Uwes Kolumne: Testosteron Pokern
Es graute schon dem Morgen, als ich siegestrunken nach Hause kam. Hatte ich doch tatsächlich einmal beim Pokern gewonnen. Also habe ich zu später Stunde einfach alle Gewinne und Pokerutensilien auf den Wohnzimmertisch gestellt und mich in die Falle geworfen.
Der beginnende Haarwurzelkatarrh verhieß für den nächsten Morgen einiges, aber nichts Gutes. Geweckt wurde ich dann vom schallenden Gelächter meiner Töchter. Mein Schädel brummte mächtig. Der kleine Mann mit dem Presslufthammer arbeitete fleißig auf meiner Hirnrinde. Die Ursache des Gelächters war übrigens die Trophäe, die ich beim Pokern gewonnen hatte. Wir spielen nämlich nicht um Geld oder um Ruhm und Ehre, sondern um einen Pokal.
Der Pokal, um den wir spielen, heißt übrigens P.Enis Pokal. Benannt nach Pepe Enis, der nach nicht bestätigter Überlieferung so um 1834, irgendwo auf dem Mississippi, beim Pokern auf den Ausruf seines Gegenspielers “Ich hab 4 Asse“ mit „Ich aber auch“! geantwortet haben soll. Tragischerweise verstarb er nur eine Minute nach diesem denkwürdigen Ausruf an akuter Bleivergiftung im Herzen, in der Leber, im Magen und im Kopf. Während die untergehende Sonne durch sein Loch in der Brust schien, entglitten ihm die vier Zweien seiner Hand. Hätte er doch besser seine Augengläser mit dabei gehabt.
Tja, ihr ahnt es schon, der Pokal sieht etwas, äh ja, anders aus, als Pokale nun einmal aussehen. Irgendwie erinnert er an eine Palme, die ihre Blätter verloren hat. Man nehme einen etwas erotisch anmutenden Schwamm, etwas Alufolie, bedrucktes Papier, Pappe und Tesafilm. Fertig ist die Trophäe.
Meiner Tochter gefiel er anscheinend so gut, dass sie sich berufen sah, den Pokal upzudaten. Inzwischen ist er aus Gold, na ja, zumindest angemalt – und bekam einen schicken Holzsockel. Das Design passt zu uns.
In unserer Männerpokerrunde kann man das Testosteron förmlich in der Luft schmecken. Anders gesagt: Wer die dicksten, äh Testikel, ihr wisst schon, hat, gewinnt, manchmal, oder auch nicht. Tja, dieser Mann aus Bochum, der mit den Flugzeugen im Bauch, fragte in einem Liedchen mal: “Wann ist ein Mann ein Mann“? Klare Antwort von mir:“ Wenn er pokern kann“.
Vorbei sind die langweiligen Canasta-Abende mit Mutti oder die Rommé Runden mit Oma. Die waren ähnlich aufregend wie das Verlesen eines Steuerbescheides. Kein Mau Mau oder Fingerkloppen mehr im Physik-, Religions- oder Geschichtsunterricht, von den Pausen ganz zu schweigen. Ja, die Schule war eine reine Spielhölle. Oder Skat: Das habe ich nie verstanden. 18, 20, 23, 24. Wie Grand? Mit 3 Spiel 4? Contra, Re, Bock, Zippe, Gartenstuhl! Du kommst, Schneider, Schwarz. Alles böhmische Dörfer für mich. Die Versuche meines Vaters, mich mit dem lokalen Großereignis „Skatturnier“ im Kleingartenverein zu etablieren, scheiterten kläglich. Konnte man förmlich in den Skat drücken. Kartenspiele fand ich nur kurzzeitig interessant.
Dann kam das Pokern, genauer gesagt Texas Hold `em, da werden Helden geboren und epische Schlachten geschlagen – und es spielen sich dramatische Oscar-reife Szenen ab. Da sitze ich im Heads Up meinem Gegner gegenüber und habe gerade, kurz nach dem der Dealer meinen lang ersehnten Flush gefloppt hat, mit Grabesstimme die verhängnisvollen Worte „All in“ gesprochen, schon steigt der Blutdruck. Es geht faktisch um Leben oder Tod am Spieltisch. Natürlich callt der Gegner, also kommt es zum Showdown. Er hat nur zwei Pärchen. Sieht gut aus. Für mich. Oder auch nicht. Denn mit dem River, also mit der letzten Karte, trifft er das ranghöhere Full House. Ende aus, ich bin raus, bitter. Dafür hatte ich aber einen Super Abend. Der Pokal ist erstmal weg. Den hat jetzt ein anderer Spieler.
Im Gegensatz zu den anderen Kartenspielen werden beim Pokern auch Spitznamen vergeben. Da gibt es Two Pair Günni, Carsten the Riverlucker, All in Bertram oder Erik the Teacher. Letzterer ist quasi der Jedi Ritter des Pokerns und der letzte große Weise. Er spricht zwar keine verschwurbelte Grammatik à la: „Vor dem Flop, die Action du machen musst“, aber er hat es drauf. „Alter, mit Pocket suited muss du Pre-Flop reraisen, damit nicht einer mit einem schlechten Blatt noch ein Full House rivert“!
Vermutlich wirft er jetzt das Heft in die Ecke und grummelt: „Der Uwe hat es immer noch nicht verstanden!“ Ihr etwa? Nicht? Dann müsst Ihr mal mit uns Poker spielen. (Uwe Abel, Foto Maike Abel).
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