeführt.
Austauschschüler aus Lettland, Zimmermänner auf der Walz: Sie lernen ständig neue interessante Menschen kennen. Was waren 2010 die beeindruckendsten Begegnungen für Sie?
Ich finde immer die Kinder am beeindruckendsten. Ob Kitakinder oder Grundschüler – die fragen einem regelrecht Löcher in den Bauch. Bei Erwachsenen weiß man meistens, worum es geht und welche Fragen kommen. Bei den Kindern ist das anders, da wird man immer wieder überrascht. Da kommen Fragen zum Schulausbau, zur Nordumfahrung oder zum Hallenbad. Und dann kommt die Frage „Ist Deine Frau dick oder dünn“ – und man ist erst mal baff…
Wenn Sie so richtig die Nase voll haben von allen Problemen, Streitigkeiten und Entscheidungsfindungen: Wie entspannen Sie?
Ich greife zur Bassgitarre und spiele Beatles-Songs. Naja und im Urlaub segel ich öfter. Das ist auch entspannend, außer wenn man kentert.
Wenn Sie einmal Urlaub machen: Wo fahren Sie hin?
In jedem Fall ans Meer. Ich brauche das Meer, viel Sonne und einen tollen Sandstrand, um mich vom Alltagsstress eines Bürgermeisters zu erholen und auch um ein wenig Abstand zu gewinnen. Wenn ich dann noch meiner Segelleidenschaft frönen kann, freut sich mein Herz. Erst kürzlich war ich in der Türkei und habe mir vorgenommen, nie wieder in ein Segelboot mit der Nummer 13 zu steigen. Es endete meinerseits mit einem Sturz ins Wasser, weil das Trapezseil meinte, reißen zu müssen. Meine Bürodamen fanden das übrigens lustiger als ich – das Ergebnis war ein Zeichenwettbewerb unter dem Titel „Chef über Bord“.
Sie haben früher Handball gespielt, im Tor, glaube ich. Sind Sie heute noch sportlich aktiv? Wie sehen Sie generell den sportlichen Erfolg der Vereine in Falkensee?
Stimmt, ich habe früher lange Handball gespielt und war auch als Trainer und Schiedsrichter aktiv. Zuletzt stand ich bei der Einweihung der Lessingsporthalle am 5. September 2008 für das Verwaltungsteam gegen die Schulmannschaft im Tor. Heute fehlt mir dazu die Zeit. Wenn es zeitlich mal passt, spiele ich gern Badminton.
Falkensee ist ein Schmelztigel: Drei Viertel der Bürger sind zugezogen. Gerade die Zugezogenen brauchen oft zehn Jahre und mehr, um im Ort “anzukommen”, weil sie weiterhin in Berlin ausgehen, Geld ausgeben, arbeiten und ihre Freunde sehen. Wie sehen Sie das? Und gibt es noch Probleme im Zusammenleben zwischen Ossis und Wessis im Ort?
Natürlich gibt es immer mal wieder Stress zwischen Nachbarn. Das hängt oft auch mit unterschiedlichen Erfahrungen und Erwartungen zusammen. Allerdings gibt es solche unterschiedlichen Auffassungen nicht nur zwischen Ost und West. Die gibt es auch zwischen Leuten, die in Berlin gewohnt haben und anderen, die aus München, Frankfurt/Main, Bonn oder Hamburg kommen. Ich finde, wir sind schon ganz gut zusammen gewachsen. In den Schulen und Sportvereinen gibt es keinen Unterschied mehr. Auch in anderen Vereinen oder in der Nachbarschaft wissen die meisten nicht mehr, wer von wo gekommen ist. Ich finde das gut.
Alle Fotos mfG: Stadt Falkensee
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