Interview zur Landrat-Kandidatur 2016: Roger Lewandowski
Landrat Dr. Burkhard Schröder (65) hat im Dezember überraschend seinen vorzeitigen Rücktritt verkündet. Nun stehen am 10. April Neuwahlen an. Erstmals können die Havelländer direkt ihren obersten Repräsentanten wählen, vorher haben die Abgeordneten des Kreistages die Wahl unter sich ausgemacht.
Bislang stehen Martin Gorholt (SPD) und Roger Lewandowski (CDU) als Kandidaten fest. Lewandowski wohnt in Falkensee. Aus diesem Grund haben wir ihn zum ausführlichen Interview gebeten.
Seit 2005 arbeiten Sie in der Kreisverwaltung. Sie sind bereits Stellvertretender Landrat. Da können Sie uns doch sicherlich die Frage beantworten: Was sind die konkreten Aufgaben eines Landrats?
Viele Bürgerinnen und Bürger haben keine konkrete Vorstellung, was ein Landrat, was eine Kreisverwaltung macht, obwohl sie sicherlich schon oft – beispielsweise bei der Zulassung eines Autos – mit dieser in Berührung gekommen sind. Vereinfacht gesagt ist der Landrat der oberste Verwaltungsbeamte der Landkreisverwaltung. Er ist damit Chef der Kreisverwaltung mit über 1000 Mitarbeitern und einem jährlichen Haushaltsvolumen von rund 326 Millionen Euro. Zudem vertritt er den Landkreis nach außen. Er ist dafür verantwortlich, dass die Beschlüsse des Kreistages umgesetzt werden. Der Landrat gibt aber auch als Politiker die Strategie der zukünftigen Kreisentwicklung vor.
Die Aufgaben einer Kreisverwaltung sind dabei sehr vielfältig, sodass ich nur einige beispielhaft nennen möchte, die aber das Leben jedes Havelländer Bürgers direkt oder indirekt betreffen:
Erteilung von Baugenehmigungen, Rechtsaufsicht über die Städte und Gemeinden, Organisation des Busverkehrs und der Schülerbeförderung, Sicherstellung des Rettungsdienstes, der Betrieb von Krankenhäusern, die Jugendhilfe, Sozialhilfeleistungen für Erwerbsunfähige und Senioren, Vermittlung von Erwerbsfähigen in Arbeit, Unterbringung von Flüchtlingen, Bau und Unterhaltung von Kreisstraßen, Abfallbeseitigung, Bau und Unterhalt weiterführender Schulen, soweit nicht in Trägerschaft der Städte und Gemeinden, und der Förderschulen,usw.
Der aktuelle Landrat Dr. Burkhard Schröder stellt sein Amt vorzeitig zur Verfügung. Sie treten bei der Landratswahl im April 2016 als Kandidat um die Nachfolge an. Was hat Sie dazu bewogen, sich als Nachfolger zur Verfügung zu stellen?
Sie haben es ja schon gesagt: ich bin seit fast elf Jahren stellvertretender Landrat, eine Aufgabe, die mir nicht nur Pflicht ist, sondern mir auch meistens sehr viel Spaß macht. In dieser Zeit waren viele Herausforderungen zu meistern und Probleme zu lösen. Ich habe viele Erfahrungen sammeln können, den Landkreis sehr intensiv und aus verschiedenen Perspektiven kennen gelernt und viele interessante Menschen getroffen. Solche, die im Landkreis Arbeitsplätze schaffen oder sich für andere engagieren und natürlich auch viele Bürgerinnen und Bürger, die sich mit ihren Anliegen an die Verwaltung wenden und schnelle, kompetente und bürgerfreundliche Entscheidungen erwarten. Und nicht zuletzt bin ich Personalchef der rund 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landkreisverwaltung. Mit anderen Worten: Ich weiß, auf was ich mich einlasse, und ich weiß, dass ich in der Position des Landrates doch einiges mehr bewegen kann, als ich es als stellvertretender Landrat kann. Das ist meine Motivation: Im Landkreis etwas gestalten, was unser aller Lebensumfeld verbessert.
Die CDU ist der Meinung, dass die von der rot-roten Landesregierung vorgesehene Kreisgebietsreform aus Sicht des Landkreises Havelland unnötig ist und Kapazitäten bindet. Worum geht es bei der Kreisgebietsreform und warum ist sie Ihrer Meinung nach im Havelland überflüssig?
Die Diskussion um eine erneute Verwaltungsstrukturreform (auch Kreisgebietsreform) ist durch den sich abzeichnenden demografischen Wandel in Brandenburg und die zurückgehenden Bundeszuweisungen angestoßen geworden. Im Kern geht es bei der Kreisgebietsreform darum, durch die Zusammenlegung von Landkreisen und kreisfreien Städten wie Cottbus, Frankfurt/Oder und Brandenburg an der Havel angeblich leistungsfähigere Verwaltungseinheiten zu schaffen und Geld zu sparen.
Meines Erachtens ist dies aber ein Trugschluss. Die dadurch entstehenden riesigen Gebilde müssen weiterhin in der Fläche verwaltet werden. Dazu sind dann eine Vielzahl von Außenstellen und deren technische Anbindung notwendig, um den Kontakt zum Bürger nicht zu verlieren. Auch wird es Kreistagsabgeordneten dann kaum noch möglich sein, einen Überblick über das ganze Kreisgebiet zu erlangen.
Wir haben jetzt wichtigere Dinge zu tun, als uns mit uns selber zu beschäftigen!
Ich möchte, dass unser Landkreis eigenständig bleibt. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Landkreis Havelland in seiner jetzigen Form die Stärke hat, selbständig zu bleiben. Wir sind wirtschaftlich, finanziell und von der Einwohnerzahl her stark genug, das haben wir in den letzten Jahren bewiesen. Auch darf es nicht sein, dass die Landkreise, die in den letzten Jahren gut gewirtschaftet haben, jetzt dafür bestraft werden, indem sie zum großen Teil die Schulden des Fusionslandkreises oder einer kreisfreien Stadt übernehmen müssen.
Deshalb werde ich mich entschieden gegen eine Kreisgebietsreform gegenüber der Landesregierung aussprechen.
Als Stellvertreter haben Sie ja die aktuelle Politik des bisherigen Landrates auch mit getragen und nach außen verkauft. In welchen Fragen würden Sie als neu gewählter Landrat von der bisherigen Politik abweichen und eine eigene Linie verfolgen?
Mit Sicherheit werde ich anders agieren als der bisherige Landrat. Ich werde bei einigen Themen deutlich andere Akzente setzen. Wir brauchen beispielsweise eine bessere Vernetzung von Schule und Wirtschaft, um unsere Fachkräfte von morgen gut auszubilden und im Havelland zu halten. Wir brauchen ein deutliches Bekenntnis zu einem starken Regionalverkehr, eine bessere Gesundheitsversorgung in der Fläche, angereizt z. B. durch Stipendien für die Facharztausbildung oder mit einer Anschubfinanzierung für eigene Praxen. Ich könnte noch einiges mehr aufzählen. Der Vorteil, die Spitzenposition einzunehmen, liegt ja darin, Themen zu setzen und konsequent weiterzuverfolgen und Schwerpunkte zu verändern.
Eine eigene Linie werde ich aber auch im Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern und den politischen Akteuren verfolgen. Ein Landrat muss auch für die Bürgerinnen und Bürger ansprechbar sein. Ich werde deshalb eine regelmäßige Bürgersprechstunde anbieten. Ich halte es auch für wichtig, dass der Landkreis und die Städte und Gemeinden sich als gleichberechtigte Teile unseres Gemeinwesens begreifen und nicht, wie es in der Vergangenheit öfters der Fall war, gegeneinander arbeiten und dem jeweils anderen unlautere Motive unterstellen. Dazu muss mehr gesprochen werden. Ich nehme mir vor, regelmäßig mit den Fraktionen und Städten und Gemeinden zu sprechen, nicht, um fertige Lösungen zu präsentieren, sondern um Fragen und Anregungen aufzunehmen. Das ist meine eigene Linie.
Der Landrat hat ja auch das Thema Schulen unter seinen Fittichen. Bildung ist für die Zukunft extrem wichtig, damit Deutschland international konkurrenzfähig bleibt. Mit welchen Problemen haben die Schulen im Havelland aber zurzeit zu kämpfen – und was können Sie tun?
Als Schuldezernent habe ich fast täglich mit den Problemen von Schule im ganzen Landkreis zu tun. Diese sind von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich ausgeprägt. Ich glaube aber, dass die Hauptprobleme in zu vollen Klassen, vereinzelt hohem Unterrichtsausfall und in der gescheiterten Inklusionspolitik des Landes liegen.
Nach über fünf Jahren gibt es noch immer kein Konzept des Landes zur Inklusiven Schule. Insbesondere die weiterführenden Schulen werden bei diesem Thema komplett im Stich gelassen. Das Land stellt weder die räumlichen, sächlichen noch personellen Ressourcen zur Verfügung, damit Inklusion gelingen kann. Auch wird komplett ignoriert, dass nicht jedes Kind in einer Regelschule beschult werden kann und deshalb Förderschulen erhalten werden müssen.
Ferner sind schon heute die Schulen, gerade im östlichen Havelland, an ihren Kapazitätsgrenzen. Im Ergebnis der gerade in Bearbeitung befindlichen Schulentwicklungsplanung werden wir ableiten können, ob die Schulkapazitäten mittel-langfristig ausreichen werden oder ob Schulerweiterungen oder ein kompletter Schulneubau in Trägerschaft des Landkreises notwendig wird. Sollte ein Schulbau aufgrund der Schülerzahlenentwicklung notwendig sein, werde ich dies dem Kreistag vorschlagen.
Wie sehen Sie die Flüchtlingskrise, wie schätzen Sie die Arbeit des Havellandes in dieser Hinsicht ein und was möchten Sie besorgten Bürgern mit auf den Weg geben?
Der Flüchtlingszustrom ist eine außerordentliche Herausforderung und wird uns vermutlich noch eine Weile beschäftigen, solange eine europäische Lösung auf sich warten lässt. Die Landkreise sind zur Unterbringung verpflichtet. Da gibt es kein Wenn und Aber. Im Havelland haben wir da bisher sehr ordentlich gearbeitet. Alle uns zugewiesenen Menschen haben ein Dach über dem Kopf. Das war und wird auch weiter eine große Aufgabe sein. Es geht ja nicht nur darum, geeignete Unterkünfte zu finden oder zu schaffen, sondern auch darum, alle Beteiligten und die Bürgerinnen und Bürger umfassend zu informieren, auch um Befürchtungen und Ängsten zu begegnen. In den letzten Wochen ist uns gelegentlich vorgeworfen worden, dass die Kreisverwaltung nicht transparent genug ist und zu spät informiert. Das eine oder andere können wir da sicherlich noch besser machen, aber man muss auch wissen, dass uns die Ereignisse zum Teil völlig überrollt haben. Besorgte Bürgerinnen und Bürger sollen aber wissen, dass der Landkreis alles tut, um ein sicheres Zusammenleben von Einheimischen und Flüchtlingen zu gewährleisten. Dafür müssen auch beide Seiten etwas tun und nicht allzu skeptisch sein. Ich verhehle aber auch nicht meine Sorge, dass bei einem weiter anhaltenden Zustrom in der bisherigen Größenordnung die Aufnahmekapazitäten bald erschöpft sein könnten. Deshalb muss es gelingen, Menschen ohne Bleibeperspektive möglichst schnell in ihre Heimatländer zurückzuführen und solche, die vermutlich bleiben können, bei ihrer Integration zu unterstützen. Helfen kann der Landkreis dabei sowohl den Städten und Gemeinden als auch den engagierten Bürgerinnen und Bürgern vor Ort. Vor allem müssen wir aber die Arbeitgeber unserer Region unterstützen, damit diese Flüchtlinge ausbilden oder als Arbeitskräfte einstellen können. Arbeit integriert und macht unabhängig von Sozialleistungen. Als Landrat werde ich mich für eine bessere Kooperation von Job-Center, Ausländerbehörde, Schule und Betrieben einsetzen. Leider gibt es für die Gesamtproblematik keine einfache Lösung, dafür ist sie zu komplex. Der Landkreis mit seinen zahlreichen von Bürgerinnen und Bürgern getragenen Initiativen und die Verwaltung sind aber gut aufgestellt, Teil der Lösung zu sein.
Sie beschreiben sich als Macher und nicht als Meckerer. Was sind drei Dinge, die Sie als neu gewählter Landrat sofort angehen und ändern würden?
1. Ich möchte Bildung, Ausbildung und Wirtschaft stärker miteinander verzahnen. Dazu soll ein Konzept erarbeitet werden, wie es besser als bisher gelingen kann, zusammen mit den Betrieben der Region Schüler auf ihre spätere Berufswahl vorzubereiten und ihnen die nötigen Hilfestellungen zu geben. Auch das ist Wirtschaftsförderung.
2. Ich möchte den öffentlichen Personennahverkehr optimieren, um das Angebot nach Möglichkeit auszuweiten. Und ich setze mich für eine Stärkung der Regionalbahn ein.
3. Ich möchte, dass sich unsere Bürgerinnen und Bürger in unserem Landkreis sicherer fühlen. Deshalb werde ich mich für eine bessere Polizeiausstattung im Landkreis einsetzen.
Bei allen Begegnungen in den letzten Jahren sind Sie uns immer wieder als besonders gut gelaunter und fröhlicher Politiker aufgefallen. Wie bewahrt man sich bei allen politischen Problemen die gute Laune?
Manchmal ist es schon nicht leicht, vor allem, wenn es in Diskussionen unsachlich wird und man einander nicht zuhört. Ich bin aber ein sehr optimistischer Mensch. Mir macht meine Arbeit Spaß und ich bin einfach gerne mit Menschen zusammen. Da gibt es immer wieder überraschende Begegnungen und interessante Gespräche, vor allem auch neue Sichtweisen. Das ist ja in der Politik unter anderem wichtig: Dass man Meinungen zusammenbringt und Lösungen findet, mit denen möglichst alle leben können. Das ist nicht immer einfach, aber mir gefällt diese Herausforderung, solche Lösungen zu finden. Und das geht mit guter Laune einfach besser. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die meisten Menschen auf Freundlichkeit und gute Laune genauso gut gelaunt reagieren und die persönliche Ebene doch gut von der Sachebene trennen können. Insofern habe ich es ein Stück weit selber in der Hand, ob mir Politik weiterhin Spaß macht oder nicht. Aber glücklicherweise liegt das Gutgelauntsein irgendwie auch in meinem Naturell. (Foto: privat / Text: CS)
Roger Lewandowski (CDU)
Persönliche Eckdaten im Überblick
Persönliche Daten:
– Geboren am 4. Juli 1964 in Berlin
– 1983: Abitur
– 2 Kinder, 16 und 19 Jahre alt
– Ich lebe seit 1994 in Falkensee
Beruflicher Werdegang:
– 1984 – 1987: Studium an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin; Abschluss Diplom-
Verwaltungswirt
– 1988 – 2002: Senatsverwaltung für Inneres Berlin, Beamter im gehobenen nichttechnischen Dienst der allgemeinen Verwaltung begonnen als Regierungsinspektor, Aufstieg bis zum Oberamtsrat
– 1999 – 2001: Aufstiegsstudium für den höheren allgemeinen Verwaltungsdienst bei der Senatsverwaltung für Inneres
– 2002 – 2005: Senatsverwaltung für Finanzen, Ernennung zum Regierungsrat
– 1.4.2005: Ernennung zum Ersten Beigeordneten im Landkreis Havelland
– 1.4.2013: Erneute Amtsperiode als Erster Beigeordneter nach Wiederwahl
Politischer Werdegang:
CDU Stadtverbandsvorsitzender von 2002 bis heute
Mitglied im CDU Kreisvorstand seit 2002 bis heute
1998 – 2005: CDU Stadtverordneter in der Stadtverordnetenversammlung (SVV) Falkensee und die letzten Jahre auch Fraktionsvorsitzender der CDU Fraktion in der SVV
2003 – 2005: stellv. Fraktionsvorsitzender der CDU Kreistagsfraktion
Hobbies:
Geschichte und Archäologie, Volleyball, Gesellschaftsspiele und gute Gespräche mit Freunden, Kochen
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